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Aktuelle Aufführungen
HÄNSEL UND GRETEL
(Engelbert Humperdinck)
Besuch am
26. Dezember 2023
(Premiere am 6. Dezember 2015)
Weihnachtszeit: Familien- und Erkältungszeit! Deshalb verwundert die Ansage vor der Vorstellung nicht: Zwei Darsteller müssen ersetzt werden. Zum Glück kann man in Oldenburg zumindest bei der Besetzung der Gretel mit Martha Eason auf eine Sängerin zurückgreifen, die das Stück hier schon gesungen hat. Julia Rustiliagno springt als Mutter Gertrud ein.
Es ist immer wieder spannend, wie eine Inszenierung des Märchens ausfällt, verschiedenste Ansätze werden hier und da probiert. In Oldenburg hat Regisseur Michael Moxham die Aussagen der Gretel zum Regiekonzept geweitet. „Wo bin ich? Ist es ein Traum“, fragt sie sich, als sich das Taumännchen verabschiedet. Deshalb wird das Geschehen, sobald die beiden Kinder das Haus verlassen, mit Traumbildern interpretiert und entsprechend ausstaffiert. Das erschließt sich nicht einfach so. Regieassistent Nils Braun vom Staatstheater Oldenburg steht in der Pause freundlicherweise für Fragen bereit und erläutert das Treiben auf der Bühne. Denn die Engel, die in verschiedensten, durchaus fantasievollen Kostümen von Jason Southgate, der auch die Bühne konzipiert hat, daherkommen, zum Teil in Uniformen, mit Napoleons petit chapeau und in verschiedensten anderen Verkleidungen, meist mit Kopfbedeckungen oder Krönchen, erschließen sich dem Zuschauer zunächst nicht. Sie sollen alle Figuren darstellen, die Gretel in ihrem Leben schon einmal begegnet sind und die nun in ihrem Traum wieder auftauchen. Ebenso wie Gegenstände, die sich im Traum wiederholen. So kommt eine Leiter aus dem Haus der Familie in vergrößerter Form wieder bei den Engeln als Himmelsleiter vor, der Schrank von Zuhause steht auch im Wald – eine Vermischung der Welten. Ganz schlüssig ist das Ganze nicht, aber wer will denn hier beckmesserisch den Bleistift schwingen? Farbenfreudig, fantasievoll, lebendig und, wenn die Hexe kommt, etwas gruselig, aber sehr lustig, mit gutem Ende, so soll Hänsel und Gretel sein. Und das schaffen sie in Oldenburg.
Foto © Stephan Walzl
Die Bühne von Southgate umkränzt das Geschehen immer durch zwei Holzgerüste, so als blicke man durch Rahmen in eine andere Welt. Und die ist mit den wichtigsten Versatzstücken kindgerecht eingerichtet, es gibt einen Wald, ein Hexenhaus und es gibt die Engel, was ja heutzutage nicht unbedingt überall so ist. Lustig wirkt die Szene, als die Hexe mit einer Angel auf dem Schrank den Kindern ein kleines Hexenhaus vor die Nase hält, und das echte Haus parallel dazu hoch- und niederschwebt. Kleinigkeiten, die Spaß machen.
Martha Eason als Gretel besitzt einen fülligen Sopran und gibt bei guter Höhe auch schauspielerisch eine lebendige Gretel. Marie-Sophie Janke vom Opernstudio des Theaters bringt einen wunderbar burschikosen Hänsel auf die Bühne, tapsig und frech. Dazu kann sie mit einer prächtigen Mezzostimme aufwarten, die viele Farben besitzt und die man gerne auch in einem Liederabend hörte. Kräftig und durchsetzungsfähig, dabei weich und geschmeidig, eine wunderbare junge Sängerin! Julia Rustiliagno als Gertrud hat die erforderliche Kraft für die Rolle und liefert trotz Einspringens mit dem Besenbinder eine spielerisch anspruchsvolle Szene im Haus ab. Kammersänger Paul Brady spielt den Vater mit vollem Einsatz und überzeugend, kann aber an diesem Abend stimmlich sein übliches Niveau nicht halten – Erkältungszeit eben. Die lyrische Sopranistin Julia Wagner macht mit ihrer hellen und klaren Stimme aus Sand- und Taumännchen kleine Preziosen und verleiht besonders dem Taumännchen besonderen Charme, was auch das verspielte Kostüm unterstreicht.
Foto © Stephan Walzl
Aber was wäre Hänsel und Gretel ohne eine fulminante Hexe! Melanie Lang verkörpert sie mit Verve. Mit großartiger Maske ständig in Bewegung setzt sie ihren beweglichen und wandlungsfähigen Mezzo vielseitig ein und schafft es bis zum Applaus kaum, ruhig zu halten. Sie bereichert die Aufführung durch ihre Freude am Spiel ungemein.
Dirigent Giuseppe Barile achtet sehr gut auf die Sänger und nimmt sein Instrumentarium immer wieder zurück. Man wünschte sich manche Stellen etwas differenzierter, durchhörbarer, gesamt gesehen schafft aber auch er im Orchestergraben farbige Stimmungen.
Der Kinder- und Jugendchor des Staatstheaters Oldenburg, einstudiert von Silvia Knollenbach und Felix Pätzold, macht seine Sache sehr gut, und das augenscheinlich ohne die Hilfe von „eingeschmuggelten“ älteren Sängerinnen, wie das so manchmal der Fall ist.
Insgesamt eine erfrischende, kindgerechte Aufführung, die ihre Dernière nun hinter sich hat. Es wäre wünschenswert, sie in die nächste Spielzeit zu übernehmen, vielleicht mit kleinen Glättungen.
Jutta Schwegler