O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Michael Pöhn

Aktuelle Aufführungen

Auf Hochglanz poliert

AIDA
(Giuseppe Verdi)

Besuch am
21. Januar 2023
(Premiere am 30. April 1984)

 

Wiener Staatsoper

Sie war schon vor der Pandemie geplant, jetzt kommt sie wirklich zustande. Eine Wiederaufnahme von Giuseppe Verdis Monumentaloper Aida in Starbesetzung. Edel handverlesen ist die Auswahl der Sänger und dazu ein Rollendebüt an der Wiener Staatsoper für Anna Netrebko in der Titelrolle,  Jonas Kaufmann als Feldherr Radames und Luca Salsi als Amonraso, für Elīna Garanča ist es insgesamt ein Rollendebüt als Amneris, und das gleich vor einem großen, international führenden Haus. Entsprechend groß ist die Euphorie der Opernliebhaber, und die vier Abende sind in kürzester Zeit ausverkauft. Vor dem Haus blüht der Schwarzmarkt, und an der Stehplatzkasse gibt es eine nicht enden wollende Schlange. Eine Stimmung wie vor der Pandemie. Von Desinteresse und Klassikmüdigkeit keine Spur. Andererseits wieder eine Bestätigung für „Stars sell best“.

Die in die Jahre gekommene Inszenierung von Nicolas Joel, die Premiere erfolgte am 30. April 1984, schafft mit ihren kräftigen, großflächigen Bühnenbildern und aufwändigen Kostümen im klassischen ägyptischen Stil von Carlo Tommasi das passende, konfliktfreie Ambiente. Die Balletteinlagen wurden aufgefrischt, erzielen aber keine weiteren Spannungseffekte.

Foto © Michael Pöhn

So konzentriert sich das Publikumsinteresse auf seine Lieblinge und deren Leistungen, die sich allesamt genussvoll sehen und insbesondere hören lassen können. Allen voran wird Garanča in ihrer facettenreichen Darstellung der Pharaonentochter gefeiert. So ist sie eine Hochmütige, die sich in ihrer Überlegenheit gegenüber ihrer Rivalin sicher ist, aber doch innere Zweifel hegt, die eine Freundin sucht in der Männerwelt des Palastes, die sie nicht versteht. Ihre Liebe zu Radames ist ehrlich und doch auch von Machtsinnen erfüllt, denn nur so kann sie in der Männerwelt zu Herrscherin aufsteigen. Eine Vielschichtigkeit, die Garanča in ihrer kräftigen, wohltimbrierten Stimme mit dunkler Färbung geschickt ausfüllen kann. Sie ist herrschaftlich präsent, reißt sich aber zu gefühlvollen Gesten hin. Die Herausforderungen der Partitur meistert sie beeindruckend mit sicher gesetzten Tonsprüngen bis in die oberste Lage, führt Läufe und Melodien sicher intoniert im feinen Piano sowie im markanten Forte ohne Schärfen. Sicherlich wird sie diese Partie in den nächsten Jahren mit ihrer Interpretation auf vielen Bühnen prägen.

Netrebko hat bereits an verschiedenen Bühnen mit ihrer Darstellung der gefangenen Königstochter Aida brilliert. Im Gespann mit einer so markanten, aufregenden Widersacherin steigert auch sie sich zu wahrer Bestleistung. Ihre Auftritte sind zumeist geprägt vom Zusammenspiel mit einzelnen Instrumenten und so besonders intim und gefühlvoll, aber auch sehr ausgeprägt auf den Gesang. Diese Intimität beherrscht sie, und ihre Vorstellung der Nilarie berührt durch und durch. Technisch perfekt sitzen die Spitzentöne, die sie ohne Mühe aus der Kehle fließen lässt. Sie ist auch professionell und sicher im Umgang mit ihren Kollegen. So profitiert Kaufmann, der als Radames eine ordentliche stimmliche Leistung bringt, aber an Kraft und Volumen nicht an seine Kolleginnen heranreicht. Seine feinen Piani, die sich in einen Gefühlsausbruch steigern können, zählen zu seinen Spezialitäten. Hier gelingt ihm und Anna Netrebko ein zartes, emotional ausgeschmücktes Finale. Dieses Liebespaar vereint sich glaubwürdig im Tod. Die Friedensrufe der trauernden Amneris umgeben die Einmauerungsszene mit ungeahnter Wärme.

Salsi trumpft als streitbarer Vater und Herrscher auf, der auch weiß, für sein Volk um Milde zu bitten. Stimmlich hat er keine Schwierigkeiten mit der Partie und legt viel Gefühl und Ausdruck in die Darbietung. Ebenso überzeugen der junge Ilja Kazakov als König, Alexander Vinogradov als stimmgewaltiger Ramfis und besonders Anna Bondarenko als eine vollmundige, weichzeichnende Priesterin.

Am Pult führt Nicola Luisotti mit sicherer Hand uninspiriert das Orchester. In der Abstimmung mit der Bühne herrschen kleine Unebenheiten im Tempo, die der sicher und einnehmend schön singende Chor mit Routine zu meistern weiß. Zu den Sängern führt er mit Augenmaß und Rücksicht das Orchester.

Großer Jubel, Freude und Begeisterung im ausverkauften Haus. Die Aufführungsserie ist Stadtgespräch und zieht viele internationale Opernliebhaber zurecht in die Donaumetropole.

Helmut Pitsch