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BEETHOVEN IN PALAIS LOBKOWITZ
(Ludwig van Beethoven)

Gesehen am
15. Mai 2021
(Premiere am 30. April 2021/Stream)

 

The Katie Mahan Hour, Palais Lobkowitz, Eroica-Saal, Wien

Eine Kutsche fährt durch Wien, die Kamera fängt geschickt die alten Gebäude ein. Vorfahrt vor dem Palais Lobkowitz, einem barocken Stadtpalast im Ersten Wiener Gemeindebezirk. Schnitt auf das Treppenhaus. Eine hochgewachsene, schlanke Frau mit schwarzen Locken in extravagantem, langem und hochgeschlitztem, paillettenbesetztem Kleid schreitet die Stufen empor und betritt schließlich den Eroica-Saal des heutigen Österreichischen Theatermuseums. Das Kleid hat die Mutter der jungen Frau eigens zu diesem Anlass entworfen. Im Palais war um die Wende zum 19. Jahrhundert Ludwig van Beethoven oft zu Gast bei seinem Gönner Franz Joseph Maximilian von Lobkowitz. Dem widmete Beethoven auch seine dritte Sinfonie, die ursprünglich Napoleon zugeeignet war und deshalb den Beinamen Eroica erhielt. Der Saal, in dem Beethoven selbst die Uraufführung am 9. Juni 1804 leitete, heißt daher bis heute Eroica-Saal. Hier nimmt die Pianistin Katie Mahan an einem Flügel Platz, der außer einem Standscheinwerfer heute das einzige Mobiliar ist. Ein kurzer Moment der Besinnung mit geschlossenen Augen, dann beginnt das Konzert Beethoven in Palais Lobkowitz.

Mahan gehört mit Sicherheit zu den herausragenden Pianisten unserer Zeit. Wer sie einmal gehört und erlebt hat, wird mit Sicherheit nach der nächsten Gelegenheit suchen, sie wieder am Flügel zu sehen. Neben ihrem eleganten Spiel gefällt vor allem ihre Souveränität, mit der sie ein anderthalbstündiges Konzert ohne Notenblätter absolviert. Sechs Bagatellen, Waldstein-Sonate, Sonate Nr. 13 oder Ode an die Freude in eigenem Arrangement: Mahan fesselt von der ersten bis zur letzten Minute. In der Pause gibt es dann auch noch Für Elise, allerdings zugespielt, um Bilder des prächtigen alten Wiens zu zeigen. Für eine hervorragende Tontechnik sorgt Martin Macheiner, edle Bilder besorgen gleich zwei Kameraleute: Aron Dachs und Sarah Lublasser. Im Konzert überzeugt eine Kameraführung, die abwechslungsreich und ausgewogen daherkommt. Mit wenigen Mitteln setzen die beiden 16-Jährigen ein Licht, das dem Raum gerecht wird. Gab es vor dem Konzert möglicherweise Bedenken, eines von vielen Klavierkonzerten zu erleben, ist der Gedanke bereits nach wenigen Minuten vergessen. Anderthalb Stunden purer Genuss verfliegen wie nichts. Schon das wäre eine Nachricht wert. Aber dieses Konzert ist etwas Besonderes, fügt es sich doch in einen größeren Rahmen ein.

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Denn Mahan hat die Zeit des Lockdowns genutzt, ein Geschäftsmodell im Internet zu entwickeln, dass es ihr nicht nur gestattet, Konzerte aufzuführen, sondern damit gleichzeitig Geld zu verdienen und eine feste Zuschauergemeinde aufzubauen. Nein, man findet das Konzert Beethoven in Palais Lobkowitz nicht irgendwo auf einer Videoplattform. Sondern man besucht The Katie Mahan Hour. Eine schön aufgebaute Website, auf der man die Konzerte der in Salzburg lebenden, gebürtig amerikanischen Pianistin kaufen kann. Ja, richtig, man kann die Konzerte erwerben. Wer den moderaten Preis von 25 US-Dollar bezahlt, darf sich die hochwertige Produktion anschauen, darf sie herunterladen und mit Freunden teilen. So zeigt die Künstlerin sich servicefreundlich und sorgt gleichzeitig dafür, dass ihre Arbeit Reichweite bekommt. Schon jetzt kann man zwischen fünf Konzerten mit Musik von Ludwig van Beethoven oder Wolfgang Amadeus Mozart auswählen.

Dabei ist Mahan wichtig, an den Orten zu spielen, an denen auch die Komponisten gewirkt haben, um die Atmosphäre mitzunehmen. Und so werden neben den Beethoven-Konzerten im Palais Lobkowitz die Mozart-Konzerte im Schloss Mirabell in Salzburg gespielt.

Schöner allerdings ist es, sich den nächsten Premierentermin vorzumerken. Denn dann haben die Besucher zusätzlich die Möglichkeit, sich vor und nach dem Konzert mit der Künstlerin zu unterhalten. Unnötig zu erwähnen, dass Mahan ihre Seite mit zusätzlichem Videomaterial anreichert. Eine wirklich schöne Idee, hochprofessionell ausgeführt und unbedingt unterstützenswert. Das Publikum konnte im vergangenen Jahr kaum eine Produktion im Internet anschauen, ohne auf einen „Spendenaufruf“ zu stoßen. Ein missbrauchter oder bestenfalls schlecht gewählter Begriff, bezeichnet er doch eine Wohltat für einen Bedürftigen und nicht das Honorar für die Leistung eines Künstlers. Mahan geht einen anderen Weg und bietet hochwertige Produktionen zu einem fairen Preis an. Da können beide, Künstler und Publikum, hocherhobenen Hauptes miteinander umgehen und die Musik klingt noch mal ein Stückchen wertvoller.

Michael S. Zerban