O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Aktuelle Aufführungen

Do legst di nieda

OPERN AUF BAYRISCH
(Paul Schallweg, Friedrich Meyer, Rolf Wilhelm)

Besuch am
19. Juli 2023
(Premiere 1985)

 

Gärtnerplatztheater München

Am Gärtnerplatztheater in München gab es am vergangenen Mittwoch einen Opernabend der ganz besonderen Art. Opern auf Bayrisch stand auf dem Programmzettel, und gleich drei allseits bekannte Opern sollen präsentiert werden. Aber natürlich nicht im Original, sondern als Erzählung in bayrischer Mundart mit musikalischer Begleitung. Hört sich interessant an, aber kann so was funktionieren? Es kann, und wie. Zum Niederknien herrlich, oder wie der Bayer sagen würde: „Do legst di nieda“. Was ist das Erfolgsrezept dieser Reihe, die es immerhin schon seit 1985 gibt? Man nehme eine ausführliche Zusammenfassung einer Oper, übersetze sie in tiefstes bajuwarisch, und verlege die Geschichte nach Oberbayern. Man nehme drei bekannte bayrische Volksschauspieler, ein Bläserensemble mit Zither und einen wahren Perkussionskünstler, und „da Omd konn ofangn“.

Die Texte für die Opern auf Bayrisch schrieb der Münchner Autor Paul Schallweg, der den Inhalt beliebter Opern in originelle Mundartverse gegossen hat. Die Szenerie der Opern wird dabei meist in hiesige Gefilde verlegt, so dass der Der fliagade Holländer seine Abenteuer nicht vor der rauen Küste Norwegens, sondern auf dem Starnberger See erlebt. Es entstanden eine Vielzahl von bayrischen Opernparodien, darunter Die Meistersinger von Miesbach, Der Lohengrin von Wolfratshausen, Die Zauberflöte – oder das Wunder vom Königssee oder Der Ring in einem Aufwasch – frei nach Richard Wagners Ring des Nibelungen. Die Musik zu den Opern auf Bayrisch stammt aus der Feder von Friedrich Meyer und Rolf Wilhelm, die das Opern-Original nie aus den Augen lassen, jedoch auf sehr charmante Weise auch alpenländische und bajuwarische Klänge mit in die Kompositionen einfließen lassen. So vermischt sich nicht selten ein bayrischer Zwiefacher mit berühmten Opernarien, oder der Triumphmarsch aus Aida verschmilzt auf amüsante Art und Weise mit dem Gassenhauer Ja, mir san mit’m Radl da.

Über Paul Schallweg findet sich das folgende Zitat von August Everding: „Sein Name war Programm. Nicht Schall und Rauch, sondern Schall und Weg“. Insgesamt hat Schallweg 26 Opern in bayrischer Mundart verfasst, von denen in unterschiedlichsten Kombinationen meist drei an einem Abend aufgeführt werden. Allein sein Ring in einem Aufwasch, selbstverständlich ebenfalls ins Bayrische Land verlegt, wurde in den 1980-er Jahren über 100 Mal im Münchner Prinzregententheater aufgeführt. Seit vielen Jahren ist das Ensemble mehrmals pro Spielzeit im Münchner Gärtnerplatztheater und im Prinzregententheater zu Gast. Das Ensemble wurde 1985 gegründet und ursprünglich nur für eine einzige Faschingsvorstellung im Münchner Volkstheater zusammengestellt. Der Bayerische Rundfunk hatte diese Vorstellung damals aufgezeichnet und übertragen, und es war ein solch großer Erfolg, dass in den folgenden Jahren bis heute über 300 Folgevorstellungen mit unterschiedlichsten Programmen stattgefunden haben. In den vergangenen 30 Jahren haben viele bekannte bayerische Volksschauspieler im Ensemble Opern auf Bayrisch mitgewirkt.

Die Besetzung des heutigen Ensembles besteht aus den drei bekannten bayerischen Schauspielern Gerd Anthoff, Conny Glogger und Michael Lerchenberg, dem Perkussionisten Philipp Jungk sowie dem Musikensemble Opern auf Bayrisch, allesamt Mitglieder großer Münchner Orchester, unter der Leitung des Dirigenten Andreas Kowalewitz. Das Ensemble, natürlich in Tracht, ist auf der Bühne positioniert, seitlich hat Philipp Jungk ein unglaubliches Schlagwerk aufgebaut, einschließlich Nachttopf, Hupe, Luftpumpe, Pfanne mit Hammer, Rasseln, Kuhglocke, und und und. Gerd Anthoff und Conny Glogger sind vielen Fernsehzuschauern aus Serien wie Der Bulle von Tölz oder die Rosenheim-Cops bekannt. Michael Lerchenberg war über zehn Jahre als singender Schauspieler am Gärtnerplatztheater engagiert, bekannt geworden ist er als Edmund-Stoiber-Double beim Singspiel des alljährlichen Starkbieranstiches, dem sogenannten „Derblecken“, auf dem Nockherberg in München. Und diese drei Routiniers sind absolut eingespielt, denn seit vielen Jahren treten die drei als Ensemble gemeinsam auf. Sie sitzen an einem typischen Wirtshaustisch, die Bierkrüge dürfen da nicht fehlen. Und schon geht die Gaudi los. Als erstes steht die Aida oder „Das Liebesdrama am Nil“ vom Verdi Sepp auf dem Plan. Und Gerd Anthoff beginnt direkt mit einer Einführung in die Opern auf Bayrisch: „Bevor i ofang mit der Gschicht, möcht i no kurz was wissen lassn: Bei an bayerischen Gedicht muaß Sprach und Handlung z’sammapassn. Ob Prinzessin oder König, ganz wurscht, um was und wen es geht, ob mit vui Macht oder z’wenig, es werd alloa nur Bayrisch g’redt und deftig mitanand verfahrn, wenns sei muaß, mit an kloana Biss, gradaus zua und ohne Schmarrn, wias hoit in Bayern üblich ist.“  Und dieser klaren Ansage folgt ein über zweistündiges Feuerwerk deftigster bayrischer Mundart, bei der so manchem Zu’greisten der Mund weit offen stehen bleibt. Da hilft der Grundkurs „Bayrisch für Anfänger“ auch nicht mehr weiter. Anthoff, Glogger und Lerchenberg spielen sich herrlich komisch die Pointen zu, und die Aida ist nur noch schwer wiederzuerkennen. Das Musikerensemble spielt einen persiflierten Triumpfmarsch, zu dem Jungk neben dem Einsatz seiner diversen Schlaginstrumente auch einen veritablen Schuhplattler hinlegt, während das Musikensemble mal eben zur Bayernhymne abbiegt.

