O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Michael Reichel

Aktuelle Aufführungen

Zwischen Revolution und Biedermeier

LOHENGRIN
(Richard Wagner)

Besuch am
22. April 2022
(Premiere)

 

Staatstheater Meiningen

Das Staatstheater Meiningen hat fraglos eine große Wagner-Tradition. Die soll nun in dieser Spielzeit weiter fortgeführt werden, denn innerhalb von sechs Monaten stehen zwei Premieren auf dem Spielplan. Nach dem spannend inszenierten und musikalisch höchst ansprechenden Fliegenden Holländer im Oktober des vergangenen Jahres steht mit Lohengrin ein weiteres Werk aus Wagners früher Schaffensperiode auf dem Plan. Gleich drei der Hauptprotagonisten aus der Holländer-Produktion sollen beim Lohengrin für musikalische Extraklasse sorgen, was auch überzeugend gelingt.

Allerdings kann die Inszenierung diesem Anspruch nicht standhalten. Um das genauer einzuordnen, muss man einen Blick in das Programmheft werfen. Unter der Überschrift Eine Oper im Zeichen der Revolution wird auf die Entstehungsgeschichte des Werkes verwiesen, die Zeit des Vormärzes und der 1848/49-er Revolution, an der Wagner ja im Dresdener Maiaufstand 1849 selbst aktiv teilnahm. Kernaussage ist: „nicht in Lohengrin, aber in Gottfried, dem kleinen Bruder Elsas, liegt die Hoffnung auf einen neuen Herrscher, der das Volk zu Frieden und Einigkeit führt“. Damit wird klar, Regisseur Ansgar Haag, Intendant des Meininger Staatstheaters von 2005 bis 2021, und sein Regieteam verlegen diese Inszenierung in die Zeit der Entstehungsgeschichte des Werkes. Doch taugt diese Idee, um den Lohengrin, das letzte Werk Wagners, das die Gattungsbezeichnung „Romantische Oper“ trägt, vielleicht in einem revolutionären Kontext zu betrachten? In diesem Werk kollidieren Geschichte und Mythos unmittelbar miteinander. Das mythische Geschehen ist in eine historische Rahmenhandlung eingebettet und genau auf das Jahr 933 datierbar, in dem König Heinrich I. bei Ritteburg an der Unstrut die Ungarn besiegte.

Heinrichs Ansprache im ersten Aufzug bezieht sich auf die von Widukind von Corvey überlieferte Rede des Königs an das sächsische Volk. Wagner hat sie nach Antwerpen verlegt, um das historische Geschehen mit der Legende vom Schwanenritter verbinden zu können, deren Ursprung im Niederrheinischen liegt. Ein Herzogtum Brabant hat es damals noch nicht gegeben, wohl aber eine gleichnamige Gaugrafschaft. Da Heinrich I. bei diesem Feldzug alle zerstrittenen ostfränkischen Stämme einigen konnte, wurde er zu Wagners Zeit von der liberal-demokratischen Nationalbewegung als Wegbereiter eines geeinten Deutschen Reichs verehrt und gegen die reaktionäre Politik Metternichs in Stellung gebracht. Allein in der großen Ansprache König Heinrichs haben der Regisseur oder die Dramaturgin Julia Terwald an zwei Stellen den Text abgeändert. Im Original heißt es: „Herr Gott, bewahr uns vor der Ungarn Wut!“ Doch das Wort „Ungarn“ wird hier durch „Osten“ ersetzt. Im weiteren Verlauf heißt es: „ihn nützt ich zu des Reiches Wehr“. Hier wird das Wort „Reich“ durch „Land“ ersetzt. Ob das nun im Sinne einer „political correctness“ oder warum auch immer verändert wurde, diese willkürlichen Änderungen verfälschen den Inhalt und den historischen Kontext. Das mag nur eine Marginalie sein, ist aber sinnbildlich für den weiteren Verlauf der Inszenierung.

