Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
DUOABEND
(Diverse Komponisten)
Besuch am
24. Mai 2023
(Einmalige Aufführung)
Wie im Programmheft abgedruckt, war Franz Schubert ein Fan vom vierhändigen Klavierspiel. Als Freund von Hausmusik mochte er diese Art des Musizierens. Also legte er sich als Komponist mächtig ins Zeug und schrieb viel für diese Besetzung. Eine musikalische Partnerin war Caroline Esterházy de Galántha – kurz: Comtesse Caroline. Sie war nicht nur seine Schülerin, sondern soll auch seine Freundin und Muse gewesen sein. Man spricht auch davon, dass sie seine zweite große unerfüllte Liebe gewesen sei. Zumindest ist von seinem Freund Eduard von Bauernfeld verbrieft: „Schubert scheint ernsthaft in die Comtesse E. verliebt. Mir gefällt das von ihm.“ Sicher ist jedenfalls, dass beide zusammen Werke für Klavier zu vier Händen gespielt haben. Seine Fantasie in f-Moll, D 940 war aber nicht darunter. Sie führte er im Mai 1828 mit Franz Lachner zum ersten Mal auf. Erst nach Schuberts Tod wurde das Werk im März 1829 veröffentlicht. Fast 200 Jahre später sitzen nun Jan Lisiecki und Julia Fischer nebeneinander am Konzertflügel im sehr gut besuchten Großen Saal der Historischen Stadthalle Wuppertal. Die beiden Musiker sind jedoch nicht Lehrer und Schülerin, sondern zwei gleichwertige Pianisten, die das Schlüsselwerk aus dem Todesjahr des Komponisten im Rahmen des Klavier-Festivals Ruhr präsentieren. Denn es sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben, dass Fischer neben der genialen Beherrschung der Geige auch fantastisch Klavier spielen kann.
Das umfangreiche, ohne Unterbrechung aufzuführende, viersätzige Opus hat mit seinen unterhaltsamen Vorgängern herzlich wenig zu tun. Von Anfang an ist es von großer Trauer und tiefem Schmerz durchzogen. Wie ein Motto erscheint das punktierte Eingangsthema gleich eines einsamen, wehmütigen Lieds im weiteren Verlauf des Stücks immer wieder. Tragisch, unerbittlich ist das ihm innewohnende Schicksal. Den tiefen Gehalt, der einer Endzeitstimmung nahekommt, bringen Fischer und Lisiecki unverblümt, tief ausgelotet zum Ausdruck. Dank einer sensiblen, variablen Anschlagskultur und einem sehr homogenen Zusammenspiel spannen sie dabei große musikalische, spannende Bögen über die Abschnitte.
Foto © Christian Palm
Des Weiteren kann an diesem Abend leicht nachvollzogen werden, wie sich Anfang des 19. Jahrhunderts die Gattung Violinsonate im Zeitraum von rund einem halben Jahrhundert verändert hat. Ludwig van Beethoven schuf sein Duo in Es-Dur, opus 12/3 anno 1798. Sechs Jahre zuvor übersiedelte Beethoven von Bonn nach Wien, orientierte sich musikalisch neu und arbeitete eifrig daran, dort Fuß zu fassen. Das Frühwerk ist noch stark von früherer Duo-Literatur – explizit die von Wolfgang Amadeus Mozart – beeinflusst, in der das Klavier einen größeren Stellenwert als die Violine einnimmt. Beethoven beginnt hier, die unterschiedlichen Gewichtungen zu ändern, indem er beide Instrumente gleichwertig behandelt. Das Neue löste bei etlichen seiner Zeitgenossen Befremden aus. Kraftvolle Heiterkeit liegt dem Werk zugrunde, das noch streng in klassischer Sonatenhauptsatzform am Anfang, einem langsamen Binnensatz und einem Rondo-Finale gehalten ist. In einen munteren Dialog treten Lisiecki und Fischer im Eingangssatz ein und entfachen dabei ein lebhaft-virtuoses Feuer. Innig, kantabel gestalten sie das Adagio. Fest zupackend und mit viel Verve bringt das exzellente Duo das abschließende Allegro molto äußerst packend von der Bühne.
1851 vollendete Robert Schumann seine zweite Sonate für Violine und Klavier in d-Moll, opus 121. Sie ist mit ihren vier Sätzen und einer Spieldauer von rund 30 Minuten wesentlich umfangreicher dimensioniert. Und wenn der Komponist sie auf den langjährigen Konzertmeister des Leipziger Gewandhausorchesters Ferdinand David maßschneiderte und ihm widmete, wird daran deutlich, dass nun das Saiteninstrument ganz im Vordergrund steht und dem Instrumentalisten gerade im Finale hohe Virtuosität abverlangt. Außerdem sind die einzelnen Abschnitte thematisch eng verzahnt. Das Werk strotzt vor Kraft und endet strahlend in D-Dur. Auch bei dieser Aufführung harmonieren die beiden Musiker kongenial und bilden ein in allen Belangen harmonisches Duo. Lupenrein zeichnet es den Notentext nach. Beginnend mit dem drängenden Hauptthema des ersten Satzes, über den Schumannschen Scherzo-Satz und den ergreifend-innigen dritten Teil bis hin zur letzten Note des prachtvollen Finales wird wohl ganz im Sinn des Komponisten großartig konzertiert mit allem, was an romantisch-melodischer Emotionalität dazugehört.
Zwei Musiker sind zu erleben, die sich musikalisch blind zu verstehen scheinen und so als Klavierduo respektive Violin-Klavier-Duo die drei Werke ungemein nuanciert, tief ausgelotet spannungsgeladen darbieten. Dementsprechend mündet dieser erstklassige Kammermusikabend in nicht enden wollende stehende Ovationen. Dafür bedankt sich das Duo mit dem brillant vorgetragenen Scherzo in c-Moll für Violine und Klavier von Johannes Brahms aus der F.A.E.-Sonate. Diese Violinsonate ist ein Gemeinschaftswerk der Komponisten Albert Dietrich und Brahms mit je einem Satz sowie Robert Schumann mit zwei Sätzen. Sie entstand 1853 für den Geiger Joseph Joachim. F.A.E. ist die Abkürzung für „Frei aber einsam“, die Devise Joachims zu jener Zeit.
Hartmut Sassenhausen