Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
RECITAL EKATERINA PORIZKO
(Diverse Komponisten)
Besuch am
30. April 2025
(Einmalige Aufführung)
Im vergangenen Jahr hat Klassik aber frisch, das Unternehmen, das sich auf die Fahnen geschrieben hat, junge Musiker zu fördern, mächtig Fahrt aufgenommen. Monatliche Konzerte im Alten Küsterhaus im Meerbuscher Stadtteil Büderich, monatliche Konzerte im Piano Store von Marten Overath im Stadtteil Lank, die Gründung einer eigenen, privaten Musikschule in Mönchengladbach waren nur einige Meilensteine. Auch in den kommenden Monaten ist der Terminkalender Ekaterina Porizkos zum Bersten gefüllt. Die künstlerische Leiterin des Unternehmens bereitet gerade mehrere Aufführungen des Elias vor, während parallel das Carillon-Festival in Stuttgart ansteht. Zeit für eine Atempause in Büderich, die die Dirigentin, Pianistin, Organistin und Carilloneurin mit einem Rezital im Alten Küsterhaus einleitet.
Die Besucher, die sich am Abend einfinden, haben das Alter deutlich überschritten, in dem man in den Mai tanzt, ehe man Birken vor den Balkonen der Liebsten aufbaut oder den Maibaum des Nachbardorfes klaut. Was eigentlich schade ist, denn in diesem Jahr darf man sich endlich einmal in der Nacht zum 1. Mai sommerlicher Temperaturen erfreuen, anstatt eine kalte, regnerische Nacht in Kauf zu nehmen. Dass die Gäste nicht nur Bewunderer der Tastenkünstlern sind, sondern sich samt und sonders untereinander kennen, trägt zur besonderen Atmosphäre des Abends bei.
Foto © Michael Zerban
Porizko eröffnet mit der Nocturne opus 59, Nummer vier in C-Dur von Edvard Grieg, ehe sie mit August Harders Geh aus mein Herz zum Schwerpunkt des Abends kommt. Denn weder singt sie die 15 Strophen nach dem Text des Sommerliedes von Paul Gerhardt, noch übt sie sich in Werktreue. Vielmehr gibt es einen ersten Ausblick auf eine besondere Fähigkeit der Pianistin: die Improvisation.
Dabei steht Porizko noch ganz unter dem Eindruck ihrer gerade absolvierten, kleinen Amerika-Tournee, von der sie mit guten Nachrichten heimkehrt. Im kommenden Jahr wird sie Elias in Nordamerika aufführen. Da kann sie beseelt die Nocturnes in H-Dur und Fis-Dur von Frédéric Chopin zum Besten geben. Ein klanglicher Genuss, den die Besucher begeistert applaudieren. Und damit werden dann auch die Notenblätter beiseitegelegt, um zur nächsten Improvisation zu kommen. Verleih uns Frieden gnädiglich ist eine geistliche Liedstrophe, die Martin Luther als Nachdichtung der gregorianischen Antiphon Da pacem, Domine, in diebus nostris verfasste. Überraschend endet sie im Viel Glück und viel Segen von Werner Gneist, bei dem Ekaterina Belowa, Geschäftsführerin von Klassik aber frisch, einstimmt und damit die Besucher zu gemeinschaftlichem Gesang animiert, um Dagmar Jerusalem zu ehren, die ungeachtet ihres Geburtstages für die Kasse und das leibliche Wohl sorgt. Mit einem Blumenstrauß und Umarmungen von Porizko und Belowa darf sie sich feiern lassen.
Die Kunst der Improvisation ist das eine, auf Zuruf neue Notenkombinationen zu finden, das andere. Aus dem Publikum kommt der Wunsch, die Variationen zur Mondscheinsonate von Ludwig van Beethoven zu hören, und Porizko erfüllt den Wunsch gern und gekonnt.
Foto © Michael Zerban
„Wenn ich heute vom Antlitz der Erde verschwinden würde, wäre das für die russische Musik kein großer Verlust“, schrieb Pjotr I. Tschaikowsky 1876 seiner Schwester, als sich alles gegen ihn verschworen zu haben schien. Fast alles. Während selbst seinem Schwanensee der ganz große Erfolg vorläufig versagt blieb, erhielt er von einem Petersburger Musikverleger den Auftrag, zwölf charakteristische Klavierstücke zu komponieren, für jeden Monat eines. Später gab Tschaikowsky die Stücke unter dem Titel Die Jahreszeiten heraus. Besonderer Beliebtheit erfreut sich bis heute die Barcarole für den Frühlingsmonat Juni. Das Stück erinnert daran, dass er im Frühjahr 1874 zum ersten Mal Venedig besuchte. Das Gondellied wirkt wie ein Echo auf die Tage in der Lagunenstadt mit einer der schönsten Mollmelodien, die der Komponist je geschrieben hat. Mit einem zarten G-Dur-Mittelteil, einer wehmutsvollen Reprise und einem zart glitzernden Ausklang interpretiert Porizko das Stück so eindrucksvoll, dass es auch nichtrussische Seelen erreicht.
Nach zwei weiteren Improvisationen darf zum Abschluss das Geburtstagskind einen Wunsch äußern. 2023 war Jerusalem als Choristin dabei, als Porizko Le nozze di figaro in einer gekürzten Version im litauischen Birštonas aufführte. Nun wünscht sie sich ein Stück, dass sie daran erinnert. Porizko entscheidet sich für eine Improvisation über ein litauisches Volkslied. Und bringt damit den einstündigen Abend zu einem glänzenden Abschluss, den das Publikum ausgiebig feiert. Und während Porizko bereits zur nächsten Chorprobe eilt, bleiben die Besucher noch, um mit Jerusalem anzustoßen und ihre Begeisterung über den musikalischen Genuss zu äußern.
Das nächste Konzert von Klassik aber frisch wird am 10. Mai im Piano Store von Marten Overath in Lank stattfinden. Dann wird die Nachwuchssängerin Amalia aus Köln erwartet, die von Porizko am Klavier begleitet wird. Aber auch die Gäste im Alten Küsterhaus müssen in den kommenden Monaten nicht gänzlich auf Musik verzichten. Galeristin Isabelle von Rundstedt lädt für den 2. Mai zu einem Liederabend in fünf Gängen mit Karima Rösgen, Ulrike Kamps-Paulsen, Birgit Meyer und Ralph Rotzoll ein. Am 11. Mai wird dann wieder einmal Liedermacherin Inga Bachmann erwartet. Die Multiinstrumentalistin bringt ihr Programm Lieder – Poetry – Kabaretterie mit. Und am 17. Juli stellt Porizko ihr Sommerprogramm mit französischer Musik vor.
Michael S. Zerban