Der Vorhang bleibt wohltuend fast bis zum Schluss des Vorspiels zum ersten Aufzug geschlossen und öffnet sich nach dem großen Forte im Orchester. Ein großes gemaltes Bild bildet die Bühnenhinterwand und zeigt ein felsenreiches Meeresufer. Das Bild wäre grandios für eine klassische Inszenierung des Fliegenden Holländer oder des Tristan, aber es passt nicht zum Lohengrin. Es stellt weder das im Werk genannte Ufer der Schelde dar, noch korrespondiert es mit den Ereignissen der Revolution von 1849/49. Die einzige Assoziation ist, dass das Bild wie auch die folgenden im Stile der Spätromantik und Biedermeier-Epoche gemalt sind, die bekanntlich ja mit genau dieser Revolution endet. Vor dieses Bild wird ein Wandaufbau gesetzt, dass den Innenhof eines alten Schlosses oder einer alten Burg zeigt. In der Mitte liegen ein alter, mächtiger Baumstamm sowie einige Stühle als Requisiten. Das Bühnenbild schuf Dieter Richter. Der Chor, der im ersten Aufzug nicht nur musikalisches Fundament der Oper ist, sondern auch lebendig agiert, ist in ganz unterschiedlichen Kostümen gekleidet. Vom Smoking bis zum modernen Straßenanzug sind hier viele Stilrichtungen vertreten, so dass eine gezielte Zuordnung zur Mitte des 19. Jahrhundert gar nicht möglich ist. Die Kostüme entwarf Kerstin Jacobssen.

Lediglich der Heerrufer des Königs trägt einen Offiziers-Uniformmantel mit Epauletten, wie sie sowohl bei der preußischen als auch bayerischen Armee zu dieser Zeit üblich waren. Auch der König ist mit einem langen Jackett gekleidet, was ihn kaum von seinen Mannen abhebt. Telramund dagegen trägt ein Hemd, was wiederum keiner Zeit zuzuordnen ist. Diese Uneinheitlichkeit im Stil der Kostüme zieht sich durch das ganze Stück. Lohengrin ist in einem hellbeigefarbenen Anzug mit weißem Hemd und weißen Schuhen gekleidet. Die Lichtgestalt wirkt eher wie ein Guru einer neumodernen Sekte denn als Gottgesandter des Grals. Elsa, zunächst in bravem und biederem Kleid, trägt dann zur Hochzeit ein weißes Brautkleid. Vom Klischee her ist es das unschuldige Blondchen, das fremdbestimmt zum Spielball zwischen Lohengrin und Ortrud avanciert. Ortrud, die im ersten Aufzug auch eher ein braves Kleid trägt und nur durch die orangefarbenen Haare auffällt, wird ab Mitte des zweiten Aufzugs im knallroten Kleid mit buntem Mantel und offenen Haaren zum bildlichen Kontrapunkt von Lohengrin und Elsa.

Nun sind diese Punkte für sich genommen nicht weiter erwähnenswert, doch im Gesamtblick der Inszenierung ergibt sich für den geneigten Zuschauer der Eindruck eines zusammengestückelten Werkes ohne roten Faden. Dazu passt die seltsame Personenregie von Ansgar Haag. Während die Choristen sehr extrovertiert agieren, ist doch bei den Solisten mehr Rampengesang angesagt, die unterschiedlichen Beziehungsebenen, die in diesem Werk eine so wichtige Rolle spielen, werden tiefenpsychologisch überhaupt nicht beleuchtet. Das wundert, denn Regisseur Haag ist nicht nur ein alter Theaterhase, er hat auch Psychologie studiert. Ohne dieses Wissen würde man denken, es handelt sich um die Arbeit eines Regiestudenten, der es möglich schön und konform haben will. Immerhin löst Haag zumindest im ersten Aufzug die für jeden Regisseur typische Gratwanderung des Erscheinens des Schwans. Eine Lichtprojektion, wo der Schwan als großer schwarzer Schatten erscheint, das ist sehenswert. Grottig dagegen der „Gotteskampf“ Telramund gegen Elsas Traumritter. Telramund ist ein kampferprobter Graf, der es nicht nötig hat, sich mit ungelenken Stretching-Übungen für diesen Kampf auszuwärmen. Der angedeutete Karate- oder Kung-Fu-Kampf zwischen den beiden, den der Guru scheinbar mit überirdischer Kraft gewinnt, passt weder zu der Handlung im Original noch zu der Zeit der Entstehung des Werkes, sondern zu einer billigen Hollywood-Klamotte. Sind das einfach nur handwerkliche Fehler oder versteht der Regisseur Wagner nicht? Die Frage mag er selbst beantworten, jedenfalls gehört die Handlung auf der Bühne im ersten Aufzug nicht zu den Bildern, die man lange in Erinnerung behalten wird.

