O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Aktuelle Aufführungen

Sommerparty

ACOUSTIC CONCERTS
(Rasgarasga)

Besuch am
8. August 2020
(Premiere)

 

 

Es wird ein im doppelten Wortsinn heißer Abend an diesem Samstag im Kulturgarten. Die Temperaturen dürften noch deutlich über 30 °C liegen. So kann eine Sommerparty am frühen Abend beginnen. Spielort ist der Führring der Galopprennbahn Neuss, aus dem kurzerhand eine Freiluftbühne entstanden ist. Auf der Längsseite der rechteckigen Fläche, die dazu diente, dem Publikum die Pferde vor dem Rennen aus der Nähe zu zeigen, ist eine Bühne in den abschließenden Waldsaum gebaut. Davor bieten Liegestühle und Bierbänke Sitzgelegenheiten für 92 Besucher. Wer sitzen will, entrichtet einen kleinen Obolus. Auf die Idee vor dem Zaun stehen zu bleiben, von wo aus Sicht und Klang genauso gut sind, kommt zu Recht keiner. Das lauschige Rund ist nahezu vollbesetzt.

Rebekka Ziegler und Felix Kuthe – Foto © O-Ton

Für die Band, die auf die Bühne stürmt, hat die Party schon lange begonnen. Kennengelernt haben die sechs Freunde sich nämlich schon in der Schule. 2007 gründeten sie die Band Rasgarasga, gerade noch, ehe sie sich in alle Himmelsrichtungen zerstreuten, um nach dem Abitur das Studium zu absolvieren. Aber die Band blieb immer Thema. Und so trafen sie sich schließlich alle in Köln wieder, um über ein halbes Jahr zu überlegen, wie es weitergehen soll. Als Ergebnis blieben drei der sechs Musiker gleich in Köln wohnen und 2018 erschien das dritte Album Hafen Fleur, mit dem sie endlich ihre musikalische Richtung festlegten. Ihr Anspruch ist, sich in keiner Richtung festzulegen. Alle Genres von Jazz über Klassik, Balkan, Pop, Rock bis zu spanischer Folklore sind erlaubt. Und das funktioniert wunderbar, weil sie ihre Lieder selbst und gemeinsam komponieren und arrangieren. Erst wenn die Band entschieden hat, dass ein Lied fertig ist, wird es für die Bühne freigegeben. Als zusätzliches Instrument wirkt dabei die Sprache mit. Also, die Sprachen. Spanisch, französisch, deutsch, englisch bis hin zur selbst entwickelten Kunstsprache sind dabei erlaubt, so lange die Sprache zum jeweiligen Lied passt. Wobei passen auch heißt: den nötigen Kontrast zu bilden. Rasgarasga liebt Kontraste. Deshalb, verrät Bassist und Sänger Gregor Brändle, wird auf der inzwischen geplanten neuen CD auch mehr Melancholisches zu hören sein. Das ermöglicht einen dramaturgisch spannenderen Aufbau eines Konzerts, sekundiert Schlagzeuger Felix Kuthe.

Jonas Krause – Foto © O-Ton

Wie jetzt in Neuss gibt es in erster Linie Party-Stimmung, wenn Jonas Krause, der ebenfalls singt und die Posaune beherrscht, nicht zur Geige greift, um ruhigere Töne einfließen zu lassen. Das kommt nicht allzu oft vor. Benjamin Fischer treibt mit E-Gitarre, Banjo und Gitarre das Tempo an und bekommt dabei tatkräftige Unterstützung von Lukas Fischer an Trompete, Bass-Posaune und Bellfront. Für die leise Sehnsucht, die zwischen voluminösen Klangbildern immer wieder aufblitzt, sorgt Rebekka Ziegler mit ihrem Gesang und vor allem am Akkordeon, wenn sie nicht gerade mal wieder wie ein wilder Derwisch über die Bühne tanzt. Es herrscht einfach Tempo und gute Laune, und das wissen die Gäste auch an diesem Abend zu schätzen. Wer darin auch den Kampf gegen die Krisenstimmung im Lande sieht, liegt sicher nicht ganz falsch. Und so kann man getrost mehr als eine Stunde lang alle Beschwernisse dieser Zeit vergessen. Auch wenn ausgelassenes Tanzen im Abstandskonzept des Kulturgartens nicht vorgesehen ist.

Mit ihrer ungewöhnlichen Musikmischung setzen die Band-Mitglieder einen weiteren Höhepunkt im Geschehen dieses Festivals. Und da war es die richtige Entscheidung, gleich ein Doppelkonzert anzuberaumen, auch wenn das die Musiker an ihre Grenzen treiben dürfte, denn für jeden einzelnen ist das Bühnenprogramm bei diesen Temperaturen mehr als Hochleistungssport. Ihrer Laune ist das nicht anzumerken. Die Freude, und daraus macht auch Benedikt Fischer keinen Hehl, wenn er das Publikum begrüßt, wieder auf der Bühne stehen zu dürfen, überwiegt eindeutig. Das hört man in diesen Tagen bei nahezu jeder Aufführung, aber hier klingt es doch noch einen Tick überzeugender.

Als nach einer Zugabe der musikalische Wirbelsturm vorübergezogen ist, sparen die Gäste nicht mit Applaus – und nicht wenige bleiben einfach sitzen, um sich das kurz darauf beginnende Konzert mit identischem Programm einfach noch mal anzuhören.

Michael S. Zerban