O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Sandra Then

Aktuelle Aufführungen

Die grauen Männer und der Krieg

DIE ZAUBERFLÖTE
(Wolfgang Amadeus Mozart)

Besuch am
30. Juli 2022
(Premiere)

 

Salzburger Festspiele, Haus für Mozart

Schon während der Ouvertüre sitzen sie alle beim Essen.  Aber die Idylle im einstöckigen Stadtpalais einer großbürgerlichen Familie in Wien kurz vor dem Ersten Weltkrieg täuscht, die Stimmung ist gereizt. Der Vater, es ist Sarastro, wird von drei Eingeweihten mitten im Essen abgeholt. Daraufhin springt die Mutter, es ist die Königin der Nacht, auf und wirft alles auf den Boden. Die Enkelkinder, es sind die drei Knaben, flüchten mit dem Großvater ins Schlafzimmer. Dort liest er ihnen vor dem Schlafengehen ein Märchen vor. Es ist die Zauberflöte von Wolfgang Amadeus Mozart. Die Figuren werden lebendig und schon werden die drei in die Geschichte hineingezogen: Mit dieser Rahmengeschichte und dem Hinzufügen des Großvaters als Erzähler lässt, so wie schon 2018, Regisseurin Lydia Steier die Oper beginnen. Jetzt wird sie bei den Salzburger Festspielen wiederaufgenommen und einer grundlegenden Überarbeitung ohne Zirkuseffekte wie 2018 unterzogen und dabei vom Großen Festspielhaus ins Haus für Mozart verlegt.

Foto © Sandra Then

Roland Koch als Märchen-Opa spricht mit zurückhaltendem Understatement. Dadurch werden viele der aufgesetzt klingenden Dialoge ersetzt und verkürzt. Was dann folgt, ist eine Fülle von auch ironischen Ideen, die sich jedoch bisweilen etwas selbst im Wege stehen, teils fantasievoll, gewürzt mit Revueelementen wie einem Schmetterlingsballett oder tanzenden Plüschbären, hauptsächlich jedoch in Grautönen und nicht den Gegensatz von Licht und Dunkelheit bedienend. Das Stadtpalais von Katharina Schlipf kann sich drehen und immer wieder neue Räume öffnen oder verwinkelte Fassaden zeigen, was durchaus Schausinn ergibt.

Bei den Sängern überragt Regula Mühlemann als Pamina alle mit großer Natürlichkeit und wunderbar innigem Gesang. Tareq Nazmi ist ein profunder Sarastro mit Schnurrbart in grauem Anzug und Melone. Die meist Zigarren rauchenden Eingeweihten wirken optisch wie seine Klone. In Uniformen gekleidet, ziehen sie im zweiten Teil in den Krieg. Kriegsbilder flimmern über die Bühne und lassen sofort den Bezug zur Gegenwart herstellen. Brenda Rae singt die Königin der Nacht meist koloratursicher und schwebt dabei mit einem langen Kleid in den Himmel. Mauro Peter ist ein schönstimmiger Tamino, Michael Nagl ein spielfreudiger, kerniger Papageno, ein Fleischhauer, der nur tote, essbare Truthühner liefert. Maria Nazarova ist eine zarte Papagena. Peter Tantsits als Monostatos hat vokale Defizite. Herrlich intonationsrein singen die drei Wiener Sängerknaben, von denen auch schauspielerisch einiges abverlangt wird, weil sie omnipräsent sind. Auch die vielen kleineren Rollen und der Chor singen alle tadellos.

Frisch, mit viel Energie und teils zugespitzten Tempi erlebt man die exzellent muszierenden Wiener Philharmoniker unter der vitalen, stets animierenden Joanna Mallwitz.

Großer Jubel.

Helmut Christian Mayer