Das erste Bild im zweiten Aufzug gelingt da noch am besten. Ein Raum mit einer großen, bronzefarbenen Tür im Mittelpunkt und einem Erker, das ist schon wieder ganz klassisch, bis auf den Koffer, mit dem man Ortrud vor die Tür gesetzt hat. Das Duett zwischen Ortrud und Telramund gelingt neben dem sängerischen Ausdruck vor allem durch das intensive Spiel von Mimik und Gestik der beiden Protagonisten. Und Elsa darf ihr Glück hoch oben aus dem Erkerfenster kundtun. Gerade noch keimt Hoffnung auf, dass der Lohengrin doch noch gelingt, da kommt das zweite Bild, und alle Hoffnung ist schon wieder dahin. Per Drehbühne wandelt sich das Bild, es ist wieder das Setting des ersten Aufzuges, nur der Baum ist weg. Der Herrenchor echauffiert sich mit revolutionären Gesten, um dann militärische Grundstellung einzunehmen. Ein absurdes Bild von Männern in Smoking und Anzügen. Nun schreitet der Damenchor, in hoffnungsgrüne Gewänder gekleidet, schön paarweise ein. Langweiliger und biederer kann man diese Szene schon gar nicht mehr darstellen, das ist Regietheater für Anfänger. Im dritten Aufzug gibt es ein neues Gemälde im Hintergrund. Eine Burg, vielleicht Montsalvat, ist hoch über einem See zu sehen, während auf dem See ein Boot abgebildet ist, in dem eine blonde Frau rudert, und eine Lichtgestalt am Bug steht. Der Chor tanzt im Hintergrund beschwipst beim Sektempfang, was geradezu genial zum Text und zur Musik des Brautchores passt, um dann mit gespitzten Ohren dem Duett Lohengrin und Elsa zu lauschen. Das Zwiegespräch, das ja dann zur Katastrophe mit der verhängnisvollen Frage führt, lebt von dem intensiven Spiel und Gesang von Magnus Vigilius und Lena Kutzner. Die Szene ist sängerisch und spielerisch neben der Gralserzählung zweifelsohne der Höhepunkt dieser Aufführung. Dass Lohengrin in dieser Szene die Fassung verliert und Elsa, die vorher zwei Schwanenfedern zerrissen hat, so fest an sich drückt, dass er sie fast erwürgt, geschenkt.

Dem hereinstürmenden Telramund rammt Lohengrin dessen Messer in den Bauch, auch hier wieder so eine Szene wie aus einem billigen Hollywoodfilm. Dass in der Schlussszene die Mannen des Königs jetzt alle in dunkle Mäntel gekleidet und mit Bajonettgewehren bewaffnet in Abordnungen hinter einem Fahnenträger einmarschieren, kann man gerne gelten lassen, wenn man sich wieder an den Ausgangspunkt der Revolution 1848/49 erinnert. Dass aber der letzte Fahnenträger der Heerrufer ist, hinter dem der König einmarschiert, das ist Theaterklamauk, da hier eine Hierarchie, die es natürlich gibt, flachgelegt wird und jeglichem Verständnis von Geschichte und Militär widerspricht. Und dass Lohengrin sich anschließend vor König Heinrich verneigt, widerspricht ebenfalls dem Status, den der Gralsritter hat, immerhin „darf er mit Recht des Königs Krone verschmähen“.

