O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Dita Vollmond

Aktuelle Aufführungen

Melancholische Träumereien

LIEDERABEND MIT HARFE
(Diverse Komponisten)

Besuch am
10. Juni 2023
(Einmalige Aufführung)

 

Kaisersaal der Residenz zu Würzburg

In melancholisch gefärbter Schönheit schwelgen können die Gäste des Würzburger Mozartfests beim Liederabend mit der wunderbaren Sopranistin Christiane Karg und der phänomenalen Harfenistin Anneleen Lenaerts im Kaisersaal der Residenz. Irgendwie fasziniert das Konzert in der ungewöhnlichen Besetzung durch die Verklärung der vergänglichen Schönheit der Natur, der Liebe, der Kunst, und der prächtige Rahmen bietet dazu den passenden Rahmen für empfindsame Gemüter und erhebenden musikalischen Genuss.

Die flirrenden, schwebenden Klänge der Harfe und die glanzvoll schimmernde, farbenreich oszillierende Stimme der Sängerin vereinen sich hier zu einer Art Seelen-Gemälde und zu fast magischem Atmosphären-Zauber. Das Motto des Abends Wir sind durch Not und Freude gegangen Hand in Hand manifestiert sich im ersten Teil bei Liedern von Claude Debussy in Wehmut über verflossenes Glück angesichts der Schönheit der Natur, vor allem der Nacht, und vom Eintauchen in Träume und vergebliche Sehnsucht nach Beständigkeit von Emotionen, umweht von Bildern des Verlusts des geliebten Partners in romantisch angehauchter Außenwelt bei Ottorino Respighi. Dagegen wirken die von leichter Melancholie durchwehten Lieder von Richard Strauss zarter, tröstlicher, und vor allem die vier letzten Lieder von ihm zeigen im Rückblick auf das Wandern durch die Welt und das Leben innere Ruhe, Abgeklärtheit mit der Vergänglichkeit des Daseins.

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Zwischen den Liedblöcken darf die Harfe in zwei Fantasien von Mozart ihre sphärischen Klänge verströmen, voluminös, erfüllt von Leidenschaft, mit nachdenklicher, introvertierter Ausstrahlung, kostbar in den Verzierungen und freundlichen Regungen die c-Moll-Fantasie KV 396, mit kontrastierenden Momenten in schmerzvoller Klage, aber dann versöhnlich endend in der d-Moll-Fantasie KV 397. Faszinierend, wie Lenaerts diese inneren Kämpfe in der Eigenbearbeitung der eigentlich improvisierend geprägten Klavier-Stücke eindringlich gestaltet. Für die Singstimme ist die Harfe aber weit mehr als nur Begleitung, denn sie kann die speziellen Farben der elegisch-träumerischen, melancholisch-schwärmerischen, subtil wechselnden Stimmungsbilder gerade bei Debussy noch steigern. Christiane Karg zaubert mit ihrem klaren, flexiblen Sopran Seelenbilder von einer gewissen morbiden Schönheit, die immer auch den Schmerz und sanfte Trauer spüren lässt, wie bei Claire de lune, und bei Le jet d’eau schimmerndes Perlen, ganz hingegeben der Wehmut über die dunklen Seiten der Liebe. Freundlicher dann die Sternennacht und Beau soir; aber diese Naturempfindungen machen nicht nur glücklich, lassen an die Bedrohung durch Tod denken, und Colloque sentimental ist eine innere Zwiesprache mit wehmütigen Zügen über die Skepsis hinsichtlich der Liebeserfüllung. Die Sopranistin bringt dafür eine breite Palette von Ausdrucks-Färbungen mit durch die Möglichkeiten ihrer reichbemittelten, nie angestrengten, weich und äußerst variabel gestaltenden Stimme, unterstreicht damit überzeugend die Aussage und artikuliert alles sehr deutlich. Bei Respighis Lied-Vertonungen wird der eher neckisch betonte Anfang abgelöst durch träumerisches Schwärmen über den Zauber der Nacht bei der indischen Serenade, in der die Sängerin ihre Stimme einsetzt wie ein Instrument, sie weitet für sehnsüchtige Emotionen; dann aber klagt sie wie in einem Dialog mit dem Geliebten in Piccola mano bianca bewegt über ihr Schicksal; dabei kann man bei der Harfe sogar das Schlagen des Herzens hören. Während in Storia breve die Stimme erst strahlt, schwindet diese schöne Erinnerung bald. Auch Auf ein totes Veilchen schwelgt in schwermütig träumerischer Melancholie, und mit Nebbie endet trotz der Trauer über das Verlassenwerden dieser Liedkomplex irgendwie hoffnungsvoll.

Foto © Dita Vollmond

Mit den Liedern von Richard Strauss aber hebt dann ein von eher positiven Gefühlen geprägter Teil an. Die bekannte Zueignung verströmt viel Empfindung und Höhenglanz, ist mit vielen delikaten Nuancen gestaltet. Bei Heimliche Aufforderung dürfen Stimme wie Harfe schimmern und glänzen. Die Harfe beginnt Allerseelen tröstlich, und Blühen versieht die Stimme mit feinen Steigerungen. Einzelne Worte werden von der Sängerin dabei in sich ständig variiert. In Befreit äußert sich der innige Wunsch, auf ein glückliches Leben zurückschauen zu können, in sehnsuchtsvollem Ausdruck. Ganz besonders schön gelingen die Vier letzten Lieder, so der Frühling mit hell schimmernden Höhen, ganz poetisch mit facettenreichen Linien und dem Eintauchen in die Naturstimmungen September, mit glänzenden Steigerungen nach schlichtem Beginn bis zu einem strahlend zuversichtlichen Ende Beim Schlafengehen, dem Im Abendrot ein himmlisch friedlicher, aber auch nachdenklicher Schluss mit subtilem Ausdruck folgt.

Der große Beifall und die vielen Bravo-Rufe zeigen die Begeisterung und erfordern zur Abrundung dieses träumerisch schönen Abends noch eine herrliche Zugabe, nämlich eine ganz sanfte Abendempfindung KV 523 – natürlich von Mozart.

Renate Freyeisen