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Es ist eine unerwartet frühe Rückkehr auf die Bühne des Zürcher Opernhauses. Tenor Jonas Kaufmann schlüpft nach seinem Auftritt in der Schweiz 2023 erneut in die Rolle des Malers Mario Cavaradossi in Giacomo Puccinis Drama Tosca, 1900 in Rom uraufgeführt. Vor zwei Jahren musste er krankheitsbedingt einen Teil der geplanten Aufführungen absagen. In Zürich war Kaufmann im März 2009 erstmals als Puccinis Held zu bewundern, das ist jetzt 16 Jahre her. Seine Lockenpracht blieb ihm erhalten, wenn auch ein wenig angegraut, verändert hat sich auch die Inszenierung nicht. In der Ära Homoki blieb die zeitlose Lesart von Robert Carsen, die in die Fünfzigerjahre mit ihrem Divenkult um eine Maria Callas zurückführt, unangetastet.
Über viele Jahre hinweg mussten die Opernfans in Zürich auf ein Wiedersehen mit Kaufmann warten. Für den charismatischen Münchner, mittlerweile hat er auch die österreichische Staatsbürgerschaft, gehört das Haus zu den Eckpfeilern seiner über dreißigjährigen Karriere. Der Cavaliere Cavaradossi ist eine seiner Paraderollen, nicht zuletzt auch wegen der Arie E lucevan le stelle, die der Sänger mit seinem sotto voce wieder und wieder zum ultimativen Tränenpresser macht. Hier strahlen die Sterne ebenso hell wie Kaufmanns Stimme in jüngeren Jahren. Den ersten Jubel erntet er bereits zu Beginn der Oper: Mit der schmachtenden Romanze Recondita armonia zieht er das Publikum in seinen Bann.
Foto © Toni Suter
Kaufmanns stimmliche Qualität ist geprägt von seiner unverwechselbaren Legato-Führung und den weit gespannten, emotionalen Melodiebögen. Er gilt in der Opernwelt weithin als einer der bedeutendsten und besten Tenöre seiner Generation. In Zürich hält sich Kaufmann bis zum dritten und letzten Akt hinsichtlich der vokalen Ausdruckskraft auffallend zurück. So, als hätte sich ein unsichtbarer Schleier über das strahlend helle Funkeln gelegt.
Kaufmann wird geliebt für sein kaum hörbares Hauchen, dass er beliebig ins Monumentale aufdrehen kann. Er beherrscht auch das tiefgründige Spiel seiner Partien, das nie ins Sentimentale abdriftet und sich ebenso wenig im Rampensingen erschöpft. Als Cavaradossi zeigt er die gesamte Palette der mehrdimensionalen Partie. Die baritonale Färbung seines samtenen Tenors ist gut erhalten, ebenso die maskuline Wärme seiner facettenreichen Stimme. In der Höhe bleibt Kaufmann weniger energiegeladen, als man es von ihm gewohnt ist, das hat mitunter zur Folge, dass seine Kantilenen an der schieren Strahlkraft und betörenden Geschmeidigkeit einbüßen. Kaufmanns dunkler, fast bronzener Klang sowie seine technischen Finessen beim Phrasieren kommen hingegen nach wie vor voll zum Tragen.
In Zürich geben sich auch unter dem neuen Intendanten Matthias Schulz wahre Weltstars die Klinke in die Hand. Daran wird weiterhin fleißig gearbeitet, in der Pause erblickt man an einem Sponsorenanlass die beiden Operngrößen Benjamin Bernheim und Lisette Oropesa, die in der Wiederaufnahme von Jules Massenets Manon glänzen.
Zürich zu Tosca, praktisch alle zwei bis drei Jahre auf dem Spielplan. Sonya Yoncheva verkörperte die leidenschaftliche Floria Tosca bereits 2021 in der Limmatstadt. Eine Frau, die aus Liebe und Selbstschutz den Widersacher ersticht und nach der Hinrichtung ihres Liebsten den Freitod wählt. Ihr nuanciertes Spiel ist durchdrungen von den vielschichtigen Emotionen der Titelfigur, und ihr voluminöser, geschmeidiger Sopran mit der dramatischen Kraft ist geradezu prädestiniert für das italienische Repertoire. Yonchevas dunkles und erdiges Timbre setzt sich immer mehr durch, das gilt insbesondere in der Mittellage und in den tieferen Registern.
Foto © Toni Suter
Im erbitterten Kampf mit Machtmensch Scarpia im zweiten Akt, verstummt das letzte Räuspern im Parkett angesichts des packenden Spiels der Protagonisten und der vokalen Präsenz. Yonchevas Interpretation von Vissi d’arte lässt den vorherigen Furor vergessen, hier gelingt der Sopranistin mit denkbar lyrischer Eleganz echte Gefühlstiefe, die Phrasierung ist elegant und die Legato-Führung makellos. Entsprechend brandend und anhaltend ist der Szenenapplaus.
Bryn Terfel gibt den Dämon Scarpia, und der britische Künstler scheint sich in der Rolle des machthungrigen Schurken wohlzufühlen. Das Libretto, verfasst von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica nach dem Drama La Tosca von Victorien Sardou, zeichnet den Baron und Polizeichef von Rom als einen Zeitgenossen, der Menschen manipulativ nutzt und sie anschließend so effektvoll wie möglich entsorgen lässt.
Im Grunde wäre Terfel der Traumbösewicht für jeden Filmproduzenten. James Bond lässt grüssen. Mit seinem maskulinen, stählernen Bassbariton und seinem differenzierten Spiel dominiert er das Geschehen und lässt einem das Blut in den Adern gefrieren. Seine Stimme hat eine imposante Durchschlagskraft und sein sattes Timbre beeindruckt in den tiefen Lagen, wo sich eine fast schon bedrohliche Klangästhetik ausbreitet. Als Scarpia erfüllt er die resonanten Anforderungen der Bass-Partie aus dem Effeff, ohne dabei die baritonale Agilität zu verlieren.
Exquisit besetzt sind auch die Nebenrollen mit Brent Michael Smith als Cesare Angelotti, Valeriy Murga als Mesner, Johann Krogius als Spoletta und last but not least Steffan Lloyd Owen als Sciarrone.
Marco Armiliato führt die Philharmonia Zürich mit sicherer Hand und hält dadurch die innere Spannung des Dreiakters bis zur letzten Minute aufrecht. Es ist ein opulenter, streckenweise fiebriger Orchesterklang, der die dramatischen Höhepunkte präzise setzt, das Tempo straff hält und die Instrumentalsoli – etwa von Cello oder Klarinette – subtil hervorhebt. Der Chor unter Ernst Raffelsberger brilliert im Te Deum am Ende des ersten Akts mit geballter Inbrunst und majestätischer Wucht.
Während des tosenden Schlussapplauses für die Solisten und den Dirigenten regnet es in Zürich auch rote Rosen. Tosca bleibt ein Dauerbrenner, denn Robert Carsen schuf eine Lesart, die offenkundig startauglich ist. Es ist nämlich allgemein bekannt, dass große Sänger nicht anreisen, wenn die Inszenierung nichts taugt.
Peter Wäch