O-Ton

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Aktuelle Aufführungen

Barocke Hits

RINALDO
(Georg Friedrich Händel)

Besuch am
13. Oktober 2018
(Premiere)

Hochschule für Musik und Theater Rostock, Foyer

Wenn Sie meinen, diese Oper noch nie gehört zu haben, dann irren Sie: Die Arie Lascia ch’io pianga ist eine der Top-10-Hits für Sopran im gängigen Opernrepertoire. Aber die gesamte Oper steht selten auf den Spielplänen. Warum eigentlich? 1711 als erste auf Italienisch geschriebene Oper für das englische Publikum von Händel komponiert, hat er viele seiner eigenen anderen Werke darin zitiert. Rinaldo wurde dann auch die populärste seiner Opern, während er noch lebte. Nach seinem Tod 1731 wurde sie über 200 Jahre vergessen.

Nun wird gerade Rinaldo an der Hochschule für Musik in Rostock ausgewählt, um den Studierenden der Gesangs- und Instrumentalklassen die Möglichkeit zu geben, praktische Erfahrungen zu sammeln, was alles dazugehört, eine Produktion von der Pike auf zur Bühne zu bringen. Praxis pur. Um allen Studierenden eine Auftrittsmöglichkeit zu geben, sind sechs Aufführungen mit zwei Besetzungen angesetzt – ein ambitioniertes Projekt für die Hochschule.

Die Handlung von Rinaldo basiert lose auf Torquato Tassos Gerusalemme Liberata in der Zeit des Ersten Kreuzzuges. Der adelige Ritter Rinaldo will seine geliebte Almirena, Tochter des Feldherren Goffredo, heiraten. Zuvor muss er sich aber beweisen, indem er an der Belagerung von Jerusalem teilnimmt, die von seinem Schwiegervater in spe geleitet wird. Armida, Königin von Damaskus, will aber verhindern, dass die Bewohner der Stadt sich zum Christentum von Goffredo bekehren lassen. Es finden allerlei Zaubereien, Entführungen, Verwirrungen und Verwechslungen statt, bevor es zum Happy End kommt und die Paare sich finden. In der Rostocker Fassung ist das Ende an unsere heutigen Tage angelehnt – alle Integrationsmaßnahmen sind erfolgreich.

POINTS OF HONOR

Musik



Gesang



Regie



Bühne



Publikum



Chat-Faktor



Jasmin Solfaghari, die auch für die Ausstattung und Lichtregie verantwortlich zeichnet, macht das Beste aus einem Mini-Budget in einer sehr ansprechenden Kulisse: Das Foyer des ehemaligen Katharinenklosters ist mit seinen hohen Decken und dem offenen Ziegelwerk der ideale Raum für ein Stück, das in der frühen christlichen Zeit stattfinden soll. Da braucht es nur noch gute Einfälle, die Solfaghari auch zuhauf hat: Kleine Orientteppiche und einige Stühle, um die Atmosphäre des Orients zu zaubern, lange Seidenbahnen, die die lieblichen Winde darstellen und anschließend Räume trennen. Ihre ausgeprägte atmosphärische Lichtregie geht Hand in Hand mit den Emotionen, die besungen werden.

Foto © Mirco Dalchow

Auch wenn sie „nur“ Studierende der Gesangs- und Instrumentalklassen der Hochschule für Musik Rostock sind, werden sie so sorgfältig musikalisch von Christian Hammer und szenisch von Jasmin Solfaraghi geführt, dass sie hier genannt werden sollen:  Yumi Tatsumiya ist eine Rinaldo, die keine Scheue hat, ihre Ergriffenheit als junger Ritter zu zeigen – zerrissen zwischen seiner Pflicht als Ritter und seiner Liebe zu Almirena, hier von Sopran Friederike Kühl grazil verkörpert. Ihr Vater, der Feldherr Goffredo, wird von Mezzo Alina Behning und ihr Bruder Eustazio von Annika Sofia Westlund dargestellt – beide Hosenrollen vielleicht noch etwas ungewohnt für die jungen Sänger. Händel wusste schon vor 300 Jahren, dass das Anderssein das „Salz in der Suppe“ ergibt – auch gesellschaftspolitisch. In diesem Werk sind es der Bariton Jaehwan Shim als König Argante von Jerusalem und Armida, Zauberin und Königin von Damaskus, die von Jinjoo Kwak interpretiert wird. Beide Sänger verstehen ihre Rollen und kosten die vielen Regiedetails voll aus, zur großen Freude des Publikums. Dritter in diesem Bund ist der christliche Zauberer, hier von Shinhyung Kim mit großer Bühnenpräsenz verkörpert.

Selbst Nebenrollen wie die Damen, Sirenen und Gefolge sind als bewusste Persönlichkeiten gezeichnet und unterstreichen die personenbezogene Arbeit der Regisseurin an allen Rollen.

Dirigent Christian Hammer trägt seinen Teil zum Erfolg der Produktion bei, indem er das Kammerorchester präzise und transparent führt, allen voran soll Minsang Cho am Cembalo erwähnt werden. Durchaus auch witzig die vielen Spezialtoneffekte, die mit einfachen Mitteln – wie beispielsweise das Donnerblech – kunstvoll eingesetzt werden.

Es lohnt also der Besuch der Produktionen an Musikhochschulen, wo Enthusiasmus, Neugier und Hingabe von den Mitwirkenden noch sehr authentisch und noch nicht von der Routine und Ausstattung eines Theateralltags überdeckt sind.

Zenaida des Aubris