O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Jens Großmann

Aktuelle Aufführungen

Mozart im Land der Schwebebahn

DIE ZAUBERFLÖTE
(Wolfgang Amadeus Mozart)

Besuch am
13. September 2020
(Premiere)

 

Opernhaus Wuppertal

Es ist eine der weit und breit ersten Opernproduktionen mit Chor, Orchester und Solisten nach der Corona-Zäsur. Was die Einschränkungen aufgrund der Hygienevorgaben angeht, zeigt die Wuppertaler Oper, dass mit einigem Geschick auch große Projekte möglich sind, auch wenn Mozarts Zauberflöte günstige Voraussetzungen mit sich bringt, die nicht auf jedes Stück übertragbar sind. Dass aber noch weit mehr möglich ist, zeigen unsere Nachbarn in Österreich und der Schweiz.

Die Handlung der Zauberflöte erleichtert die störungsfreie Einhaltung der Mindestabstände auf der Bühne, und für die problematischen Chorszenen hat man sich für eine Mischlösung entschieden. Ein Teil wurde per Band eingespielt, ein Teil live gesungen, wozu einige Choristen weit verstreut im ganzen Haus postiert werden.

Aufgrund der, wenn auch nur leicht eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten auf der Bühne kommt Videoprojektionen eine wachsende Bedeutung zu. Ein bereicherndes Medium, wenn es sinnvoll eingesetzt wird, das aber auch kontraproduktiv wirken kann, wenn es sich verselbstständigt und sinnentstellend in den Vordergrund drängt. Es scheint in Bayreuth wie in Wuppertal zur Mode zu gehören, die Figuren in vorproduzierten Clips durch das Opernhaus oder sogar durch die Stadt wandeln zu lassen. Worin der Sinn liegen kann, den Priestern des Sarastro beim morgendlichen Zähneputzen oder Papageno in der Kantine zuzusehen, das mag Regisseur Bernd Mottl für sich beantworten können. Ersichtlich wird er ebenso wenig wie der der Wandlung der drei Damen der Königin der Nacht in „drei Damen vom Grill“ mit der Königin als „Burger Queen“ an der Spitze. Und dass sich Tamino nicht von einer leibhaftigen Schlange, sondern von einer schlängelnden Schwebebahn bedroht sieht, ist ein Gag. Mehr nicht. Und Gags dieser Art können nicht die Konzeptlosigkeit der Inszenierung übertünchen. Die Rolle Sarastros und der Eingeweihten, teils albern parodistisch gestikulierend, auf der anderen Seite in priesterlicher Würde schreitend, bleibt ebenso unklar wie die der Königin der Nacht. Den ethischen Dimensionen des Disputs zwischen den Todfeinden weicht Mottl konsequent aus. Dass sich beide am Ende versöhnen, krönt Mottls banalisierende Deutung mit einem vollends naiven Happy End.

Die prachtvollen Dekorationen und Kostüme von Friedrich Eggert, die von der Mozart-Perücke bis zum altägyptischen Rauschebart und modernen Teenager-Outfit quer durch alle Epochen und Stile wirbeln, sind nett anzusehen, wirken aber ebenso willkürlich und orientierungslos wie die Regie. Bedenklich, dass offenbar nicht einmal das Libretto intensiv gelesen wurde, wenn unterschlagen wird, dass Monostatos‘ Bastonade durch den Gnadenakt Sarastros ausgesetzt wird. Dafür unterwirft man sich der political correctness und transformiert den „Mohren“ Monostatos zum weißen Sklaven und bringt gleich das Libretto auf Linie, wenn nicht mehr „ein Schwarzer so hässlich ist“, sondern ein „Sklave“. Da bietet die Opern- und Theaterlandschaft den verbalen Moralhütern dankbare Aufgaben, um nicht nur den Othello gesellschaftsfähig umzumodeln.

Gesungen wird in Wuppertal auf überwiegend erfreulich hohem Niveau. Herausragend der kultivierte Tenor von Sangmin Jeon als Tamino, der ausdrucksstarke Sopran von Ralitasa Ralinova und die koloraturgewandte Nina Koufochritou als Königin der Nacht. Etwas leichtgewichtig wirken der Monostatos von Mark Bowman-Hester und leider auch der Bass von Sebastian Campione als Sarastro.

George Petrou hört man seine Erfahrung als Barock-Kenner an, mit der er das Sinfonieorchester Wuppertal zu einem transparenten, leuchtkräftigen und schlanken Spiel motiviert.

Das Publikum reagiert auf die Erlösung von der Corona-Zäsur mit langanhaltendem Beifall.

Pedro Obiera