O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Hintergründe

Beste Tradition seit fast 100 Jahren

Das Kölner Kammerorchester gibt es seit 98 Jahren. Und eigentlich ist es besser aufgestellt denn je. Grund genug, einmal auf die Pläne der nächsten Zeit zu blicken – sofern sie sich in Krisenzeiten verwirklichen lassen. Christoph Poppen und Franz Xaver Ohnesorg haben sich in die Karten schauen lassen.

Christoph Poppen und Franz Xaver Ohnesorg – Foto © O-Ton

In zwei Jahren kann es auf sein 100-jähriges Bestehen zurückblicken. Eine Gesamteinspielung aller 17 Messen Wolfgang Amadeus Mozarts geht in die zweite Runde, in der nächsten Spielzeit stehen interessante Konzertreihen und Gastspielreisen auf dem Programm und sogar die finanzielle Lage hat sich durch Zuschüsse des Landes stabilisieren können. Grund genug für das Kölner Kammerorchester, seinen „Principal Conductor“ Christoph Poppen und den Vorstandsvorsitzenden Franz Xaver Ohnesorg, ungetrübt in die Zukunft blicken zu können. Wenn die Schatten der Corona-Pandemie nicht auch ihnen zugesetzt hätten. Denn der Ausfall ihres März-Konzerts mit drei Mozart-Messen in der Kölner Philharmonie bedeutet einen empfindlichen Rückschlag auf dem Weg zu einer stabilen Finanzgrundlage.

Und diese Einschnitte betreffen nicht nur das Orchester an sich, sondern auch die meisten der freiberuflich mitwirkenden Profi-Musiker, von denen etliche durch die „Quarantäne“ in existenzielle Nöte geraten können, wenn die Zwangspause länger anhalten sollte. Poppen und Ohnesorg hoffen deshalb inständig, dass sie ihr nächstes Konzert am 26. April mit der Geigerin Clara-Jumi Kang und Werken von Tschaikowsky, Prokofieff und Beethoven wie gewohnt in der voll besetzten Kölner Philharmonie aufführen können. Das wäre das fünfte und vorletzte Konzert der laufenden Abonnement-Reihe des Orchesters, die zum festen Bestandteil des Angebots der Kölner Philharmonie gehört. Und zugleich zu den Standbeinen des Orchesters.

Im sechsten Konzert am 29. Mai ist die Pianistin Elena Bashkirova mit zwei Klavierkonzerten Mozarts zu Gast. Und Mozart wird auch einen Schwerpunkt im laufenden Jahr und der kommenden Saison bilden. Ungeachtet des derzeitigen Hypes um das Beethoven-Jubiläum. Beethoven gehört ohnehin zum Kernrepertoire und eine Symphonie des Meisters steht in jedem Jahr auf dem Programm. Im April die „Fünfte“.

Pläne in der kommenden Saison

Sechs Konzerte im Rahmen des Meisterwerks werden auch in der kommenden Saison im Abonnement angeboten. Zum Auftakt am 11. Oktober nach langer Zeit mit Poppens Gattin Juliane Banse als Solistin. Sie lockt mit einer Rarität, und zwar mit Joseph Haydns Solokantate Ariadne auf Naxos, einem viertelstündigen Lamento in einer Neuinstrumentierung von Franz Beyer. Flankiert wird das „Gefühlskarussell auf engstem Raum“, so nennt es Poppen, von der Symphonie Nr. 21 A-Dur KV 201 und dem Divertimento Nr. 17 KV 334 von Wolfgang Amadeus Mozart. Ein Höhepunkt des Mozart-Schwerpunkts bildet im zweiten Konzert die große Messe in c-Moll mit dem WDR-Rundfunkchor. Im weiteren Verlauf der Saison musiziert das Orchester mit dem Trompeter Simon Höfele, der Sopranistin Dongmin Lee mit einem Bach-Programm, der Geigerin Bomsori Kim mit Bruchs Violinkonzert, dem Klavier-Duo Yaara Tal und Andreas Groethuysen mit Mozarts Doppelkonzert und Veronika Eberle mit Mendelssohns Violinkonzert.

Eine Konzertreihe, die sich großer Beliebtheit erfreut und bisher auf so große Zustimmung stieß, dass der Erhalt des Orchesters mit Hilfe von Eintrittsgeldern, der Sponsoren und der seit dem Amtsantritt von Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen gewachsenen Hilfsbereitschaft des Landes einigermaßen gesichert ist. Wobei die Frage berechtigt ist, wieso in der derzeitigen Corona-Krise die finanziellen Einbußen der Fußballvereine zwar breit diskutiert werden, die der Kulturschaffenden in der Öffentlichkeit aber mit keinem Wort erwähnt werden. Ein Versäumnis, auf das auch Bernhard Paul, der derzeit mit seinem Roncalli-Circus in Recklinghausen brachliegt, mit einem Brief an Ministerpräsident Laschet aufmerksam machen wollte. Bisher jedoch ohne Resonanz. Euphorie kann in dieser Frage auch Franz Xaver Ohnesorg nicht verbreiten, versichert aber, dass das Problem manchem Politiker durchaus bewusst sei.

Ohne verlässliche finanzielle Grundlagen sind auch die Gastspielreisen des Orchesters auf Dauer nicht zu stemmen. Und davon sind für die kommende Saison sechs ehrgeizige Projekte geplant. Angefangen mit Lars Vogt als Pianist und Dirigent bei den Eckelshausener Musiktagen über eine Tournee in fünf Sommerschlössern, einen Abend mit Ute Lemper bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern, eine Tournee mit Fabian Müller und allen Klavierkonzerten von Beethoven in fünf deutschen Städten bis zu einer Gastspielreise nach Südkorea im März 2021. Besonders freut sich Poppen auf die Teilnahme mit fünf Konzerten bei dem vor sieben Jahren gegründeten größten Musikfestival Portugals in Marvão.

Gelähmt muss das Kölner Kammerorchester die Corona-Pause nicht überstehen. Die Proben und Aufnahmen der zweiten CD im Rahmen der Mozart-Messen laufen auf Hochtouren. Das lindert den Schmerz, kann aber ein Live-Erlebnis nicht ersetzen.

Pedro Obiera