Es ist sprachlich wie musikalisch viel Klamauk, aber niemals albern oder unter der Gürtellinie. Deftiger bayrischer Humor vom Feinsten. Und das Lerchenberg das Singen nicht verlernt hat, beweist er mit der einzigen gesungenen Arie des Abends, eine bayrische Persiflage auf Celeste Aida. „Holde Aida, mir zittern die Glieda. Dei Liab macht mi bizzlad, i bin scho ganz hitzad, i brenn liachterloh! Holari, holaro“, lautet da eine Strophe. Lerchenberg trägt das auch noch so saukomisch vor, dass einfach kein Auge mehr trocken bleibt. Anthoff dagegen findet die Gesangskünste seines Kollegen nicht so prickelnd, prustet sein Bier aus und meint nur trocken: „’etz is des Bier saua gwordn“.

Zwischendurch hört man noch Anklänge an den Freischütz und diverse volkstümliche Melodien, und nach einer guten halben Stunde ist das bayrische Liebesdrama am Nil vorbei. Die drei haben sich jetzt gerade mal so richtig warmgespielt. Es folgen Die Meistersinger von Miesbach oder „Wia der Oberförster Stolz den Stadtschreiber Beck ausgstocha hat“. Die G‘schicht spielt um 1910, Beckmesser ist hier der Bezirksamtssekretär, Stolzing der Oberförster, die Meistersinger sind natürlich Stanzlsänger, und der große Hans Sachs ist der Heimatpfleger. Auch diese G‘schicht wird im Stile eines bayerischen Volkstheaters erzählt, und neben den bekannten Melodien aus der Oper erklingt auch schon mal ein Militärmarsch oder die Wilhelm-Tell-Ouvertüre.

Nach der Pause steht der nächste Wagner auf dem Programm, Der Lohengrin von Wolfratshausen oder „Weil d’ Weiber oiwei ois wißn müaßn“. Gerd Anthoff lässt es sich nicht nehmen, mit süffisantem Unterton darauf hinzuweisen, dass zur selben Zeit in der benachbarten Staatsoper im Rahmen der Opernfestspiele auch der Lohengrin läuft, aber über fünf Stunden, während das Publikum hier die Kurzfassung serviert bekommt. Diese G’schicht spielt vor etwa 200 Jahren, der alte Bauer ist gestorben, und hat seinen Hof seinem Sohn Gottfried vermacht, der nun die Elsa auszahlen muss. Doch Gottfried ist wohl in der Loisach ersoffen, und die Bauersleit, allen voran Telramund, beschuldigen Elsa, ihren Bruder ertränkt zu haben. Der Retter naht, nicht gezogen von einem wilden Schwan, sondern auf einem Floß daherkommend, im Jägergewand. Seine ersten Worte an Elsa: „I steh auf Di“. Jungk, der Perkussionist, hat sich passend zu dieser Szene eine Schwanenmaske mit Flügeln übergezogen, zu Treulich geführt jodelt und schuhplattlert er sehr zum Vergnügen des Publikums, während das Liebesduett von Lohengrin und Elsa auf der Zither gespielt wird, unter großem Jubel der übrigen Musiker.

Nach gut zwei Stunden ist das Programm vorbei, das Publikum im ausverkauftem Gärtnerplatztheater ist restlos begeistert. Es ist ein Programm, das sowohl Opernfans als auch Opernmuffel begeistert. Und es gibt noch eine Zugabe: Madame Batterflei oder „Wia a herzloser Ami a liabs kloans Japaner-Madl sitzn hat laßn“. Die Geschichte wird dann in einer nochmals gekürzten Version gegeben, was die Stimmung beim Publikum fast zum Überlaufen bringt.

Es ist ein herrlich komischer Abend, den man, auch wenn man vielleicht nicht jedes Wort versteht, einfach genießen kann. Gerd Anthoff, Conny Glogger und Michael Lerchenberg sind für dieses Genre einfach die Idealbesetzung, Philipp Jungk ist ein absolutes Multitalent an allen Dingen, die Krach machen, Andreas Kowalewitz leitet das Ensemble mit viel Witz und Charme, und die Musiker selbst haben erkennbar riesiges Vergnügen an diesem musikalischen Klamauk. Wer jetzt Lust bekommen hat, sich diese Kult-Gaudi einmal selbst anzuschauen, am 19. Oktober 2023 ist die nächste Vorstellung von Opern auf Bayrisch, dann mit den Werken Salome oder „Wia der Prophet Jochanaan verratn, versuacht und köpft worn is“, Rigoletto oder „Der Graf von Dachau“ und Tannhäuser oder „De Venus in der Kampenwand“. Vui Freid dabei.

Andreas H. Hölscher