Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
DON QUICHOTTERIEN
(Manuel de Falla, Joseph Bodin de Boismortier)
Besuch am
30. Juni 2023
(Premiere)
Don Quijote de la Mancha ist in Miguel de Cervantes Roman unsterblich geworden als der Ritter von der traurigen Gestalt, der, durch übermäßige Lektüre von Ritter-Romanen verführt, den Blick für die Realität verliert, gegen Windmühlen kämpft, in der eingebildeten Liebe zu Dulcinea seltsame Abenteuer besteht, begleitet von seinem Diener Sancho Pansa, der Essen mehr liebt als Damen. Diese beiden schrägen Vögel ziehen also durchs Land, und Don Quijote glaubt als Zuschauer eines skurrilen Puppenspiels, die fiktive Handlung sei echt; also greift er ein, um eine angeblich von einem Maurenkönig entführte Prinzessin zu befreien. Er siegt scheinbar, nur um sich ins nächste Abenteuer zu stürzen, zu dem ihn die Gräfin Altisidore zur Belustigung ihrer Festgesellschaft einlädt. Da kommt es zu peinlich-komischen Verwechslungen, und die Handlung mit mehreren seltsamen, aber unglaublichen Verwandlungs-Szenen führt dazu, dass alle über Don Quijotes Schrullen lachen, ihn aber nicht verachten.
Das ist der Ausgangspunkt von zwei musikalischen Kurzopern, von Manuel de Fallas El retablo de maese Pedro von 1923 mit deutlich klassizistischen Zügen und von Joseph Bodin de Boismortiers Don Quichotte chez la duchesse, einem Gelegenheitswerk zum Amüsement der höfischen Gesellschaft – und über sie – aus dem Jahr 1743. Beide Stücke erleben nun eine sehr witzige Aufführung in der Opernschule der Hochschule für Musik Würzburg vor und im Theater in der Bibrastraße. Das halbstündige Werk des spanischen Komponisten findet im Innenhof der Hochschule statt, ohne Beeinträchtigung durch Außengeräusche, und als die Kirchenglocken läuten, punktgenau, denn die Mauren im Stück haben ja keine, ist das erste Werk, mit aktuell kommentierender Übertitelung, glücklich zu Ende. Die schwarz gekleidete Pantomimengruppe, gleichzeitig der Chor, verlässt das Podest hinter dem Orchester, der tapfere Ritter har gesiegt – gegen wen? – und man kann sich nach solch unterhaltendem Kampf um nichts ins Innere des Theaters begeben, um weitere Heldentaten des Ritters für seine fiktive Geliebte Dulcinea mitzuerleben. Dort wartet schon die Gräfin Altisidore, um den verzweifelt treu liebenden Don Quijote an der Nase herumzuführen und mit ihrer höfischen Gesellschaft über solche emotionalen Auswüchse zu spotten.
Foto © Andreas Herold
Was im 18. Jahrhundert reine Unterhaltung ohne tieferen Sinn war, ist heute willkommener Anlass für die Studenten der Würzburger Hochschule, sich mit Vergnügen auf der Bühne gesanglich zu bewähren und ohne Hemmungen zu spielen. Diesen Spaß kitzelt Regisseurin Katharina Thoma mühelos aus den begeistert Mitwirkenden heraus, und das überträgt sich auch aufs Orchester der Hochschule, das im Freien herrlich unbeschwert, beschwingt und witzig, dabei tonschön, unter dem Dirigat von Andreas Hotz konzertiert, und im Theater, wo sich leider die historischen Instrumente infolge der Schwüle verstimmen und diverse Intonationstrübungen zu vernehmen sind, Paul Breyer am Pult mit viel Elan alle zu einer lebendig spielenden Einheit bringt, wobei die Bläser besonders gefallen. In Manuel de Fallas halbstündigem Werk mischt sich Don Quijote als Zuschauer des Puppentheaters ins Geschehen auf der Bühne ein als Verteidiger einer entführten und geflüchteten Prinzessin und kämpft gegen die angeblichen Verfolger; alles endet in einer Prügelei, die Puppen sind ruiniert.
