O-Ton

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Foto © Gerhard Hagen

Aktuelle Aufführungen

Abschied einer großen Sängerin

ABSCHIEDS-LIEDERABEND WALTRAUD MEIER
(Johannes Brahms, Gustav Mahler, Amilcare Ponchielli, Richard Strauss)

Besuch am
1. April 2023
(Einmalige Aufführung)

 

Großer Saal der Hochschule für Musik Würzburg

Unter dem Motto Ein Weltstar kommt nach Hause veranstaltet der Würzburger Lions-Club ein bestens besuchtes Benefizkonzert für und mit der bekannten Mezzosopranistin Waltraud Meier als Abschied vom Liedgesang in heimischer Atmosphäre. Im Großen Saal der Musikhochschule tritt dazu das Philharmonische Orchester Würzburg unter seinem GMD Enrico Calesso auf und bietet einem wohl meist wenig klassikaffinen, aber bestens gelaunten Publikum ein Konzert mit viel Unterhaltungsqualität.

Der Dirigent lässt dafür seine Musiker in voller Lautstärke aufspielen, was bei den räumlichen Verhältnissen ohnedies ein Risiko darstellt, denn der Saal ist dafür zu klein. Ein bisschen leid tut das vielen in der Zuhörerschaft vor allem wegen Waltraud Meier. Denn die an sich schön timbrierte Stimme der Sängerin kommt nach 47 Jahren Bühnenpraxis gegen solche klangliche Wucht gerade bei den Mahler-Liedern nicht immer an. Auch das Programm scheint etwas willkürlich zusammengewürfelt. Das Orchester beginnt vor den Liedern mit den Ungarischen Tänzen 1-6 von Johannes Brahms und leitet den zweiten Teil ein mit Amilcare Ponchiellis Tanz der Stunden, bevor dann mit dem Walzer aus der Rosenkavalier-Suite drei Lieder von Richard Strauss erklingen.

Das Orchester beginnt schwermütig-melancholisch, geht den zweiten Tanz mit sentimentalem Gestus verhalten an, kommt dann aber zu unbeschwert Volkstümlichem, steigert sich nach neckisch Fröhlichem zu stark Schwerblütigem, kostet den Csárdás betont aus, zu Lasten der Übergänge, wobei auf Beschwingtes immer auch etwas Heftiges folgt, und nach dem berühmten Eingangsmotiv des fünften Tanzes gerät das Orchester in viel Feuer, bevor dann der letzte Tanz viel tänzerische Fahrt aufnimmt und sonnig und entschieden endet. In vier Mahler-Liedern nach Des Knaben Wunderhorn artikuliert die Stimme der charmant und sehr präsent auftretenden Sängerin das Erzählerische sehr deutlich, so beim Rheinlegendchen mit dem neckischen Beginn; da wirkt die Tiefe noch etwas flach, dringt kaum gegen das Orchester durch, gestaltet aber den Text mit schönen Höhen, bei denen man früheren Glanz noch ahnen kann.  Bei Das irdische Leben imponieren die sauber bewältigten Sprünge, und Des Antonius von Padua Fischpredigt gefällt durch temperamentvoll witzige Gestaltung, wobei das Orchester manchmal über die Stimme dominiert. Erst das Urlicht, das Mahler in seine zweite Sinfonie einbaute, zeigt die Vorzüge einer durch lange Gesangspraxis erfahrenen, schönen Stimme: Sie klingt hier nach feierlichem Bläser-Beginn warm, kann mit gebundenen Linien und sanft aufleuchtenden Höhen aufwarten, zeigt innere Energie und endet fein glänzend, wie es die Verse nach Klopstock erfordern: Der liebe Gott wird mir ein Lichtchen geben, wird leuchten mir bis in das ewig selig Leben. Daraus spricht Zuversicht für eine erfüllte Zukunft der Künstlerin fern der Bühne.

Foto © Lions-Club Würzburg

Nach einem mit effektvoll gesetzten Steigerungen und heftigen Akzenten versehenen Tanz der Stunden und dem dank des Violinsolos schön dahinschwebenden Rosenkavalier-Walzers, der allerdings wieder mit allzu kräftigen Kontrasten daherkommt, ist man gespannt auf die drei Strauss-Lieder. Die sind sehr klug und sinnvoll ausgewählt. Es beginnt mit Die Nacht, wo das Bangen um eine im Verborgenen, im Geheimen liegende Zukunft formuliert ist; die Stimme verströmt hier etwas von der Faszination der Nacht in zart angegangenen, schön klingenden Höhen und Morgen kann nach schwärmerischem Orchesterbeginn mit Harfe und singender Solo-Violine vorsichtig Zuversicht ausdrücken, analog zum Einleitungs-Vers  Und morgen wird die Sonne wieder scheinen, mit andächtigem Glanz und erfüllt von Glücksgefühl vorgetragen. Bei der Zueignung betont die Sängerin vor allem das Habe Dank und verabschiedet sich damit von ihrer begeisterten Anhängerschaft, die sie mit stehenden Ovationen feiert.

Meier zeigt sich hier bescheiden, aufgeschlossen und auskunftsfreudig; sie ist eben in Würzburg sehr beliebt. Hier begann sie im damaligen Stadttheater 1976 als Lola in Pietro Mascagnis Cavalleria rusticana. Nach ihrem triumphalen Erfolg als Kundry in Bayreuth startete 1983 ihre Weltkarriere, bei der sie mit allen bedeutenden Regisseuren und Dirigenten arbeitete. Sie ist Kammersängerin der Bayerischen Staatsoper und der Wiener Staatsoper, wo sie auch seit 2017 Ehrenmitglied ist. Im Herbst 2023 endet ihre lange Bühnenkarriere. Was wird sie danach machen? Sie sagt, sie finde ein Leben ohne Bühne wunderbar; da könne sie mal dasitzen und einfach zuhören, wie andere leiden. Und als FC-Bayern-Fan könne sie dann ungestört alle Fußballspiele verfolgen, was etwa während einer Bayreuth-Aufführung nur heimlich per Handy möglich gewesen sei; da habe sie dann die Ergebnisse gerne in den Orchestergraben weitergeleitet. Dass ihr Abschied in Würzburg mit einem Benefizkonzert für soziale Zwecke gekoppelt ist, darüber ist sie besonders froh, denn das ist ganz in ihrem Sinn.

Renate Freyeisen