Wenn Haag meint, dass Lohengrin durch die Frage Elsas seine Macht verloren hat und sich deshalb vor dem König verbeugt, dann ist das schon eine seltsame Interpretation der Figur. Dass statt des toten Telramund nur dessen Mantel hereingetragen wird, auch geschenkt. Dass Heinrichs Mannen nach der Anklage durch Lohengrin die Fäuste zum kommunistischen Gruß heben, lächerlich. Doch der Höhepunkt der Absurdität ist an dieser Stelle immer noch nicht erreicht. Nach der romantisch gestalteten Gralserzählung taucht dann hinter dem wieder auf der Bühne liegenden Baumstamm ein kleiner Schwan auf, der auf einem Gestell hereingezogen wird. Das Bild verursacht beim Publikum Heiterkeit und lautes Lachen, beim kritischen Betrachter aber nur Kopfschütteln. Die durchaus gelungene Projektion im ersten Aufzug hätte auch für diese Szene getaugt, aber mit diesem stümperhaften Einfall macht der Regisseur nun endgültig aus der „Romantischen Oper“ einen Komödienstadl. Gipfel ist dann der Auftritt von Elsas verschollenem Bruder Gottfried, wie Lohengrin in weiß gekleidet und übersät mit Schwanenfedern. Nach Ortruds triumphalem Geständnis ist es Lohengrin, der in ein Gebet versinkt, den Schwan entzaubert und Gottfried aus den Fluten auftaucht. So jedenfalls hat es Richard Wagner in seiner Originalregieanweisung geschrieben, an die sich kaum noch ein Regisseur hält. Dass Haag aber Ortrud auf einen Wink hin Gottfried erscheinen lässt, und zwar vor Lohengrins Gebet, ist nicht nur inhaltlich falsch, sondern auch gegen die Musik inszeniert. Selbst einem Regieanfänger dürfte man so etwas nicht durchgehen lassen, bei einem erfahrenen Intendanten und Regisseur bleibt für diese Arbeit nur Kopfschütteln und Unverständnis.

Dass der Abend zumindest musikalisch und sängerisch auf hohem Niveau ist, entschädigt zumindest für die inszenatorischen Unzulänglichkeiten. Herausragend Lena Kutzner in ihrer ersten Spielzeit am Meininger Staatstheater. Als Senta im Fliegenden Holländer hat sie schon ein furioses Debüt gegeben, als Elsa setzt sie noch eins drauf. Sie legt die Rolle mit bewegender Innigkeit, träumerisch und schwärmerisch an, und verkörpert in Spiel und Gesang das Idealbild der reinen und unschuldigen Elsa, ohne dabei naiv zu wirken. Ihr lyrischer und in den Höhen jugendlich-dramatischer Sopran mit einem warmen Timbre ist von einer großen Tragfähigkeit, der weit gesponnene Bögen und leuchtende Höhen mit Leichtigkeit erzeugt, um dann wieder mit wunderbarem Piano zu berühren. Von den reinen, klar tragenden leisen Tönen ihrer Traumerzählung zu Beginn, über die eindringlich-dramatischen Ausbrüche in der Konfrontation mit Ortrud bis hin zur Brautgemachszene, mit den wunderbar ins leicht Dramatische gesteigerten Phrasierungen, beeindruckt sie auf ganzer Linie. Es ist ein Rollendebüt par excellence. Magnus Vigilius als Lohengrin ist erst eine Woche vor der Premiere in die Probenarbeit eingestiegen. Er legt die Partie nicht mit großem Heldengestus an, sondern sehr lyrisch, fast mit tenoralem Schmelz. Sein kräftiges Fundament ist eine sichere Stütze für die Ausbrüche am Ende des zweiten Aufzugs und im großen Duett des Brautgemachs Höchstes Vertrau’n. Dabei entwickelt die Stimme, basierend auf einer warmen Mittellage die nötige Strahlkraft, um auch in den großen Ensembles gehört zu werden. Die Gralserzählung singt Vigilius innig, fast liedhaft und damit besonders berückend. Sein finaler Abschied besticht durch eine große Differenzierung in der Phrasierung und der dynamischen Ausgestaltung.

Sabine Hogrefe, eine echte Wagner-Heroine, ist stimmlich der Kontrapunkt zum lyrisch-jugendlich dramatischem Paar Vigilius und Kutzner. Ihr hochdramatischer Sopran besticht mit wuchtigem und scharfem Furor in den Ausbrüchen, insbesondere in den Schlüsselszenen der Partie, wie Entweihte Götter im zweiten Aufzug oder die heftige Konfrontation mit Elsa vor dem Münster. Ihr Ausdrucksrepertoire und die vor allem in der Mittellage variable Stimme skizziert Ortrud als Charakterstudie von großer Intrige und Heuchelei. Shin Taniguchi gibt den Telramund mit dramatischem Bariton und entwickelt so einen souverän gestalteten Charakter, der zum Opfer von Ortruds List und Täuschung wird. Genaue Artikulation ist auch bei ihm eine Selbstverständlichkeit, ebenso wie eine technisch sichere, variable Gestaltung einzelner Phrasen. Seinem ausdrucksstarken Holländer lässt er nun eine weitere starke Partie folgen. Selcuk Hakan Tirasoglu beeindruckt als König Heinrich zwar mit wuchtigem Bass, doch seine Deklamation und sein Akzent sowie sein sehr statisches Spiel mindern den eigentlich positiven Gesamteindruck. Tomasz Wija überzeugt als Heerrufer mit klarem Bassbariton, sicher gesetzten Tönen und markanten Ansagen und fügt seinem Daland eine weitere starke Partie hinzu. Die Edelknappen und die Mannen des Telramund fügen sich sauber in das großartige Sängerensemble ein.

