Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
DEBUT UM 11
(Diverse Komponisten)
Besuch am
22. August 2021
(Einmalige Aufführung)
Veranstaltungen zur Förderung des Musiknachwuchses gibt es viele, wenn man nur allein an die zahlreichen Wettbewerbe denkt. Der Blick hinter die Kulissen zeigt dabei viel zu häufig, dass hier eigentlich andere Menschen viel Geld damit verdienen, dass sie Nachwuchsmusiker auftreten lassen. Der – vor allem nachhaltige – Nutzen für die jungen Leute hält sich dabei deutlich in Grenzen. Über solchen Verdacht erhaben zeigt sich der Verein Debut um 11 aus Recklinghausen. Seit 1992 veranstaltet der Verein die gleichnamige Konzertreihe, um junge Musiker im Alter von 8 bis 25 Jahren zu fördern. Dabei ist der Eintritt zu den jeweiligen Konzerten kostenlos. Der Verein arbeitet auf Spendenbasis. Und nach Abzug der Kosten werden die Spenden als Honorar an die Künstler ausgezahlt. Ein System, dass offenbar auch die Unterstützer des Vereins überzeugt, auch wenn der Begriff der Spende sicher diskutabel ist. Schließlich werden hier nicht irgendwelche notleidenden Menschen mit Geld versorgt, sondern junge Menschen auf ihrem Ausbildungsweg gefördert. Aber solange das System funktioniert, ist es in Ordnung.
Foto © O-Ton
Und endlich zeitigt die Hysterie der Pandemie-Restriktionen auch einmal etwas Gutes. Denn eigentlich findet Debut um 11, wie der Name sagt, am Sonntagmorgen um elf Uhr statt. Seit 2010 regelmäßig im Kassiopeia-Saal des Recklinghäuser Festspielhauses. Der Saal ist so groß, dass man dort vermutlich an 30 Tagen im Monat Partys veranstalten könnte, ohne irgendeine nennenswerte Aerosolverdichtung zu erreichen. Trotzdem gibt es dort eine Sitzplatzbeschränkung. Gerade mal 90 Personen dürfen am Konzert teilnehmen. Also hat der Verein ein zweites Konzert eingerichtet, das nachmittags mit gleichem Programm stattfindet. Endlich also wieder eine der heißgeliebten Sonntagnachmittagsveranstaltungen. Für die Organisatoren bedeutet das einen kaum zu bewältigenden Mehraufwand, den sie aber dankenswerterweise in Kauf nehmen.
Rainer Maria Klaas ist Konzertpianist und Dozent an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf wie am Orchesterzentrum Dortmund. Als Berater des Vereins ist er für die Auswahl der Nachwuchsmusiker zuständig, moderiert die Programme und steht den Interpreten auch als Kammermusikpartner zur Verfügung. Mit einem Publikum, das den Eindruck erweckt, seit vielen Jahren einen eingeschworenen Kreis zu bilden, entsteht so ein Mikrokosmos – der mehr Beachtung verdient, wie das Programm dieses Nachmittags zeigt.
Drei Mal ist der Auftritt des Baritons Konstantin Paganetti pandemiebedingt verschoben worden. Endlich steht der junge Mann, der in Köln bei Christoph Prégardien studiert hat, auf der Bühne in Recklinghausen. Mit ungewöhnlich hellem Bariton interpretiert er zur Klavierbegleitung von Klaas den Liederkreis von Robert Schumann, der zwölf Vertonungen von Gedichten Joseph von Eichendorffs umfasst. Eine angenehme Stimme, die bei Unachtsamkeit zum Näseln tendiert, aber wortverständlich und mit überzeugender Erzählstruktur gewinnt. Der Auftritt im eleganten, grauen Frack mit Weste wirkt selbstbewusst, ohne die Bodenhaftung zu verlieren. Ja, er erzählt glaubhaft und gewinnt so die Herzen der Hörer. Die Zusammenarbeit mit Klaas funktioniert reibungslos.
Foto © O-Ton
Klaas genießt seine Moderationen, trägt gelassen vor, das gefällt. Auch wenn die wiederholten Bemerkungen, dass er keine Vorlesung in Musikwissenschaften halten wolle, eigentlich überflüssig sind. Denn was er zu erzählen hat, bleibt in musikwissenschaftlichen Vorlesungen häufig außen vor und ist durchaus auch für das Publikum interessant. Wie etwa seine Anmerkungen zum Violinkonzert in D-Dur von Erich Wolfgang Korngold, der nach seiner Emigration nach Nordamerika mit seinen filmmusikalischen Kompositionen Erfolg hatte. Und so hat auch der dritte Satz des Violinkonzerts in die Filmmusik Eingang gefunden. Eigentlich ist das Violinkonzert für Violine und Orchester vorgesehen, aber Korngold selbst hat eine Fassung für Violine und Klavier arrangiert.
Das Werk wird von Elena Klaas vorgetragen. Bereits Anfang 2017 ist die 2001 in Recklinghausen geborene Violinistin in Debut um 11 aufgetreten. Während des Studiums an der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf hat sie im Landesjugendorchester NRW gespielt. Ob sie ihre musikalische Karriere weiterverfolgen wird, muss man sehen. Denn im vergangenen Jahr hat sie ihr Studium der Humanmedizin in Düsseldorf aufgenommen. Umso wertvoller ist ihr Auftritt hier im Festspielhaus. Irritierend ist, dass sie sich nicht vor den Flügel, sondern vor die Pianistin stellt. Da ist von Jay Wang und ihrer wohlakzentuierten, sehr eleganten Arbeit wenig zu sehen. Höchst bedauerlich und nicht durchdacht. Klaas selbst gefällt mit virtuosem Vortrag und Potenzial nach oben.
Zum Abschluss dieses wunderbaren Nachmittags hat Klaas ein Lied in einer ungewöhnlichen Kombination gefunden. Von Louis Spohr gibt es mit Der Tag hat sich zur Ruh gelegt ein Lied für Stimme, Violine und Klavier, eine eher seltene Kombination. Er widmet den Vortrag einem kürzlich verstorbenen Freund. Hier dürfen sich Elena Klaas und Konstantin Paganetti noch einmal zur Klavierbegleitung von Rainer Maria Klaas von ihrer besten Seite präsentieren.
Nach begeistertem Beifall gibt es dank eines Sponsors noch einen Umtrunk mit Imbiss, bei dem das Publikum, wie bei Debut um 11 üblich, Gelegenheit bekommt, das Gespräch mit den Künstlern zu suchen. Das nächste Konzert ist am 24. Oktober vorgesehen. Dann hoffentlich auch wieder nachmittags.
Michael S. Zerban