O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Ekaterina Belowa

Aktuelle Aufführungen

Charmeoffensive

STARKE FRAUEN
(Michael S. Zerban)

Besuch am
22. Januar 2024
(Einmalige Aufführung)

 

Klassik aber frisch im Alten Küsterhaus, Meerbusch

Es gibt die schöne Anekdote über Franz Liszt, den Pianisten, den Frauenschwarm. Wenn sich der Meister nach seinen elektrisie­renden Auftritten verabschiedete, machte er das gegenüber den Damen stets mit leichter Verbeugung, die Hand am Herzen. „Je vous en prie, mesdames. Ayez l’honneur, mesdames“.

Der Abend im Alten Küster­haus Büderich, an dem der Düsseldorfer Journalist Michael Zerban in kurzweiligen, musikgefüllten neunzig Minuten seinen neuen Bildband Starke Frauen vorstellt, ist eben das: eine Charmeoffensive mit Verbeugung und mit der Hand, die zum Herzen geht – in diesem Fall adressiert an zwölf „Kulturarbeiterinnen, die sich von ihrer stärksten Seite zeigen“. Von der neusachlichen Konnotation sollte man sich nicht täuschen, schon gar nicht abschrecken lassen. An „Arbeit“ erinnern diese zwölf Begegnungen im Stadtraum in und um Düsseldorf, aufgefächert zu je zwölf Ansichten, gerade nicht. 144 Schwarzweiß-Fotografien zeigen, so Zerban, „Frauen von heute, wie sie tatsächlich sind: Selbstbewusst, bereit, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten und es in all seinen Spielarten zu genießen“.

Désirée Brodka – Foto © Ekaterina Belowa

Wer den Bildband, erschienen als E-Book im pdf-Format, durchblättert, kann dem nur zustimmen. Charme auf jeder Seite, Charme von jeder Seite. Und auch darin ist dem Fotografen beizupflichten, dass die Ergebnisse „sicher nicht repräsentativ sind“. Können sie tatsächlich auch nicht sein. Dafür stellt das Leben, und zwar nicht nur den Frauen, oftmals harte Anforderungen, die es abhängig Beschäftigten schwer bis unmöglich machen, in der beschriebenen Weise aufzutreten. Berufliche Existenzen, seien sie angesiedelt in Chefetagen oder in prekärer Umgebung, sind heute wenig dazu angetan, selbige zu „genießen“. Soweit bekannt.

In diesem Fall geht es um etwas anderes. Hier geht es, um es mit einem zu Unrecht aus der Mode gekommenen Wort zu sagen, um die persönlichkeitsbildenden Kräfte künstlerischer Betätigung. Zerbans Bildband lässt sich als wunderbarer Beleg lesen für die Wirkungen von Kunst auf die Seele, auf das Erscheinen des Menschen. Kunst dabei nicht verstanden von etwas, das man tun, das man genauso gut auch lassen könnte. Gemeint vielmehr ist die Passion, die zum Lebensinhalt geworden ist. Das schlägt dann durch. Auf die Gesichter, die Blicke, wie sich jemand gibt. Und genau das macht den Zauber, macht die Ehrlichkeit dieser 144 Belichtungen von inspirierter Weiblichkeit aus unseren Tagen. Eine spielerische Leichtigkeit, die man da gewahrt. Eine, die sicherlich auch daher rührt, dass Zerban sein ursprüngliches Konzept fixierter Posen rasch aufgegeben, seine Einstellungen gemeinsam mit den Porträtierten gesucht und gefunden hat.

Noémi Schröder – Foto © Ekaterina Belowa

Beim „schönen Happening“, als das er seine Präsentation verstanden wissen will, ist die Hälfte besagter „starker Frauen“ seines Bildbands anwesend. Dass darunter wiederum drei ausübende Musikerinnen sind, sorgt für eine Echokammer aus Charme pur. Ekaterina Porizko die gut beschäftigte Pianistin am Klavier, auch mit eigenen Arbeiten, denen man gern noch länger gelauscht hätte. Ansonsten ist die Gründerin von Klassik aber frisch als dem Veranstalter des Abends meistenteils begleitend unterwegs. Für die Sopranistin Désirée Brodka und deren Streifzug von Carl Millöcker über Clara Edwards bis zu Kurt Weill; im nächsten Moment für eine bezaubernde, auch die Melodika intonierende Noémi Schröder, die ihren Mezzo leiht für die anmutigste Darbietung französischer Chansons, die man sich denken kann. Kunststück, die Chansonnière hat eine mère française.

Womit wir zu den Gästen kämen. Überraschend vor Ort Pianist Klaus Claas, der Duo-Partner von Noèmi Schröder. Beide ein eingespieltes, jederzeit swingbereites Team. Gesehen ferner Kunstfreunde aus der weiteren und weiten Umgebung. Theatermacher Kristóf Szabo aus Köln sowie mit Jens Dornheim einer der drei Betreiber des Essener Rabbit-Hole-Theaters. Nicht zu vergessen Silke Zimmermann, die in Krefeld das Festival Musik und Lesung veranstaltet. Man sieht: Das von der Galeristin und Kunsthistorikerin Isabelle von Rundstedt geführte Büdericher Alte Küsterhaus wird mehr und mehr auch zu einem regionalen Kulturzentrum.

Nachtrag: Imagine von John Lennon steht, es ist der besondere Wunsch des moderierenden Fotografen, als Zugabe am Ende. Das Claas-begleitete Duo Brodka und Schröder ganz federleicht, überhaupt nicht bitter. Ganz anders als Lennon das gemeint hatte. Von wegen „kein Heaven, nur Sky“. Auf Himmel lässt sich eben doch nicht so leicht verzichten.

Georg Beck