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Leichtfüßige Romanze ohne Opernpathos

BÉATRICE ET BÉNÉDICT
(Hector Berlioz)

Besuch am
5. Mai 2022
(Premiere am 30. April 2022)

 

Oper Köln, Staatenhaus Deutz

Mit einer feinsinnigen Komödie nach Shakespeares Lustspiel Viel Lärm um nichts beendete Hector Berlioz 1862 sein gewaltiges Opernschaffen. Béatrice et Bénédict ist jetzt als Neuinszenierung an der Kölner Oper zu sehen. Und Generalmusikdirektor François-Xavier Roth beweist mit seinem filigranen, leichtfüßigen und farbenprächtigen Dirigat erneut, wie sehr ihm Berlioz am Herzen liegt.

Seinen Amtsantritt bestritt der französische Dirigent vor sieben Jahren mit Berlioz‘ Benvenuto Cellini, am 24. September wird er die neue Saison mit dem monumentalen Musikdrama Les Troyens eröffnen. Béatrice et Bénédict nimmt sich dagegen, ähnlich wie später Verdis Falstaff, wie ein entspannter, abgeklärter Abschiedsgruß von der großen Opernbühne aus. Das von Berlioz selbst verfasste Libretto hält sich eng an Shakespeares Text, was vor allem den ausgedehnten gesprochenen Dialogen zugutekommt. Ohne Straffungen geht es nicht, so dass die skurrile Romanze um zwei eingefleischte Feinde des Ehestandes und des anderen Geschlechts, die am Ende doch ihre Liebe eingestehen und vor den Altar treten, noch stärker in den Mittelpunkt rückt. Wie üblich geht Berlioz auch hier Opernklischees aus dem Weg. Nicht nur die bizarre Beziehung wirkt wie ein Gegenentwurf zu liebestrunkenen Stoffen wie Romeo und Julia oder Tristan und Isolde, auch in der musikalischen Gestaltung geht Berlioz eigene Wege. Ein klassisches Liebesduett gibt es nicht, dafür Arien der Titelhelden, die zuerst die Abneigung und später den Sinneswandel der beiden subtil zum Ausdruck bringen. Neben vitalen Chorpassagen nehmen vor allem die Frauenensembles mit ihrem leicht süßlichen Kolorit für sich ein.

François-Xavier Roth entlockt dem Gürzenich Orchester ein Höchstmaß an klanglicher Delikatesse und führt mit sensibler Hand durch den Abend. Die Sänger scheint er auf den Händen zu tragen. Und die bedanken sich mit einer exzellenten Ensembleleistung.  Mezzosopranistin Isabelle Druet und Tenor Paul Appleby in den Titelrollen treffen stimmlich und stilistisch den lyrisch angehauchten französischen Tonfall des Stücks. Mit glockenklarem Sopran bewältigt Jenny Daviet als Héro die von augenzwinkernder Ironie durchtränkten Koloraturen ihrer Partie. Zusammen mit Isabelle Druet und dem wohlklingenden Mezzo von Lotte Verstaen als deren Vertraute Ursule, einem hoffnungsvollen Mitglied des Opernstudios, bilden deren Duette und Terzette kulinarische Höhepunkte der Aufführung. Nicht zu vergessen der taufrisch agierende Chor der Kölner Oper. Eine raffinierte Zutat steuert Berlioz mit der von ihm erfundenen Figur eines Musikdirektors bei, der mit dem Volk mit der gleichen Verzweiflung wie der Bürgermeister van Bett in Lortzings Zar und Zimmermann eine Lobeshymne auf die siegreichen Truppen einstudieren will. So virtuos Ivan Thirion die Rolle auch ausführt: So vordergründig und gemütlich komisch wie die Regisseruin kann man Kriegspathos heute eigentlich nicht mehr persiflieren.

Jean Renshaw, als Choreografin und Regisseurin gleichermaßen erfahren, sorgt für einen turbulenten Ablauf der relativ kurzen Oper, bedient sich dabei mancher abgedroschener Gags und erreicht nicht ganz das feinfühlige Niveau des Dirigenten. Dass der Handlung ein Krieg vorausgeht, wird nicht reflektiert. Dafür nimmt sie den Militarismus auf eine zu leichte Schulter und belässt es bei banalen Parodien militärischen Pathos‘.

In den raffiniert pittoresken Dekorationen von Paul Cremer geht sie dennoch erheblich sensibler zu Werke als etwa Barrie Kosky mit Offenbachs Orpheus in der Unterwelt im benachbarten Düsseldorf. Eine sizilianische Häuserlandschaft zieht Cremer bis an den Bühnenrand, so dass der Bühnenboden als Teil der Fassade überraschende Effekte zulässt.

Viel Beifall für einen relativ kurzen, amüsanten Berlioz-Abend als Vorgeschmack auf die Mammutaufgabe mit den Troyens im September.

Pedro Obiera