O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Aktuelle Aufführungen

Wenn die Saiten erklingen

WASSERSCHLOSSKONZERTE
(Diverse Komponisten)

Besuch am
19. Juni 2022
(Einmalige Aufführung)

 

Haus Marck, Tecklenburg

Das kennt der Musikliebhaber: ein Streichorchester, ein Bläserorchester, ein Holzbläser-Ensemble, auch ein Cello-Konzert – da versammeln sich Musiker um ein Instrument, präsentieren musikalische Perlen ihrer Instrumente und zeigen, welche Klänge darin stecken. Auch bei den Zupfinstrumenten ist das so, die wir vorwiegend bei der Aufführung von „Volksmusik“ kennen. Aber Zupfmusik als eigenes Genre hört man selten, neue Kompositionsliteratur oder gar neue Werke werden selten vorgestellt. Wenn sich gar elf „Zupfmusiker“ zu einem Konzert versammeln, dürfen die Zuhörer sicher sein, ein besonderes Konzert, etwas Ausgefallenes zu hören. Von der „Renaissance bis in die Gegenwart“ reicht das Repertoire des Kammerorchesters Chordofonia, das sie an diesem Sonntagnachmittag auf Gut Marck im Vorland des Teutoburger Waldes bei Tecklenburg gut 60 Besuchern anbieten.

Das Wasserschloss Haus Marck blickt auf eine lange Geschichte zurück. Um 1320 wurde ein Herrenhaus als Vorläufer des späteren Wasserschlosses beurkundet, das im 14. Jahrhundert als Sitz der Familie von Horne genannt wird. Wie viele andere Wasserburgen im Westfälischen, die heute noch erhalten sind, erhält das Herrenhaus einen Wassergraben und wird mehrfach erweitert. 1643 finden hier Vorverhandlungen zum Westfälischen Frieden statt. Seit 1998 beherbergt Haus Marck eine Außenstelle des Standesamtes Tecklenburg und wird gern als romantischer Ort für Trauungen und Ähnliches genutzt. Heute hat auch das freie Krokodiltheater hier ein Zuhause gefunden und konnte zuletzt mit dem Stück Eselchen Zimt alte und junge Besucher begeistern. Besitzer des Wasserschlosses Haus Marck ist seit 1804 die Familie von Diepenbroick-Grüter. Auch Friedrich von Bodelschwingh der Ältere, Pastor, Theologe und Gründer der nach ihm benannten Bodelschwinghschen Anstalten wurde 1831 auf Haus Marck geboren.

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Beim Auftritt des Orchesters können die Zuhörer zunächst die sehr unterschiedlichen Zupfinstrumente bestaunen, die von Gitarren und Mandolinen bis zu Baglamas reichen. Die insgesamt elf Musiker bringen Mandolinen, Mandolas, eine zehnsaitige Mandocello und verschiedene Gitarren mit. Hinzu kommen zwei Baglamas, dreisaitige Langhalslauten, die in der türkischen Musik häufig als Begleitinstrumente eingesetzte werden. Das durchaus ungewöhnliche Ensemble von Zupfinstrumenten erzeugt Klänge und Rhythmen, die für europäische Ohren ungewohnt sind.

Unter der künstlerischen Leitung vom Annika Hinsche beginnt das Orchester sein Programm mit der Komposition von Maurice Ravel Le Tombeau de Cóuperin – Das musikalische Grabmal des Couperin – das gerne für Lautenkonzerte auf dem Programm steht. Nur wenige der folgenden Stücke dürften den Konzertbesuchern bekannt sein.  Die modernen, teils zeitgenössischen Kompositionen stammen von Musikern, die heute noch arbeiten.  Komponist Koreay Berat Sari, von dem die Anatolische Suite Nr. 2 stammt, sitzt mit im Orchester und sorgt selbst mit seiner Baglama für den richtigen Klang. Vielfach sind die Mandolinen die Leitinstrumente und führen die musikalischen Themen ein, die Gitarren unterstützen die harmonische Grundstimmung, tragen mit sicherem Rhythmus einen Bass-Hintergrund und liefern oft harmonische und rhythmische Akzente. Mehrere Musiker überraschen die Zuhörer mit Solopartien, andere geben kurze Erläuterungen zu einigen Programmstücken. Hinsche sichert mit ihrem lebhaften Dirigat die Grundrhythmen und Akzente, hält sich aber sonst, durchaus angenehm für die Zuhörer, eher im Hintergrund.

Die Besucher, die sich auch aus dem Umland auf den Weg nach Haus Marck gemacht haben, erleben einen ungewöhnlichen, zum Teil überraschenden Sonntagnachmittag in einem Ambiente, das viele gern erneut besuchen werden. Sie bedanken sich mit langanhaltendem Beifall, der auch den gelungenen Kontakt ausdrückt, den Musiker und Zuhörer schnell zueinander gefunden haben. Ein außergewöhnliches Kulturangebot an einem besonderen Ort, das die Euregio hoffentlich weiter fortsetzen wird.

Horst Dichanz