Die Musik dazu illustriert die absurde Handlung mit genau passenden, instrumentalen, witzigen „Kommentaren“. Der Theaterdirektor Don Pedro, aufgeregt durch die Störungen und agil singend von Adnan Barami verkörpert, muss immer wieder Trujaman, seinen übereifrigen Assistenten, Amélie Fritz, zurechtweisen, die leichtfüßig und mit hellem Mezzosopran die Szenen ankündigt; auf dem Bühnenpodest wird die Handlung pantomimisch dargestellt mit übergroßen Schwellköpfen für die wichtigen drei Figuren; die gefangene Prinzessin darf dabei auch mal aus den Fenstern um Hilfe flehend herausschauen. Da muss Don Quijote aber einschreiten, auf einem köstlich gestalteten, seltsamen Pferd, eine Fahne schwenkend, im karierten Anzug, zur Verherrlichung des edlen, aber unnützen Rittertums; Sunghun Park kann dabei mit großem, vollem Bariton den Retter verfolgter Damen bestens verkörpern. Bodin de Boismortiers kleine Oper dreht sich auch um ein Nichts, einen Scherz, lässt aber mit melodisch eingängiger Musik, anspruchsvollem, feinem Ziergesang und hübschen Chorsätzen aufhorchen. Sein Werk zeigt eine adelige Gesellschaft, die dem Amüsement ergeben ist, unter Führung der Gräfin den armen Don Quichotte bei einer Gartenparty veralbert, bei der allerlei seltsame Figuren in Verkleidung den Ritter verwirren, Sancho, sein Begleiter, aber nur interessiert ist an Essen und Trinken.
Foto © Andreas Herold
Die Festgesellschaft in hellen Rokokokostümen begibt sich auf die Bühne mit angedeuteten Raum-Elementen für einen Garten oder eine Höhle, alles ausgestattet von Joao Malheiro. Dort trifft Don Quichotte, lebendig verkörpert von Oliver Kringel mit angenehm offenem, nicht immer ganz intonationssicherem Tenor, ein, gefolgt von Sancho Pansa, Adnan Barami, der mit beweglichem, hellem Tenor und lockerem Auftreten seine Rolle mit Leben erfüllt. Souverän geleitet wird der harmlose Spaß auf Kosten anderer von der Gräfin Altisidore, Kyoungmin Choi; mit ihrem tragfähigen, angenehm klingenden Sopran bewältigt sie mühelos alle Höhen und Verzierungen ihrer großen Partie. Die Bäuerin mit Kuh und Melkeimer, Stella Ulrich, von ihr zur Dulcinea befördert, kann sich mit klarem, vollem Sopran der Befreiungsversuche Don Quichottes erwehren. Auch ein Zauberer Merlin mit groteskem Kopfputz, Taehyeon Kim, tritt stimmgewaltig zur Verunsicherung des Ritters auf, ebenso der böse Montésinos, Sunghun Park. Verwirrt wird Don Quichotte auch durch zwei liebenswerte Damen, Maria Emilia Ciria Buil und Verena Flitsch, die ihn mit schönem Sopranglanz umgirren. Schließlich wird er in einen Bären, Sancho in einen Affen verwandelt und erst erlöst mit dem Versprechen auf eine Zukunft als König von Japan oder als Inselbesitzer durch ein japanisches Paar, Frederik Lipa und die kokette, zierlich singende Jasmina Aboubakari.
Nach all den höfischen Tänzen, amüsanten Wendungen und dem harmonischen Chorgesang des ganzen Ensembles ist der harmlose Spaß irgendwie zu Ende, und das Publikum im voll besetzten Theater feiert alle lange.
Renate Freyeisen