O-Ton

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Foto © Stefan Gloede

Aktuelle Aufführungen

Französischer Barock in Bestform

DAVID ET JONATHAS
(Marc-Antoine Charpentier)

Besuch am
16. Juni 2023
(Premiere)

 

Musikfestspiele Potsdam Sanssouci, Erlöserkirche

Die Franzosen können das einfach – das ist in diesem Fall sowohl eine Oper aus dem Jahr 1688 wie auch die Inszenierung samt Kostümen und Bühnenbild. Kein Wunder auch … es handelt sich um eine Koproduktion mit der Opéra Royal/Château de Versailles Spectacles mit den Musikfestspielen Potsdam Sanssouci.

David et Jonathas ist eine fünfaktige Oper von Marc-Antoine Charpentier, einem der führenden Komponisten im barocken Frankreich. Mit einem Libretto von François de Paule Bretonneau basiert sie auf der biblischen Geschichte von David und Jonathan aus dem ersten Buch Samuel in der Bibel. Übrigens hatte sich auch Georg Friedrich Händel dieses Thema für sein Oratorium Saul ausgesucht.

Die Geschichte handelt von der tiefen Freundschaft zwischen David, dem späteren König von Israel, und Jonathan, dem Sohn des derzeitigen Königs Saul.  David ist ein Gefangener am Hof von König Saul. Sauls Sohn Jonathan fühlt sich zu David hingezogen und die beiden werden Freunde. Saul ist misstrauisch gegenüber der wachsenden Beziehung zwischen den beiden und glaubt, David wolle seine Macht ergreifen. Jonathan schwört David, trotz Sauls Bedenken, seine Freundschaft und Loyalität. Unterdessen prophezeit eine Zauberin – hier Phythonisse genannt – Sauls Tod und Davids Aufstieg zur Macht. Saul versucht, David zu töten, aber Jonathan rettet seinen Freund und lässt ihn fliehen. Saul ist wütend auf seinen Sohn und befiehlt ihm, David zu verfolgen und zu töten. David ist in der Wüste versteckt, und Jonathan kommt, um ihn zu suchen. Sie bekräftigen ihre Freundschaft, und Jonathan verspricht, David zu beschützen. Saul und Jonathan sterben im Kampf. David trauert um seinen Freund und nimmt seinen Platz als König von Israel ein. Er verspricht, Jonathans Tod zu rächen, indem er ein guter König für sein Volk wird.

Regisseur Marshall Pynkoski setzt seine Regie feinfühlig in die Entstehungszeit und unterstreicht die rituelle Ordnung und Sinn für Feierlichkeit und Pomp, die große Teile des Werks durchdringen. Dabei wird er von der historisch versierten Choreografie von Jeannette Lajeunesse Zingg unterstüzt, die versteht, dass hier die Tänze nicht nur dekorative Staffage, sondern Teil der Handlung sind und die Geschichte voranbringen. Durch Charpentiers kraftvolle Rhythmen und fließende melodische Linien ergeben sich auf ganz natürliche Weise Chaconne, Bourée, Gigue und Menuett der Choreografin, die von den wunderbaren Tänzern des Ballet de l’Opéra Royal du Château de Versailles ausgeführt werden.

Sowohl die Tänzer wie auch die Solisten sehen in ihren raffinierten Kostümen, die alle auf den historischen Vorlagen des französischen Barocks in der Zeit des Sonnenkönigs Louis XIV und hier von dem weltberühmten Haute-Couture-Modedesigner Christian Lacroix interpretiert werden, bezaubernd aus. Das schlichte Bühnenbild – ein stilisierter Turm mit Empore, zu dem links und rechts Treppen führen, und ein langer, roter Baldachin von Antoine und Roland Fontaine, der unterschiedlich eingesetzt wird, fügt sich nahtlos in den schönen neogotischen Ziegelbau der Erlöserkirche, die mit einer hervorragenden Akustik zum Hörgenuss beiträgt.

Höchsten Hörgenuss bietet allen voran der David von Countertenor David Tricou. Intonationssicher, warm und kernig verkörpert er einen David, dem die menschlichen Beziehungen wichtiger sind als die politische Macht. Sein Freund Jonathan ist ebenso überzeugend mit der Sopranistin Caroline Arnaud besetzt. Bariton David Witczak verkörpert seinen Vater, König Saul, der im Laufe des Abends seine royale Würde verliert und von Hass- und Zweifeln zerrissen wird. Auch die Nebenrollen sind hervorragend besetzt: Tenor François-Olivier Jean als Wahrsagerin ist eine furchteinflößende Figur dank des opulenten, ja fast grotesken Kostüms. Tenor Antonin Rondepierre ist Joabel, der intrigante Oberbefehlshaber der philistinischen Truppen, der mit einer fast winselnden Tonart und dazugehörigen Körpersprache David zum Krieg anstachelt. Als Gegenpart ist Achis, von Bass Cyril Costanzo mit großer Würde gesungen, der für Frieden plädiert. Auch Bass Nicolas Certenais bleibt bei dramatischen Tiefen in seiner Rolle als Schatten Samuels aus der Hölle kommend, um Saul das Fürchten zu lehren.

Charpentiers Musik verleiht der Geschichte emotionalen Reichtum und Tiefe wie auch feine Charakterzeichnung und stellt sie in einer Reihe von dramatischen Arien und Chören dar. Sie thematisiert das Konfliktpotenzial von Liebe, Freundschaft, Loyalität und politischer Macht. Die Oper endet mit einer leidenschaftlichen Klage Davids über Jonathans Tod, die ihre unerschütterliche Freundschaft und Liebe zueinander unterstreicht. Die vielen, diversen Facetten werden von dem Chor und Orchester des französischen Ensembles Marguerite Louise von seinem Gründer und Leiter, Gaétan Jarry, fein ausgearbeitet. Charpentier, der lange im Schatten des damals herrschenden Hofkapellmeisters, Jean-Baptiste Lully, ausharren musste, ist ein Komponist, von dem man mehr hören will. Jarry bringt die vielen Klangfarben mit einer feinfühligen Frische und Tempi zum Leuchten, die alles andere als langweilig sind. Zufällig bricht ein Gewitter mit Donner und Blitz mitten in einer Schlachtenszene aus, das passt atmosphärisch genau dazu.

Auch diese zweite Oper im Programm der diesjährigen Musikfestspiele Potsdam Sanssouci wird frenetisch vom Publikum im fast völlig ausverkauften Saal gefeiert.

Zenaida des Aubris