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MOZARTFESTKONZERT MIT FRANCO FAGIOLI UND KAMMERORCHESTER BASEL
(Joseph Martin Kraus, Wolfgang Amadé Mozart)
Besuch am
1. Juli 2023
(Einmalige Aufführung)
Das Zeitalter der Kastraten ist vorbei – es lebe die Kunst der Countertenöre! Während zu Mozarts Zeiten kastrierte männliche Sänger mit ihren hohen Stimmen vor allem im italienisch beeinflussten Musiktheater gefragt und bewundert waren, und Mozart selbst für Virtuosen wie Venanzio Rauzzini, Tommaso Consoli und Domenico Bedini Bravourarien komponierte, muss sich heute das Würzburger Mozartfest mit außergewöhnlichen hohen Tenören behelfen – aber: mit was für einem Superkönner.
Im Kaisersaal ruft der italienische Countertenor Franco Fagioli ungeheuren Jubel hervor, weltweit gelobt wegen seiner schönen Stimme, die drei Oktaven umfasst. Nicht wie manchmal bei Vertretern seines Fachs, deren Höhen scharf und schrill klingen und wo die Tiefe verschwindet: Bei ihm ist alles rund, die Höhen ohne jeden Druck glänzen schimmernd, Mitte und Tiefe sind bestens vernehmlich. Für das begeisterte Publikum ist das Programm ganz nach seinem Geschmack: Zwischen schönen Musikbeispielen von Joseph Martin Kraus, dem Mozart-Zeitgenossen und schwedischen Hofkapellmeister, von Haydn als „vortrefflich“ gerühmt, sind im ersten Teil schmeichelnde Mozart-Arien zu vernehmen. Das Kammerorchester Basel, im Stehen spielend unter dem exzellenten Konzertmeister Daniel Bard, der im Andante aus der Sinfonie C-Dur VB 138 von Kraus mit seiner hell singenden Violine auch solo imponiert, zeigt das hervorragende Ensemble bestens aufeinander abgestimmtes Musizieren mit fein differenzierenden Streichern, großartigen Bläsern, darunter eine faszinierenden Oboe. Die etwas düstere, traurige Ouvertüre zum Schauspiel Olympie in d-Moll VB 33 und die Ouvertüre zur Oper Proserpina VB 19 mit sanft bewegtem Beginn steigert sich schnell dramatisch. Eine ganz andere Aussage vermitteln die Mozart-Kompositionen, meist kantabel und melodisch eingängig. Nur die frühe g-Moll-Sinfonie Nr. 25 KV 183 lässt noch Sturm und Drang in den meisten Sätzen ahnen, angefangen vom schroffen, vorwärts drängenden Allegro non brio, einem traurigen Andante über ein fast abweisendes Menuett bis zu einem tragisch wirkenden Finalsatz. Immer aber lassen dabei neben schweren Akzenten die lichten Streicher und die innere Spannung aufhorchen.
Foto © Julian Laidig
Ein Ereignis aber ist der Auftritt von Fagioli. Er beginnt mit der Arie des Ramiro aus La finta giardiniera KV 196; da überschlägt sich die Stimme fast, die Verzierungen kommen wie in einem Fluss. Bei der Arie des Cecilio aus Lucio Silla KV 135 steigert sich die Stimme von der dunkler klingenden Tiefe zur klaren, schwebenden Höhe; wird dabei wie ein eigenes Instrument gehandhabt, dazu bewegt sich der Sänger und unterstreicht körperlich die Aussage, legt sich quasi in den Klang hinein, hält den Ton unglaublich lang aus, steigert ihn, gestaltet delikat, weich, alles wie vollendete Poesie, und das innere Erzittern spürt man fast. Noch eindrucksvoller gelingt die Arie Parto, parto des Sesto aus La clemenza di Tito KV 621, zuerst wunderbar träumerisch, dann schwelgt er im Klang, ganz in Harmonie mit der Bassklarinette, und mit immer schnelleren, leichten, lockeren Verzierungslinien, glänzend und in faszinierender Virtuosität, feiert er ein Fest seiner Stimme. Damit nicht genug: Auch das Rondo Deh, per questo istante solo des Sesto schwelgt in feinen Gefühlen, stets wohlklingend, mit in sich gesteigerten Linien und einem nachdrücklichen Schluss. Ganz ins Herz der Zuhörerschaft singt sich Facioli dann mit der berühmten Marien-Motette Exsultate, jubilate KV 165; hier glänzt die Stimme in der Mitte, strahlt die Höhe, die Verzierungen sind locker aneinandergebunden wie an einer Silberkette. Das Orchester mit dem dahinschäumenden Streicherglanz und seinen guten Bläsern ist ein Gedicht. Andächtig formuliert Fagioli das Tu virginum corona wie ein Gebet für den Frieden, die Höhen schimmern immer stärker, lichter, strahlender, delikat, und das Alleluja ist ganz freudiger Jubel mit brillanter Virtuosität.
Das Publikum feiert den Sänger und das Orchester eine Viertelstunde lang mit stehendem Applaus und Bravo-Rufen, und der Sänger ist überwältigt und dankt mit zwei Zugaben, so aus dem Figaro mit Voi che sapete.
Renate Freyeisen