Chor, Zusatz- und Extrachor des Staatstheaters Meiningen, hervorragend eingestimmt von Manuel Bethe, überzeugt vor allem durch stimmliche Ausgewogenheit und klare Akzentuierung. Präzise die Strukturierung der einzelnen Stimmgruppen, mit strahlenden, in diesem Werk so bedeutsamen Tenören, kraftvoll die Klangentwicklung in den großen Tableaus und mit präzisen Abstufungen in den leiseren Passagen.

GMD Philippe Bach hat bei seiner letzten Premiere im Amt ein gutes Händchen für die Meininger Hofkapelle und für die Klippen der Partitur. Das Vorspiel zum ersten Aufzug erklingt filigran, ja fast kammermusikalisch tönt es aus dem Orchestergraben, zart und innig die Motive Elsas, bis die Spannung immer weiter aufgebaut wird und das Fragemotiv drohend und schicksalhaft symphonisch erschallt, um dann wieder in fast sphärische Klänge zu transkribieren. Bach baut immer wieder die großen symphonischen Momente auf, bis die Spannung sich explosionsartig löst und in unterschiedlichen Farben und Phrasierungen ganz im Dienste des Musik-Dramas steht. Das Vorspiel zum dritten Aufzug erklingt dynamisch und kraftvoll, noch deutet nichts auf die schicksalhafte Wendung hin. Sauber intonieren die Bläser, und die Leitmotive werden scharf akzentuiert herausgearbeitet. Die Orchestermusiker folgen seinem präzisen Schlag, und die Sänger stehen immer im Vordergrund, ihnen dient Bach als musikalischer Begleiter.

Am Schluss gibt es großen Jubel für alle Beteiligten aus dem Publikum, und besonders Lena Kutzner, Magnus Vigilius und Sabine Hogrefe, Chor und Orchester werden gefeiert. Auch das Regieteam darf viel Applaus und Jubel entgegennehmen, die Inszenierung hat dem Meininger Publikum gefallen. Kritische Stimmen sind nur vereinzelt in den Pausen und nach der Vorstellung zu vernehmen. Und wie schon bei der Holländer-Premiere ist das Publikum zumindest im Parkett sehr unruhig. Lautstarkes Kommentieren, unsensibles Husten, all das beeinträchtigt natürlich den Hörgenuss. Dass dann nach viereinhalb Stunden Intendant Jens Neundorff von Enzberg auf die Bühne kommt und das Weihrauchfass der Lobeshymnen für eine halbe Stunde schwenkt, ist für das Ensemble Balsam, aber in seiner Wortwahl nicht immer glücklich. Herrn Taniguchi, dem Darsteller des „bösen Grafen“ Telramund, auf der Bühne vor Publikum zu sagen, „er möge bitte nicht mehr so böse schauen, er hätte doch überlebt, das sei ja Oper“, mag von Enzberg vielleicht lustig gefunden haben, aber so geht man nicht mit einem Sänger um, das gehört sich einfach nicht. Und das Attribut „böser Graf“ zeugt auch von eher mangelnder Werkkenntnis, denn die Figur des Telramund ist vom Grunde seines Charakters nicht „böse“, sondern verblendet. Auch die Huldigung an das Regieteam hinterlässt beim kritischen Besucher einen faden Beigeschmack. So bleibt am Ende ein Lohengrin, der nichtssagend, bieder und langweilig ist und nur durch ein großartiges Sängerensemble und engagierte Musiker einen guten Widerhall findet und anscheinend genau auf den Geschmack des Meininger Publikums zugeschnitten ist.

Andreas H. Hölscher