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Lob der Kunst

DER SCHAUSPIELDIREKTOR
(Wolfgang Amadeus Mozart, Henrik Albrecht)

Besuch am
25. Dezember 2021
(Video on Demand)

 

Junge Oper im Nord, Staatstheater Stuttgart

Die in Hamburg geborene Elena Tzavara studierte Musiktheater-Regie an der Berliner Hochschule für Musik „Hanns Eisler“. Danach arbeitete sie freiberuflich an internationalen Bühnen. Von 2009 bis 2013 war sie Leiterin der Kölner Kinderoper unter der Intendanz von Uwe Eric Laufenberg. Bei ihren Arbeiten in Köln fiel auf, dass sie nicht versuchte, große Oper kindgerecht umzusetzen, sondern Uraufführungen für die Kinderoper in Auftrag gab. Bekannt wurde vor allem die Jugendoper Border des Komponisten Ludger Vollmer. Seit vielen Jahren verbindet sie auch die Arbeit mit dem Komponisten Henrik Albrecht. Seit Beginn des Jahres 2017 ist Tzavara Künstlerische Leiterin der Jungen Oper im Nord und des Internationalen Opernstudios.

Die Junge Oper im Nord basiert auf der Jungen Oper Stuttgart, die 1997 von Klaus Zehelein unter dem Dach der Staatsoper Stuttgart gegründet wurde. Ziel ist bis heute nach eigenen Angaben, „wegweisendes Opernrepertoire für ein junges Publikum“ zu generieren. 2018 bezog die Junge Oper die Spielstätte Nord und heißt seitdem auch JOiN – Junge Oper im Nord. Unter dem Label hat sich Tzavara etwas Hübsches zum Weihnachtsfest einfallen lassen. Überraschenderweise kein neues Opernrepertoire, aber irgendwie gilt eine Neubearbeitung ja auch. Und dafür hat sie den Schauspieldirektor von Wolfgang Amadeus Mozart für eine Online-Produktion ausgewählt. Von Heiligabend bis Silvester kann man sich das Ergebnis hier anschauen.

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1786 kam das Singspiel im Auftrag von Kaiser Joseph II. in der Orangerie von Schloss Schönbrunn bei Wien gemeinsam mit Antonio Salieris Oper Prima la musica, poi le parole zur Uraufführung. Tatsächlich kam Salieris Werk erheblich besser beim damaligen Publikum an, der Titel seiner Arbeit wurde gar zum geflügelten Wort: Erst die Musik, dann die Worte. Das mag auch daran gelegen haben, dass Mozart die Musik nur äußerst spärlich einsetzte. Kaum ein Drittel der gesamten Aufführung war komponiert. Die Handlung war simpel und im Vaudeville-Stil aufgeführt. Schauspieldirektor Frank muss eine neue Truppe zusammenstellen, um eine Oper aufzuführen. Der Bankier Eiler sagt die Finanzierung des Unterfangens zu, soweit seine Geliebte, Frau Pfeil, ein Engagement erhält. Es findet ein Vorsingen statt. Als ein Streit um die Höhe der Gagen aufkommt, droht Frank, das Unterfangen abzusagen, sollten sich die Darsteller nicht einigen. Im Schlussgesang kommen die Darsteller überein, dass kein Künstler sich über den anderen stellen solle. Nun, manches im Stück erinnert an eine sehr moderne Opernproduktion, wenn man vielleicht von der Botschaft des Werks absieht, die aber den Starkult an gewissen Bühnen noch einmal karikiert. Im Übrigen ist das Singspiel eine Ode an die Oper und die Kunst im Allgemeinen, die hier über das Wesen des Menschen gestellt wird. Es gibt an Tzavaras Umsetzung nichts zu kritisieren, wenn man von der Empfehlung für Kinder ab acht Jahren absieht. Richtiger sollte es wohl heißen: Kinder ab acht Jahre in Begleitung von Erwachsenen. Denn die Werte, die hier verhandelt werden, dürften sich kaum einem Achtjährigen erschließen. Da könnte es durchaus hilfreich sein, wenn das Kind nach der Aufführung Gelegenheit hat, mit den Eltern oder Oma und Opa noch über das eben Erlebte zu sprechen.

Vom Unterhaltungswert ist die Aufführung allemal auch für Kinder geeignet. Die Regisseurin hat hier eine bunte, flotte und vor allem filmisch schlüssige Inszenierung geschaffen, die eineinviertel Stunden wie im Fluge vergehen lässt. Elisabeth Vogetseder gestaltet den gesamten Raum zur Bühne. Eine Guckkastenbühne ist mit zahlreichen Vorhängen ausgestattet, in die zwischenzeitlich eine Tür eingebaut wird und die den Blick auf Maske und Garderobe freigibt. Zeitgleich haben die Kameras das vor der Bühne aufgebaute Orchester und das Pult des Schauspieldirektors im Blick. Die Kameraführung wirkt absolut professionell, immer noch keine Selbstverständlichkeit bei Online-Produktionen von Theatern. Die Lichtgestaltung ist ebenso wie die Tontechnik fast durchgängig gelungen. Es gibt ein, zwei Aussetzer, die man wirklich vernachlässigen kann. Zumal Vogetseder herrliche Fantasiekostüme entworfen hat, die einen rechten Augenschmaus darstellen.

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Musikalisch ist die Produktion ein wunderbares Erlebnis. Henrik Albrecht hat das Stück komplett neu arrangiert und dabei viele ursprüngliche Sprechrollen zu Gesangsstücken umgewandelt. Das klingt wie aus einem Guss und macht Spaß. Vlad Iftinca als Musikalischer Leiter schauspielert auch ein wenig, hat aber auch sonst genug damit zu tun, echten Mozart-Klang zu entfalten. Und löst das in Teamarbeit mit seinem Kammerorchester und den Sängern großartig.

Die Sprecherrolle behalten hat der Schauspieldirektor, hier dargestellt von Sebastian Schäfer, der hin und wieder ein bisschen überdreht, aber das ist ja nun mal Vaudeville. Gerard Farreras gibt den Buff, einen Assistenten, der das Echo liebt und das auch sehr gekonnt spielt. Als Bankdirektor schmeißt Jorge Ruvalcaba mit Bank-Noten nur so um sich. Warum Linsey Coppens als Frau Pfeil ständig halbblind über die Bühne talpern muss – das weiß wohl in ein paar Jahren auch niemand mehr, aber Coppens setzt es glaubwürdig um. Clare Tunney und Ángel Macias spielen das exotische Ehepaar Herz. Sie bringen noch einmal ordentlich Pfeffer auf die Bühne. Herrlich ist auch der Auftritt von Laia Vallés als Frau Silberklang. Gesanglich gibt es keine Ausreißer, aber viel Wortverständliches.

Elena Tzavara hat hier ein köstliches Stück auf die Bühne gebracht und die richtige Mischung aus theatralischer Aufführung und filmischer Umsetzung gefunden. Das kann man für die Feiertage rundherum empfehlen. Auch für Opernanfänger unbedingt geeignet.

Michael S. Zerban