O-Ton

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Ganz dem Lied gewidmet

IRDISCHES GLÜCK
(Diverse Komponisten)

Besuch am
10. Februar 2024
(Einmalige Aufführung)

 

Festival Lied Würzburg im Bukardushaus, Würzburg

Mit zwei Künstlern, die über intensive Bühnenerfahrung verfügen und das Publikum an einem Fädchen führen, beginnt mit einem Vorkonzert das Festival Lied Würzburg im Burkardushaus. Silke Evers vom Mainfrankentheater Würzburg und Peter Schöne vom Saarländischen Staatstheater packen bei vollem Haus ihr Publikum im Nu und liefern einen abwechslungsreichen Liederabend mit selten gehörten Stücken.

Es ist schon eine schöne Tradition des Festivals, sein Publikum zu einem Vorkonzert bei freiem Eintritt einzuladen. Im Jahre 2020 durch Intendant Alexander Fleischer gegründet, findet es mit Steffen Zeller vom Tonkünstlerverband als Veranstalter in und um Würzburg statt. Von Anfang an ist die Stadt Würzburg als Förderer dabei, andere Institutionen schließen sich an und ermöglichen Stabilität in der Planung. 2022 gründet sich dazu ein Förderverein unter dem Vorsitz von Sopranistin Mirella Hagen, mit dem Ziel, neue Förderer und Sponsoren zu finden. 30 Liederabende auf sehr hohem Niveau waren es bisher, Künstler mit berühmten Namen geben sich die Klinke in die Hand und singen im Toscanasaal der Residenz, im Burkardushaus, Museum Kulturspeicher, der Kulturscheune Höchberg, der Ars Musica Aub und, bei einem Chorkonzert zum Erinnerungstag der Zerstörung Würzburgs am 16. März 1945, in der Mutterhauskirche der Schwestern des Erlösers Würzburg. Illustre Namen kann man hier erleben, manche sind dem Festival oder seinem künstlerischen Leiter schon in Freundschaft verbunden: Christiane Karg, Gerold Huber, Nikola Hillebrand, Christoph Prégardien, Dorothea Röschmann, Markus Schäfer, Jochen Kupfer, Ingeborg Danz, Siobhan Stagg, Anne Schwanewilms und Thomas Quasthoff als Sprecher, um nur einige zu nennen. Das garantiert eine Qualität, die man sonst nur in ausgewählten, hochdotierten Konzertreihen findet. Hier in Würzburg ist man zu erschwinglichen Preisen sehr nah am Geschehen. Nach dem Vorkonzert ist man noch eingeladen auf ein Gläschen Frankensecco, um in beschwingter Runde mit den Künstlern anzustoßen.

Seit 2021 gibt es Meisterkurse, zu denen Studenten von weither kommen. Karg, Röschmann, Quasthoff und nun Schwanewilms geben ihr Wissen neben einem eigenen Auftritt weiter. Die Ergebnisse kann man in einem Lunchkonzert der Teilnehmer hören. Viele Liederabende begleitet Pianist und künstlerischer Leiter Fleischer, aber auch andere Lied-Duos treten auf.

Ab dem 6. März hat Fleischer wieder einen bunten Blumenstrauß von Liedprogrammen vorgesehen. Und das zeichnet das Festival aus: Lieder werden nicht einfach nur aneinandergereiht, sondern folgen einer inneren Dramaturgie, werden von den Künstlern selbst kuratiert. Ullmanns Welt, Dennoch, Sefarad, Schwarze Erde, Rencontre – Begegnung ergänzen Übliches wie Dichterliebe, Schöne Müllerin und Italienisches Liederbuch. Dabei erklingen neben Schubert, Brahms, Schumann, Strauss und Wolf auch Lieder von weniger oft gespielten Lied-Komponisten: Stanford, Bartók, Berg, Hahn, Ravel, Vaughan-Williams und Rodrigo. Fleischer war lange Zeit Assistent von Quasthoff in Berlin, zudem Dozent für Liedgestaltung an der Hochschule für Musik in Würzburg. Seit Oktober 2022 unterrichtet er als Professor für Liedgestaltung an der Staatlichen Musikhochschule Trossingen in Baden-Württemberg, wo er auch das Hirschberger Liedfest aus der Taufe gehoben hat.

