O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Michael Zerban

Aktuelle Aufführungen

Rauschende Gala

SOMMERNACHTSTRAUM
(Diverse Komponisten)

Besuch am
27. Juni 2025
(Einmalige Aufführung)

 

Deutsche Kammerakademie Neuss, Rosengarten, Neuss

Punxsutawney heißt in Deutschland Neuss und der Groundhog Day Klassiknacht im Rosengarten. Schon am Morgen die kribbelnde Ungewissheit, ob man auf dem Parkplatz an der Stadthalle noch unterkommt. Egal, wie viele Besucher, hat man da ja immer noch irgendwo seinen Wagen abstellen können. Das hatte was, gehörte mit zum Spiel. In diesem Jahr ist Schluss mit lustig. Die Schranke vor dem halbleeren Parkplatz bleibt unten. Welch ein genialer Schachzug der Stadt Neuss. Gäste von außerhalb irren nun im Auto durch die Gegend, um irgendwo einen Parkplatz zu finden. So viel zum Thema Umweltschutz. Denken wird immer mehr zur Glückssache.

Auf dem Weg zur Bühne legt sich die Wut, wenn man an annähernd 5.000 Menschen vorbeikommt, die es sich im Rosengarten bequem machen. Darunter viele Kopftücher. Der Klassiknacht im Rosengarten gelingt offenbar, was Theater und Konzertsäle nicht schaffen. Hier fühlt sich die ganze Stadtgesellschaft angesprochen. Großartig. Indem das in der Stadthalle ansässige Hotel in diesem Jahr zusätzlich als Förderer gewonnen werden konnte, können die Besucherflächen erweitert werden. Auch das Geldinstitut der Stadt konnte in diesem Jahr als Geldgeber gewonnen werden, so dass keine Abstriche in der Aufführung gemacht werden müssen und alles weiterlaufen kann wie bisher.

Christoph Koncz und Daniel Finkernagel – Foto © Michael Zerban

Schaut man sich seinen Terminkalender an, dürfen die Neusser sich doppelt glücklich schätzen, dass der Chefdirigent der Deutschen Kammerakademie, Christoph Koncz, überhaupt noch Zeit findet, nach Neuss zu kommen. 1987 als jüngster Sohn einer österreichisch-ungarischen Musikerfamilie in Konstanz geboren, erhielt Koncz im Alter von vier Jahren seinen ersten Violinunterricht. Bereits zwei Jahre später wurde er an die Wiener Musikuniversität aufgenommen, wo er 2005 zusätzlich sein Dirigierstudium bei Mark Stringer begann. Meisterkurse bei Daniel Barenboim, Daniel Harding und David Zinman ergänzten seine künstlerische Ausbildung. Mittlerweile führen ihn seine Auftritte durch Deutschland, Frankreich, Schweden, Österreich bis nach Cleveland in Amerika. Für die Klassiknacht im Rosengarten allerdings findet er immer noch Zeit. Entsprechend euphorisch wird er ebenso wie die Deutsche Kammerakademie in großer Besetzung vom Publikum begrüßt.

Gleich zu Beginn wird es feierlich, wenn die Musiker Felix Mendelsohn Bartholdys Hochzeitsmarsch aus Ein Sommernachtstraum schmettern. Eine gute Gelegenheit für Daniel Finkernagel, der auch in diesem Jahr wieder durch das Programm führt, mit Geschichten und Anekdoten zu glänzen, die beim Publikum immer wieder für Lacher sorgen. Und gutgelaunt geht es gleich weiter zu Otto Nicolais Ouvertüre zu Die lustigen Weiber von Windsor. Das Thema Shakespeare bleibt auf dem Tisch mit der Suite aus der Bühnenmusik zu Hamlet von Dmitri Schostakowitsch, die mit ihren drei Teilen – Einleitung, Tusch und Tanzmusik und Die Jagd – bei dem einen oder anderen Besucher für Irritation sorgt, so dass gern mal verfrüht geklatscht wird. Vor der Pause trägt Finkernagel noch einen längeren Exkurs über die Balkonszene bei Romeo und Julia und seine Erkenntnisse daraus vor, ehe Pjotr Tschaikowskys Fantasie-Ouvertüre Romeo und Julia erklingt.

Rund 5.000 Besucher beleben den Rosengarten – Foto © Michael Zerban

Kenner der Klassiknacht im Rosengarten wissen zu berichten, dass es in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten nur ein einziges Mal geregnet habe. Und auch dieser Abend mit lauen 22 Grad wird die Regel nicht brechen. Da bleibt die Laune bestens. Auch das Stück, mit dem die Deutsche Kammerakademie nach der Pause fortfährt, ist den Anhängern der Klassiknacht im Rosengarten inzwischen bestens bekannt. Die Fanfare für Neuss hat Christoph Koncz‘ Bruder Stephan im Auftrag des Schützenvereins komponiert, was Finkernagel ausdrücklich zu betonen weiß und das Publikum ausgiebig würdigt. Und damit nimmt auch musikalisch die Tradition allmählich Fahrt auf. Doch zunächst wird es dramatisch, wenn Auszüge aus der Ballettmusik Giuseppe Verdis zu Macbeth und Gioachino Rossinis Ouvertüre zu Otello aufleuchten und in der zunehmenden Dunkelheit funkeln.

Mit der Ouvertüre aus Ein Sommernachtstraum von Mendelssohn Bartholdy schließt sich der Kreis der klassischen Musik. Herrlich beschließen Auszüge aus der West Side Story von Leonard Bernstein, ehe das Ritual seinen Lauf nimmt. Als Zugabe gibt es Unter Donner und Blitz von Johann Strauß junior und Edward Elgars Pomp and Circumstances March No. 1 bildet den Hintergrund für das kleine Feuerwerk, das vor der Bühne gezündet wird. Wie schön, dass sich die Ente mit ihrem Nachwuchs rechtzeitig aus dem Wassergraben verzogen hat, wo sie bei vielen Besuchern den Abend über für Entzücken sorgte. So textsicher wie bei der Night of the Proms im Londoner Hyde Park zeigt sich das Publikum im Rosengarten bei Land of Hope and Glory zwar nicht, aber die Begeisterung und der Dank fallen mindestens ebenso groß aus.

Am Ende des Abends fühlt man sich schon ein bisschen wie Bill Murray. Das Wunderbare daran: Der Film geht gut aus. Und in Neuss steht jetzt schon fest, dass es auch im kommenden Jahr wieder eine Klassiknacht im Rosengarten geben wird.

Michael S. Zerban