O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Aktuelle Aufführungen

Mit praller Komödiantik und veristischer Schärfe

IL TRITTICO
(Giacomo Puccini)

Besuch am
9. August 2022
(Premiere)

 

Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus

Obwohl von höchst unterschiedlichem Charakter werden die drei Operneinakter immer wieder gern mit den Sätzen einer Symphonie verglichen. Il tabarro als leidenschaftliches, stürmisches Allegro, Suor Angelica als bleiches, schwermütiges Andante und Gianni Schicchi als Feuerwerk eines heiteren Finales. Gemeinsame Aufführungen der drei Opern von Giacomo Puccini, die unter dem Titel Il Trittico gemeinsam 1918 in New York uraufgeführt wurden, sind heute, vor allem im deutschsprachigen Raum, sehr selten geworden. Am häufigsten wird Gianni Schicchi kombiniert mit einem anderen Einakter gezeigt.

Jetzt haben sich die Salzburger Festspiele entschlossen, diese Rarität aufzuführen, wohl auch um es für Publikumsliebling Asmik Grigorian, die in den letzten Jahren beim Festival sowohl als Salome und als Chrysothemis bei Elektra, beides von Richard Strauss, höchst erfolgreich mitwirkte, zu ermöglichen, alle drei Frauenpartien singen zu können. Wobei von Regisseur Christoph Loy die übliche Reihenfolge umgestellt und Gianni Schicchi gleich zu Beginn gezeigt wird. Und die Sopranistin erfüllt die hohen Erwartungen: Sie weiß in allen drei Rollen, die unterschiedlicher nicht sein können, zu faszinieren: Als naive Lauretta kann sie mit dem Ohrwurm Il mio babbino caro ungemein gefallen. Ebenso singt sie eine ausdrucksstarke Giorgetta, die ihre zerrissenen Gefühle zwischen Luigi und Michele ideal vermitteln kann. Um dann mit reichen Farben und intensiver Gestaltung der Angelica alle zu Tränen zu rühren. In dem abschließenden Monolog der Nonne, die sich selbst vergiftet, nachdem sie vom Tod ihres Sohnes erfahren hat, erweist sich Grigorian einmal mehr als intensive Sängerschauspielerin. Gerade in den Höhen entfaltet sich die volle Pracht ihrer Stimme.

Hochstehend ist auch das Niveau der anderen Sänger:  Misha Kiria singt einen stimmkräftigen Gianni Schicchi mit praller komödiantischer Präsenz. Joshua Guerrero erlebt man im Mantel als Luigi mit viel Schmelz und müheloser Höhe seines Tenors. Michele wird von Roman Burdenko sehr schönstimmig gesungen. Alexey Neklyudov gefällt mit seinem wunderbar lyrischen, etwas kleinen Tenor als Rinucccio. Es gefällt auch Enkelejda Shkosa in allen drei Einaktern als Zita, la Frugola und als Suora Zelatrica. Karita Mattila ist die böse, furchterregende La Zia Principessa und Hanna Schwarz beeindruckt als Badessa. Auch in den kleineren Partien wird wohltuend gesungen. Die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor, deren Einstudierung Jörg Hinnerk Andresen besorgte, weiß ebenfalls mit einer sehr ausgeglichenen Leistung zu punkten.

Am Pult der Wiener Philharmoniker steht Franz Welser-Möst. Gemeinsam trifft man immer den richtigen Pulsschlag und Farbenreichtum Puccinis feinsinniger und genialer Musik. Im bestens disponierten Klangkörper erlebt man schattierungs- und stimmungsreiche Detailzeichnungen, aufregende Spannung und plappernde Vitalität.

Als Glücksfall erweist sich auch die Inszenierung von Christof Loy im Großen Festspielhaus, der mit feiner Klinge Regie führt und bei Gianni Schicchi verhindert, dass die komische Oper allzu sehr ins Klamaukhafte abgleitet, wenngleich Tempo und Intensität der Personenführung in dem nüchternen Raum, den ein riesiges Bett dominiert, trotzdem beachtlich sind und dem den ganzen Abend begeisterten Publikum viele Lacher entlocken. Die Bühnenbilder stammen alle von Ètienne Plus, die passenden Kostüme von Barbara Droshin. Bei Il tabarro wird vor einem Schlepperkahn vor allem die männliche Brutalität gezeigt, wenngleich man den Mord an Luigi durch Michele schon drastischer und packender gesehen hat. Mit veristischer Schärfe zeigt Loy hier das Elendsmilieu der Fischer auf der Seine und das triste, nüchterne Klostermilieu bei Suor Angelica. Gerade hier zeichnet er die Figur der hartherzigen Zia Principessa, der Fürstin und Tante, der unerbittlichen Gegenspielerin von Schwester Angelica intensiv. Angelica ist hier eine raffinierte Mischung aus Idylle und Depression. In Trance halluziniert Angelica über ihr Kind, der als süßer Bub in kurzen Hosen barfuß seinen Auftritt hat. Loy zeigt am Schluss schlicht und daher ergreifend – den Liebestod einer Mutter.

Großer Jubel im Publikum.

Helmut Christian Mayer