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Nach dem spektakulären Saisonauftakt mit Berlioz‘ großer Oper Les Troyens geht es in der zweiten Premiere der Kölner Oper bescheidener, aber nicht weniger beeindruckend zu. Miranda heißt die anderthalbstündige Produktion, die die Regisseurin Katie Mitchell und der Barock-Spezialist Raphaël Pichon für die Pariser Opéra Comique kreiert haben und die jetzt im Staatenhaus ihre Deutsche Erstaufführung erfährt.
Zu sehen ist weniger eine Oper als eine Art Pasticcio, eine im Barock beliebte revue-artige Mischung aus Schauspiel, Singspiel, Pantomime und Ballett. Der Titel bezieht sich auf Miranda, die Tochter Prosperos aus Shakespeares Drama Der Sturm. Bei Shakespeare eher eine passive Figur, stellt sie das Pariser Team in den Mittelpunkt einer erdichteten Handlung, in der Prospero, Mirandas Gatte Ferdinand und ihr Sohn Anthony zu einer Trauerfeier für die vermeintlich ertrunkene Frau einladen. Mit einem Brautschleier maskiert, platzt die Totgeglaubte in die Totenmesse und inszeniert mit einer angeheuerten Schauspieltruppe ihre traurige, von Exil, Vergewaltigung und Zwangshochzeit belastete Vergangenheit, um vor allem Rache an ihrem Vater zu üben und jede Illusion von familiärer Idylle zu zerstören.
Foto © Sandra Then
Die Handlung, durchaus realistisch in einer mit allen zeremoniellen Ingredienzen bestückten Trauerhalle ausgeführt, kleidet Raphaël Pichon hauptsächlich mit Arien, Chören und Tanzsätzen aus Kompositionen des englischen Barock-Meisters Henry Purcell aus. Und das mit viel Geschick für die nötigen Stimmungen der Situationen und Gefühle der Figuren. Das alles wirkt trotz der collagenartigen Anlage erstaunlich schlüssig. Gespielt wird eindringlich, aber ohne effektheischende Übertreibungen.
Und das musikalische Niveau kann sich auch diesmal hören lassen. Georges Petrou führt das Ensemble und das Gürzenich-Orchester lebendig und farbig durch den Abend, entlockt dem Orchester ein schlankes, an historischen Aufführungspraktiken orientiertes Klangbild inklusive aller damit verbundener Unwägbarkeiten, vor allem in Sachen der heiklen Intonation.
Vokal überzeugen vor allem Adriana Bastidas Gamboa in der Titelrolle mit ihrem glutvollen, intensiv geführten Mezzosopran und Emily Hindrichs mit den ausdrucksvollen Klagegesängen Annas, der unglücklichen Gattin Prosperos. Der ist mit dem stimmlich mittlerweile recht angerauten Bariton Alastair Miles rollendeckend, wenn auch nicht sonderlich klangschön besetzt. Die kleineren Partien einschließlich des stilsicher singenden Chors runden den ebenso kurzen wie kurzweiligen Abend ab.
Langanhaltender Beifall für ein durchweg geglücktes Experiment.
Pedro Obiera