O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Aktuelle Aufführungen

In den Klangkammern Kölns

MAINLY SACRED
(Diverse Komponisten)

Besuch am
24. Juni 2022
(Einmalige Aufführung)

 

Romanischer Sommer in St. Maria im Kapitol, Köln

Bereits zum 33. Mal fand in Köln der Romanische Sommer statt, ein Musikfestival „zwischen Tradition und Avantgarde in den akustischen Wunderkammern Kölns“. Die Wunderkammern, das sind die zwölf romanischen Kirchen im Kölner Stadtgebiet, von denen in diesem Jahr neun bespielt wurden. Das Ungewöhnliche des Festivals, das es seit 35 Jahren gibt, und das von Maria Spering künstlerisch geleitet wird, ist, dass es zwar in Kirchen stattfindet, aber kein kirchenmusikalisches Fest ist. Weltmusik, Jazz, Avantgarde und alte Musik stehen ebenso auf dem Programm, das von Kölner wie von internationalen Künstlern durchgeführt wird. Am Ende dieses Abends werden die Besucher 17 Konzerte in sechs Tagen erlebt haben. Eine weitere Besonderheit ist die Zusammenarbeit mit dem Westdeutschen Rundfunk, der zahlreiche Konzerte aufzeichnet und auf seiner Klassikwelle überträgt. Heuer findet das Festival unter dem doppeldeutigen Motto „Schwingen“ statt, womit einerseits das substantivierte Verb und andererseits die Flügel gemeint sind.

David Brooke – Foto © O-Ton

Allein in der letzten, der so genannten Romanischen Nacht in der Basilika St. Maria im Kapitol sind vier Konzerte geplant. Hier liegt das Augenmerk auf dem Besuch des Jazzchors Freiburg, der den Abend eröffnet. Bertrand Gröger gründete 1990 den Chor, leitet ihn seitdem und führte ihn zu internationalen Erfolgen. Heute tritt der Chor mit 23 Sängern unter der musikalischen Leitung von David Brooke an, um sein Programm Mainly Sacred, was man mit „hauptsächlich heilig“ übersetzen kann, darzubieten.

Gleich mit dem ersten Stück packt der Chor sein Publikum, ohne dass auch nur ein einziges verständliches Wort gesungen wird. Mironczarnia von Jakub Neske stammt aus dem Jahr 2012. Aus Verzweiflung darüber, dass sich das leere weiße Blatt vor ihm nicht mit Text füllte, so wird erzählt, erfand er dadaistische Wortneuschöpfungen, Wortfetzen, die in 7/8-Echos wiederholt und dabei minimalistisch verändert werden. Daraus entsteht zwar kein Sinn, aber eine hohe atmosphärische Dichte.

Von Bobby McFerrin kennt der durchschnittliche Deutsche genau ein Lied. Don’t worry, be happy erschien 1988 und wurde ein weltweiter Schlager, der bis heute in die Herzen der Menschen trifft. Dass McFerrin ein überdurchschnittlicher Sänger, Komponist und Dirigent ist, wissen die wenigsten. Zehn Grammys hat der heute 72-jährige US-Amerikaner in seinem Leben eingesammelt. Seine charismatische Ausstrahlung ist eindrucksvoll. Auch Gröger gehört zu seinen begeisterten Anhängern, und da wundert es nicht, dass an diesem Abend gleich vier Werke von ihm erklingen. Drei davon hat er zusammen mit Roger Treece komponiert. The 23rd Palm – das ist der Psalm Der Herr ist mein Hirte – stammt aus dem Jahr 1990. The Garden aus dem gleichen Jahr beschäftigt sich mit dem Paradies, 2010 entstanden Messages nach Don Rosler und Wailers, also die Wehklagenden. Messages ist insofern besonders eindrucksvoll, als es den Versuch unternimmt, universelle Botschaften aus aller Welt in unzähligen Sprachen wiederzugeben. An diesem Beispiel wird besonders deutlich, auf welch hohem Niveau die Choristen ihre A-cappella-Gesänge ohne Notenblätter, dafür aber immer in Bewegung, vortragen. Das gilt auch für Long Long Long, das George Harrison, ja, genau der, 1968 schrieb und für das Gröger ein eigenes Arrangement fand.

Raffaela Dilles – Foto © O-Ton

Klanglich eilt der Chor hier von Überraschung zu Überraschung. Und da kommt The Way of Love von Malene Rigtrup aus dem Jahr 2014 gerade recht, um erneut eine Wendung zu vollziehen. Allein den biblischen Themen bleibt der Abend treu, wenn der Chor das Stück Mein Leben ist nicht diese steile Stunde nach Rainer Maria Rilke anstimmt, das Robert Benford Lepley 2008 komponierte. Der letzte Programmpunkt dieses Konzerts, ein wenig als „Zugabe“ abgesetzt, führt dann doch in die Vergangenheit und will auch nicht so ganz zum übrigen Abend passen, ja, klingt fast schon nach einem Spaß, den sich die Sänger erlauben. Aus dem 18. Jahrhundert ertönt Der Mond ist aufgegangen, von Johann Abraham Peter Schulz nach dem berühmten Gedicht von Matthias Claudius komponiert und für den Jazzchor Freiburg von Gröger arrangiert.

Dass der Chor seine Solisten gleich aus den eigenen Reihen besetzt, verwundert niemanden, der ihn erlebt. Raffaela Dilles, Nele Pfleiderer und auch der musikalische Leiter, David Brooke, dürfen mit Mikrofon-Unterstützung glänzen. Sie runden das übervolle vokale Angebot gebührend ab, ehe sich das Publikum nach einer Stunde für einen sättigenden und ungewöhnlichen Abend ausgiebig bedankt. Mehr braucht es zu einem erfüllenden Abend kaum.

Michael S. Zerban