O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Compagnia di Punto - Foto © O-Ton

Aktuelle Aufführungen

Fertig zur Aufnahme

UNTER FREUNDEN
(Compagnia di Punto)

Besuch am
28. August 2019
(Premiere)

 

Kulturvilla Mettmann

Die Vorfreude ist groß. Nachdem die Compagnia di Punto vor anderthalb Wochen mit einer großartigen Interpretation der Eroica die Besucher der Kulturvilla Mettmann von den Stühlen gehauen hatte, soll es am heutigen Abend wohl etwas gelassener zugehen. Denn hieß die Überschrift zuletzt Herrscher und Helden, ist man jetzt Unter Freunden. Und das ist ja wohl genau das Richtige nach einem langen Arbeitstag, der unter erschwerten Witterungsbedingungen stattgefunden hat. Erfreulich ist auch, dass der vergangene Konzertabend reflektiert wurde. Hier arbeitet offensichtlich ein Team, das noch nicht auf eingefahrenen Schienen läuft. An der Kasse gibt es heute einen Abendzettel, der von den Besuchern rege in Anspruch genommen wird. Bodo Herlyn, Miteigentümer der Kulturvilla und aufmerksamer Gastgeber, hat noch mehr Stühle in der Sichtachse des Kaminfoyers aufgestellt, die auch allesamt besetzt werden. Und Christian Binde, Hornist und Künstlerischer Leiter der Compagnia di Punto, greift die Begeisterung der letzten Einführung auf und veranstaltet spontan auch heute vor dem Konzert einen kleinen Exkurs in das 18. Jahrhundert, der nicht minder von Erfolg geprägt ist.

Es gehört zum künstlerischen Geschäft, dass Programme, ehe sie aufgenommen werden, vor Publikum erprobt werden. Was die Compagnia di Punto wohltuend von anderen Ensembles entscheidend, ist, dass sie einerseits die Sinfonien, die für die Aufnahme einer neuen CD vorgesehen sind, mit einem Beiprogramm versieht und viel wichtiger noch, individuell auf die Situation vor Ort eingeht. So wird jeder Verdacht auf „Missbrauch“ eines Publikums als Testgruppe vermieden und den Besuchern auch noch ein einzigartiges Konzerterlebnis geboten.

Die Compagnia di Punto beginnt den Abend mit dem Hornquintett Es-Dur KV 407 von Wolfgang Amadeus Mozart, einem dreisätzigen Schmankerl, das man heutzutage nicht nur selten hört – vermutlich wird es im kommenden Jahr häufiger auf irgendeinem Programmzettel stehen – sondern das in der Vortragsweise so spritzig und abwechslungsreich daherkommt, dass man es nun wirklich nicht mehr im 18. Jahrhundert verorten möchte. Hornquintett bedeutet ja nun nicht, dass fünf Hörner zur Jagd blasen, sondern in diesem Fall, dass vier Streicher einen Hornisten unterstützen. Eine der gelungenen Besonderheiten ist die Instrumentenaufteilung. Da gibt es einen Geiger, der sich silberhell über zwei Bratschen als Lebensgrundton und einem Cello als rhythmisierenden Charakter erhebt, während das Horn seine ganze Kunstfertigkeit ausspielen darf. Wohlgemerkt, hier sind historische Instrumente am Werk. Und da überrascht das Horn mit vielen Wendungen, die in der Bearbeitung der Compagnia schon fast an Jazz erinnern.

Ganz konventionell kommt der Auftritt von Anna Herbst daher. Im dunklen, schulterfreien Abendkleid betritt die Alte-Musik-Expertin den Saal, um No, non turbati zu interpretieren. Es war schon vorher klar, dass ihr Vortrag ein Fest wird, zumindest für den, der sie kennt. Als habe Pietro Metastasio Szene und Arie für sie geschrieben, singt die Sopranistin befreit auf. Rund sechs Minuten währt ihr Auftritt. Minuten, die manchem im Saal wie eine Ewigkeit schönen Gesangs vorkommen.

Anna Herbst – Foto © O-Ton

In der kurzen Unterbrechung, die für das Stimmen der Instrumente notwendig ist, fällt eine Spinne an ihrem Faden von einem Lüster des Saals, der mittig über dem Orchester hängt. Zum Vergnügen des Publikums zerteilt Konzertmeister Evgeni Sviridov mit kühnem Schwung den Faden mit seinem Geigenbogen. Die Gefahr ist gebannt. Und die Hausmusik kann weitergehen.

Denn im letzten Teil des Abends steht die Sinfonie Nr. 2 D-Dur Op. 36 von Ludwig van Beethoven auf dem Programm. Aber wie es sich für Compagnia di Punto gehört, gibt es die nicht vom Pathos-Grill, sondern feingewürzt als kammermusikalische Bearbeitung von Ferdinand Ries, dem langjährigen Schüler und Freund Beethovens. Obwohl feingewürzt schon relativ ist, denn in der Kulturvilla wird reichlich Pfeffer hinzugefügt. Und das ist richtig so. Denn als die Sinfonie in den ersten beiden Jahren des 19. Jahrhunderts entsteht, ist an ein Heiligenstädter Testament noch gar nicht zu denken. Und so sprüht die Musik vor Lebensfreude. Die Compagnia di Punto spielt in flottem Tempo auf – da horchen auch die Fußgänger, die an den weitgeöffneten Fenstern des Saales vorbeikommen, erfreut auf. Da werden die Dialoge zwischen den Geigern Anna Dmitrieva und Evgeni Sviridov und den Bratschen von Florian Schulte und Jesús Ruiz sauber und mit Verve herausgespielt. Kit Scotney hat seinen Bass wieder wirkungsvoll hinter dem Ensemble platziert. Alexander Scherf kämpft erneut engagiert und höchst erfolgreich gegen das historische Cello, das langsame Bogenstriche gegenüber schnellen Griffwechseln zu bevorzugen scheint. Auch die Naturhorn-Bläser Christian Binde und Jörg Schultess haben Instrumente und Partitur im Griff. Die Pointen setzt Annie Laflamme auf der Traversflöte. Über den ebenso lebhaften wie virtuos dargebotenen vier Sätzen verfliegt die Zeit. Wer dieses Vergnügen versäumt hat, wird sich zumindest die drei Sinfonien in absehbarer Zeit auf einem Album anhören können, das bereits in der kommenden Woche aufgenommen wird. Die Zeit ist reif.

Findet auch das Publikum, das den Musikern zujubelt und sich im anschließenden persönlichen Gespräch bedankt. Denn in der Kulturvilla strömen die Menschen nach der Aufführung nicht gehetzt aus dem Saal, sondern nehmen sich gern noch ein wenig Zeit für einen Plausch mit alten Bekannten. Wieder ein einzigartiges Konzerterlebnis in Mettmann.

Michael S. Zerban