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Es ist ein Fest junger, hochbegabter Stimmen, der neue Rigoletto an der Lütticher Oper. Mit dem mongolischen Bariton Amartuvshin Enkhbat in der Titelrolle und der kasachischen Sopranistin Maria Mudryak als Gilda hat Intendant Stefano Pace für die Besetzung ein ebenso glückliches Händchen bewiesen wie sein verstorbener Vorgänger Stefano Mazzonis di Pralafera. Mit dem Unterschied, dass Pace diesmal nicht auf altbewährte Stars zurückgreift, sondern fast noch blutjungen Talenten eine Chance bietet, die sie auch in beglückender Weise nutzen. Amartuvshin Enkhbat strahlt mit seinem körperlichen Einsatz und seiner überwältigend voluminösen, gleichwohl nuanciert geführten Stimme eine bestrickende Präsenz aus. Und seine Kollegin Maria Mudryak setzt mit ihrer mädchenhaften Anmut einen Kontrapunkt von entwaffnend anrührender Anmut. Ihre ebenfalls mühelos geführte, von Höhenflügen in zarteste Piano-Sphären gekrönte Stimme gehört zu den interessantesten Entdeckungen im lyrischen Fach der letzten Zeit. Kein Wunder, dass die Duette zwischen Vater und Tochter mit diesen Spitzenbegabungen zu den Höhepunkten der Aufführung gehören. Man darf hoffen, dass die Zweitbesetzung mit Sebastian Catana und Jodie Devos mit ähnlich starken Leistungen überzeugen kann.
Foto © Jonathan Berger
Auch der ebenso junge peruanische Tenor Iván Ayón Rivas zeigt in der Rolle des Herzogs Qualitäten, auch wenn seine Stimme in den Höhen enger klingt und nicht so frei anspricht wie die der beiden Protagonisten. Zusammen mit den vorzüglich besetzten Nebenrollen, allen voran Rubén Amoretti als Sparafucile und Sarah Laulan als Maddalena, sowie dem dramatisch impulsiven Dirigat von Daniel Oren garantiert der neue Rigoletto zumindest in dieser Besetzung ein Stimmenfest der Superlative.
Die Inszenierung des Hollywood-erfahrenen Schauspielers und Regisseurs John Turturro, The Big Lebowski, fällt gediegen, wenn auch unspektakulär aus. Er entfaltet in den meist neblig trüb ausgeleuchteten Kulissen von Francesco Frigeri ein düsteres, durchaus cineastisch beeinflusstes Szenario, deutet die bigotte Dekadenz der Hofgesellschaft nicht zuletzt dank lasziver Choreografien von Giuseppe Bonanno treffsicher an und vertraut Verdis mit seismographischer Sensibilität in Töne gesetzten psychischen Fieberkurven der Figuren. Damit kann nichts schief gehen, wenn man sich auf Darsteller wie die in Lüttich verlassen kann.
Die historisch geprägten Kostüme von Marco Piemontese sowie manches klischeehafte Detail in der Personenführung hinterlassen zwar einen leicht musealen Eindruck, der angesichts der packenden musikalischen Ausführung aber erträglich bleibt. Gleichwohl hätte eine szenisch intensivere Betreuung gerade der jungen Protagonisten das Gesamtprodukt ideal abrunden können.
Begeisterter Beifall für ein weiteres vokales Gala-Diner der Lütticher Oper, die diesmal ihren Trumpf mit jungen Hoffnungsträgern ausspielt. Und das mit vollem Erfolg. Und vor voll besetztem Haus.
Pedro Obiera