O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Residenz Würzburg - Foto © Rainer Lippert

Aktuelle Aufführungen

Faszination Lied

FESTIVAL LIED WÜRZBURG
(Diverse Komponisten)

Besuch am
3. und 8.Oktober 2021
(Einmalige Aufführungen)

 

Burkardushaus und Toskanasaal, Residenz Würzburg

Ein Festival für das Kunstlied neu zu etablieren, ist ein Wagnis. Aber wenn wie in Würzburg und Umgebung ein Programm, wie nun vom 3. bis 17. Oktober, lockt, zumal auch mit einem Meisterkurs, weckt dies Interesse, und der künstlerische Leiter Alexander Fleischer verspricht Hochkarätiges.

Liederabende sind nicht unbedingt Publikumsrenner, sprechen eine spezielle Hörerschaft an. Doch die Eröffnung der zweiten Ausgabe von „Festival Lied in Würzburg“ nach der Corona-Durststrecke lässt auf großes Interesse hoffen. Der Kardinal-Döpfner-Saal des Burkardushauses ist trotz pandemiebedingter Beschränkung voll besetzt. Auch wenn der für den Schubert-Abend angekündigte Schweizer Bariton Manuel Walser absagen musste, änderte das nichts am Besuch, nur am vorgesehenen Programm. Denn Jochen Kupfer, renommiertes Ensemblemitglied am Staatstheater Nürnberg und hoch geschätzter Kammersänger, präsentiert eine stimmige Folge von Schubert-Liedern, die für ihn selbst ein Debüt bedeuten. Unterstützt vom künstlerischen Leiter des Lied-Festivals, dem Pianisten Alexander Fleischer, Dozent für Liedgestaltung an der Hochschule für Musik Würzburg, gelingt ein eindrucksvoller Abend, der nicht auf das liebenswert biedermeierliche „Gefällige“ setzt, wohl aber viele Seiten von Liebes-Sehnsucht und -Schmerz sowie auch schauerliches inneres Erleben in den Mittelpunkt rückt. Kupfer beginnt mit der wohl letzten Liedschöpfung Schuberts, der Taubenpost nach einem Gedicht von Johann Gabriel Seidl. Hierin zeigt sich der thematische Bogen des ganzen Abends, die Sehnsucht nach dem von allen Leiden erlösenden Tod. Das Lied zeigt keine Idylle, sondern Einsamkeit und die Gedanken an die ferne Geliebte. Schubert hatte ja bekanntlich kein Glück in der Liebe. Unter der fast fröhlich sprudelnden Klavierbegleitung von Fleischer lassen sich im Text schon die kommenden schmerzlichen Emotionen ahnen. Kupfers gut tragender, angenehm viriler, kräftiger Bassbariton betont die Aussagen des Gedichts; hervorragend die absolute Textverständlichkeit und die unangestrengte, stets sichere, in Höhe wie Tiefe wohlklingende Stimme, manchmal fast zu stark für die steinerne Akustik des Saals.

Jochen Kupfer – Foto © Ludwig Olah

Auch die drei anschließenden Goethe-Vertonungen bereiten schon vor auf den Schwanengesang D 927, in Schuberts letztem Lebensjahr komponiert. Am Klavier einfühlsam, auch besinnlich schmerzerfüllt und fein differenziert begleitet, schildert der Sänger Wehmut und, bei Wanderers Nachtlied, die Sehnsucht nach süßem Frieden, verstärkt noch bei Nachtstück nach Johann Mayrhofer, das sich nach einem andächtigen Anruf an die heilige Nacht kostbar in dieser Todes-Sehnsucht äußert. Im Schwanengesang, untermalt am Klavier durch munteres „Plätschern“ des Bächleins, dem Sinnbild für das Leben, beginnt Kupfer die Liebesbotschaft mit jugendlich freudigem Impetus, aber bei Kriegers Ahnung kommt trotz heldischem Anstrich Banges auf, unterstrichen durch das düstere Stocken des Klaviers, und der Wunsch Gute Nacht! ist mehrdeutig zu verstehen. Auch die Fragen bei Frühlingssehnsucht werden von Kupfer drängend gestaltet, und das beliebte Ständchen darf wenigstens noch sanft dahinfließenden Melos und beglückenden Schmelz verströmen. Mit den folgenden Liedern aber kommen kontrastierende Stimmungen auf, heftig bewegte, energisch nachdrückliche, schicksalhafte Wendungen, und der Abschied bringt ein aufmunterndes Ade! von allem, was den Liebenden vorher beglückte. Auch die Heine-Vertonungen verstärken die düsteren Gedanken noch. Mit schweren, lastenden Akzenten beginnt das Klavier, und auch die Träume beim Bild der Geliebten sind dunkel, singen vom Verlust. Auch wenn Das Fischermädchen kurz Zuversicht verströmt, Die Stadt, begleitet von irritierenden Klavierläufen, verheißt Tragisches, und Am Meer kann der Sänger nur seiner schwärmerischen Sehnsucht nachtrauern. In Der Doppelgänger verstärkt sich das innere Grauen, tieftraurig gefärbt vom Sänger und nachdenklich schließend mit der ungelösten Frage nach Frieden im Tod. Doch mit einem solch deprimierenden Ende wollen sich die beiden Künstler nach dem langen, begeisterten Beifall des Publikums nicht verabschieden, und so ist die Zugabe Im Abendrot ein versöhnlicher Ausklang.