Nach Würzburg kommen in diesem Jahr die Sänger Konstantin Krimmel, Julia Kleiter, Manuel Walser, Lou Denès, Sharon Carty, Benjamin Russell, Iida Antola, Corinna Scheurle, Tae Hwan Yun und Martin Mitterrutzner, neben Hillebrand und Schwanewilms. Dreizehn Konzerte laden zwischen dem 6. und 17. März ein, ein Dauerticket kostet 120 Euro, ein einzelnes Konzert 25 Euro mit möglichen Ermäßigungen.

Fast 200 Zuhörer finden schon zum ersten Konzert der Reihe den Weg ins Burkardushaus in Würzburg, wo Sopranistin Evers und Bariton Schöne mit Fleischer am Klavier zunächst Lieder von Franz Schubert, Rudi Stephan, Hugo Wolf, Arnold Schönberg, Claire Waldoff und Otto Reutter zu Gehör bringen. Irdisches Glück ist der Abend überschrieben und bietet den beiden Vollblut-Darstellern genügend Möglichkeit, intensive Gefühle, aber auch humoristische Einlagen glaubhaft zu vermitteln.

Schöne hat selten aufgeführte Schubertlieder an den Anfang des Programms gestellt. Das namengebende Irdisches Glück steht zu Beginn. Mit seiner angenehmen, sehr geschmeidigen, aber auch durchaus kräftig-knackigen Baritonstimme gestaltet er differenziert, gibt sich freudig in die Gefühlswelten hinein und singt mit guter Textverständlichkeit. Manchmal schleift er die Töne an, was die Genauigkeit etwas mindert, das müsste nicht sein. Aber das Publikum hat er mit komödiantischem Talent fest im Griff, bis hin zu Das gestörte Glück, und natürlich darf der Sänger bei den Zeilen Drum, wer es hört, erbarme sich, Und sei so gut und küsse mich nicht ungeküsst bleiben, beim dritten Versuch klappt es, er kann Evers auf der Bühne den Platz frei machen.

Bei den beiden Liedern Pappel im Strahl und Pantherlied von Stephan greift Evers zurück auf ein schmales Oeuvre des 1915 verstorbenen Stephan, das zum Teil eruptive, expressionistische Klänge bietet. Evers’ lyrischer, volltönender und sinnlicher Sopran passt gut dazu. Obertonreich und schön auf dem Atem flutend, strömt die Stimme, gepaart mit immer gut dosiertem Ausdruck, Charme und Spitzbübigkeit. Die Brettl-Lieder Schönbergs, Kabarettmusik mit erotischen Themen, liegen ihr besonders gut. Vom satten Piano bis zum gehaltvollen Forte gibt sie sich hinein in die Ironie und die Farbigkeit der Lieder. Fleischer ist ihr gerade hier ein immer zuverlässiger Begleiter, der jede Regung wachsam verfolgt und unterstützt, dazu teils kleine eigene Geschichten in der Begleitung am Klavier erzählt.

Bei Wolfs Liedern nach Gedichten von Eduard Mörike wechseln sich die beiden ab und kreieren so eine kleine Dramaturgie auf der Bühne. Bei Waldoffs Wer schmeißt denn da mit Lehm bringt Schöne den ganzen Saal zum Singen des Refrains, und bei seinem „Rollendebüt“ als alternder Mann – mit fast schon 50, wie er sagt – in Reutters Nehm‘n Sie ‘n Alten liegt ihm der Saal zu Füßen.

Die Künstler wollen den Abend im Hinblick auf das Weltgeschehen nicht so beenden, und deshalb gibt es als Zugabe das Anti-Kriegslied Göttingen von Barbara. Evers singt, Schöne greift zur Geige, und so entsteht ganz am Ende eine kleine Preziose, die das Publikum lange nachdenklich sitzen lässt, bis der endgültige, begeisterte Schlussapplaus einfällt.

Mehr Gänsehautmomente gibt es ab Anfang März für eine Woche in Würzburg – es lohnt sich in jedem Falle, dabei zu sein, nähere Informationen und die Möglichkeit, Tickets zu erwerben, gibt es auf der Website der Veranstalter.

Jutta Schwegler