Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
TRISTAN UND ISOLDE
(Richard Wagner)
Besuch am
29. Oktober 2023
(Premiere am 22. Oktober 2023)
Es ist immer aufregend, eine Tristan-und-Isolde-Aufführung zu besuchen. Es ist keine leichte Oper zu inszenieren, noch weniger zu singen und doch ist es eines der großen Meisterwerke Richard Wagners. Die Oper bleibt eine unübertroffene Darstellung der romantischen Liebe und der menschlichen Psyche. Die Rollen von Tristan und Isolde sind berüchtigt anspruchsvoll und bieten Raum für ausdrucksstarke Interpretationen, die noch lange in der Erinnerung des Publikums nachhallen. In der Tat, eine gut umgesetzte Produktion der Oper lässt die Zuschauer nicht unberührt, da sie die Tiefe menschlicher Emotionen auslotet und eine Katharsis bietet, die in der Welt der Oper ihresgleichen sucht. Dieses Meisterwerk ist nicht nur ein Musikstück, sondern ein tiefgreifendes Erlebnis, das Fragen über die Natur der menschlichen Existenz und Erfahrung aufwirft.
In der Neuproduktion an der Oper Wuppertal werden solche Fragen nur partiell beantwortet. Eindeutig siegt die Musik über die Bühne. Martin Andersson, der für das Konzept und Regie Video verantwortlich zeichnet, setzt auf starke schwarzweiße Videohintergründe, die sich mit der Kraft der Bilder von Wellen und des Meeres beschäftigen. Die Wellen der Emotionen, die Wellen, die die Strände von Irland und Cornwall umspülen, die Wellen, die Leben und Tod bringen – das sind einige der Assoziationen, die dem Zuschauer geboten werden. Edison Vigil, der für die Regie zuständig ist, setzt die stark introvertierte Sprache der Charaktere in nur steife Rampenregie um. Eine interpersönliche, psychologische Deutung bleibt aus. Dabei bekommt er wenig Unterstützung vom Bühnenbild von Lukas Noll: einfache, dreikantige Segel im ersten Akt deuten das Brautschiff an, kantige Klippen in einer düsteren Hölle den dritten. Dafür liefert Andersson einen üppigen Tropenwald für die Liebesnacht im zweiten Akt, wo die Liebenden auf einer metallenen, mit Runen dekorierten Fläche kurz und sehr sittsam zueinander finden. Mit der Ankunft von König Marke verbrennen die Tropen bildgewaltig und hinterlassen eine Aschenwüste. Dorothee Joisten entwirft Kostüme, die dekorativ, aber wenig vorteilhaft sind.
Foto © Matthias Jung
Tenor Samuel Sakker gibt einen Tristan, der zwar ein treuer Vasall, aber emotional ziemlich unerfahren ist. Diese amour fou ist ihm fremd, er weiß nicht, wie er damit umgehen soll. Die Unsicherheit macht sich auch in seiner Stimme bemerkbar, obwohl der Grundtimbre durchaus Potenzial zu Größerem zeigt. Dagegen ist Kirstin Sharpin, seine Isolde, sich der Liebe und der daraus resultierenden Konsequenzen desto sicherer. Fragend und zweifelnd erzählt sie das, was bis jetzt geschah im ersten Akt. Strahlend erklärt sie ihre Liebe zu Tristan im zweiten Akt, niemals an den Umständen zweifelnd. Lyrisch und feinfühlend ihre milde und leise Darbietung im letzten Akt. Mezzosopran Jennifer Feinstein ist eine bodenständige Brangäne. Bassbariton Erik Rousi fehlt es noch an Würde und Strahlkraft, sein König Marke ist eher bemitleidenswert. Der Kurwenal von Bariton Martijn Sanders kommt erst im dritten Akt richtig zur Geltung. Tenor Jason Lee ist ein glaubwürdiger Melot. Aufhorchen lässt das schöne Timbre von Tenor Andreas Heichlinger als Steuermann.
Somit konzentriert sich die Aufmerksamkeit, wie es auch sein soll, auf die Musik. Patrick Hahn, der noch unterdreißigjährige Generalmusikdirektor, feiert mit der Produktion seinen ersten Tristan. Mit sicherer Hand leitet er das Sinfonieorchester Wuppertal, und es ist es vor allem das Orchester, aus dem die Leidenschaft hervorquillt. Hahn treibt es mit einer derartigen Ausgelassenheit an, dass man beinahe um das Gelingen des Stücks fürchtet. Dennoch gelingt es ihm stets, sein anfangs zurückhaltendes und später betontes Dirigat zu bewahren, das nur gelegentlich zu stark ins Fortissimo abdriftet und somit den Sängern das Leben unnötig erschwert. Fein folgt ihm auch der Männerchor im ersten Akt, einstudiert von Ulrich Zippelius.
Insgesamt eine musikalisch starke Produktion, die bestätigt, dass die Oper Wuppertal einen festen Platz in der deutschen Opernlandschaft einnimmt.
Zenaida des Aubris