Christiane Karg – Foto © Gisela Schenker

Ein reines Mahler-Programm – das bedeutet höchsten Anspruch für Sängerin wie Pianisten an technisches Vermögen und gestalterische Vielfalt. Die weltweit bekannte Sopranistin Christiane Karg und ihr ebenso renommierter Liedbegleiter Gerold Huber am Klavier machen daraus im Toskanasaal der Würzburger Residenz einen unvergleichlichen Abend von verführerischer Stimmkunst und mitreißender sowie feinst sensibler, instrumentaler Illustration. Die Abfolge der Lieder in drei Blöcken beginnt mit dem positiv gestimmten Frühlingsmorgen und dem ständig neu variierten Ruf Steh auf! Steh auf!, einer frühen Komposition Gustav Mahlers, gefolgt von Erinnerung von 1889. Beide bedeuten einen verheißungsvollen Auftakt für einen von Ausdruck und Gestaltung her unglaublich lebendigen, fesselnden, abwechslungsreichen Liederabend. Die Sängerin, eben erst Mutter einer Tochter geworden, scheint in ihrer stimmlichen Bandbreite und in ihren Interpretationsmöglichkeiten gelöst und frei, und ihr kongenialer „Begleiter“ – eigentlich eine Untertreibung! – unterstützt sie mit dem Reichtum seiner pianistischen Anschlagskunst. Nichts wird hier übersteigert, alles entwickelt sich aus sich selbst und aus dem Text der vertonten Gedichte. Inhaltlich ist dieser Mahler-Abend eine Huldigung an die Schönheit der Natur und ihre Wirkung auf den Menschen, eine Besinnung auf den Wert und die Bedeutung der Kunst und eine Absage an die vergeblichen Bestrebungen des Menschen, mit der äußeren Welt in Einklang zu kommen; nur Himmlisches Leben, so der Titel des Abends, kann Ruhe und inneren Frieden verleihen. Die eher hell timbrierte, vor Energie sprühende Stimme der Sängerin begeistert mit schimmernden Höhen und lustvoll schillernder Verführung, etwa im Rheinlegendchen, und Karg spielt auch neckisch mit den Textaussagen durch Bewegung der Hände und lebendige Mimik, unterstreicht das fröhlich ausgelassen Tanzende damit bei Hans und Grete. Auch die Naturstimmungen etwa in Ich ging mit Lust durch einen grünen Wald gewinnen bei ihr kostbar leuchtende Delikatesse oder schwelgerisches Glänzen der Mondnacht, bevor dann in Verlorne Müh auch dramatisch Aufgewühltes, Wehmütiges im fiktiven Dialog aufscheint.

Die fünf Lieder nach Texten von Friedrich Rückert sprechen zuerst von schönen Liebesempfindungen, aber, eingeleitet vom irgendwie geheimnisvollen Klavier-Beginn, steigert sich in langen Gesangslinien der innere Kampf um Ergebenheit ins Schicksal zu einem klaren, reinen Bekenntnis der Schönheit und der Liebe und einer Absage an das Weltengetümmel, zur Hinwendung an das innere Lied, alles sehr fein ausklingend. Bewegter, schon von den betont illustrierenden Klavier-Akzenten her wirken die vier Lieder nach Des Knaben Wunderhorn, mit feinstem Wohlklang, glänzenden Höhen und wunderbar gebundenen Linien der Stimme bei Wo die schönen Trompeten blasen , tänzerisch übermütig kommt dann Des Antonius von Padua Fischpredigt daher und darauf der fast expressiv gestaltete Dialog von Tochter und Mutter um Irdisches Leben mit der Voraussage des Todes, aber aufgehoben durch den verheißungsvollen Ausblick auf Himmlisches Leben, untermalt vom idyllischen Klavier und der ganz sanft verklingenden, inneren Freude der schönen Stimme. Nach diesem besinnlichen Ende Riesenbeifall und viele Bravo-Rufe im voll besetzten Saal und fürs Publikum als Dank dann noch zwei leuchtende Zugaben mit einem glänzenden Abschieds-Ade!

Renate Freyeisen