O-Ton

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Aktuelle Aufführungen

Italien-Zauber

ERÖFFNUNGSKONZERT KISSINGER SOMMER
(Diverse Komponisten)

Besuch am
16. Juni 2023
(Einmalige Aufführung)

 

Kissinger Sommer, Max-Littmann-Saal, Bad Kissingen

La dolce vita lautet das attraktive Motto des diesjährigen Kissinger Sommers, und gleich zur Eröffnung entführt die Operngala musikalisch ins Sehnsuchtsland der Deutschen mit Opern-Ausschnitten aus dem Bereich des Belcanto, von Rossini, Bellini, Puccini und Verdi, garniert mit späteren Orchesterstücken, alles präsentiert von hochkarätigen italienischen Interpreten. Das Orchestra Sinfonica di Milano spielt differenziert unter seinem sehr aufmerksam leitenden jungen Dirigenten Vincenzo Milletarì, und es singen Carmela Remigio mit klangschönem Sopran und der Tenor Freddie De Tommaso mit kraftvoll schmetterndem Tenor.

Carmela Remigio – Foto © Nicola Allegri

Das Programm der Opernausschnitte befasst sich zuerst mit tragischer, aber doch erfüllter Liebe, danach aber steht die Gefährdung eines glücklichen Lebens durch Macht und Gewalt im Mittelpunkt. Schon die bekannte Ouvertüre zu Rossinis L‘ Italiana in Algier lässt aufhorchen: Nach dem feinen Pizzicato gibt es viel Federndes, Leichtes, und der Dirigent spürt mit Freude am Wohlklang auch kleinen Gefühlsregungen nach bis zu einem energisch gespannten Schluss. Nichts wirkt da voluminös oder gehetzt. Düster und schmerzlich gefärbt ist der Orchesterbeginn zu Szene und Cavatina der Amenaida aus Tancredi, und die Sängerin betont mit füllig-klarer Stimme und starken Höhen die Dramatik, gefällt aber auch mit innigem Ausdruck. Als Pollione aus Bellinis Norma präsentiert sich De Tommaso als bravouröser Heldentenor mit strahlenden, glänzenden Höhen und geballter Kraft, und Carmela Remigio beeindruckt danach mit dem Paradestück aller dramatischen Soprane, mit Casta Diva, setzt dabei aber mehr auf Innigkeit, gestaltet variabel gesteigerte Linien; nichts klingt hier hart oder zu füllig, alles besitzt eine gewisse Süße. Mit der wunderbaren Arie des Cavaradossi aus dem ersten Akt der Tosca von Puccini reißt dann De Tommaso das Publikum im voll besetzten Saal durch große Weite und strahlende, lang ausgehaltene Höhen mit seinem kräftig kernigen Tenor zu ersten Begeisterungs-Stürmen hin. Nach einem solche Aufwallungen beruhigenden, fein schwärmerischen Intermezzo aus Ruggero Leoncavallos I Pagliacci kommt mit La Bohème von Puccini und den berühmten Arien des Rodolfo Che gelida manina und der Mimì Mi chiamano Mimì sowie dem Duett der beiden aus dem ersten Bild der unbestrittene Höhepunkt vor der Pause.

Freddie de Tommaso – Foto © Craig Gibson

Carmela Remigio hat nun die dramatische Robe gegen ein langes Kleid eingetauscht – das wird sie nochmals tun – und die beiden Solisten spielen und singen die Szene sehr lebendig; der Tenor schwingt sich nach fein schimmerndem Beginn zu fabelhaft gesteigerten Höhen auf, und der Sopran verbreitet neben sanftem, innigem Ausdruck auch viel Glanz, alles vereinigt sich anrührend im Duett. Mit der Fantasie-Ouvertüre Romeo und Julia von Peter Tschaikowsky kommt ein ernsterer Zug ins Konzert, beginnend mit einem choralartig düsteren, durch die Celli dunkel gefärbten Auftakt, dem dann schroffe Verschärfungen mit nur wenig lyrisch schwärmerischen Stellen folgen als Erinnerung an das Liebespaar, bis alles brutal und mächtig endet. Hier kann sich das Orchester exzellent profilieren mit differenziert abstufenden Stimmungen, geleitet von den beschwörenden Gesten des Dirigenten. Die tragische Dramatik dieser Komposition wird mit weiteren Bezügen zu Shakespeare aufgegriffen bei Verdi mit Szene und Arie des Macduff aus Macbeth, vom Tenor mit starker innerer Trauer gestaltet über den Schmerz beim Verlust der Söhne O figli, o figli miei , und als Desdemona aus Otello lässt Carmela Remigio beim schlicht begonnenen Ave Maria schon ahnen, dass sie die Nacht nicht überleben wird; sie kann hier viel innere Verzweiflung, aber auch innige Facetten ausbreiten. Beim Duett aus dem ersten Akt singen die beiden Liebenden noch hoffnungsvoll Gia nella notte densa , er mit heldischem Nachdruck, sie mit schimmernden Höhen, ganz in Hingabe an den Traum einer Liebe versunken in subtilem Glanz.

Da bricht dann der Beifall los, will nicht mehr enden mit Trampeln und Klatschen, und so muss als Zugabe das berühmte Trinklied aus der Traviata her, was den Saal vollends zum Toben bringt, und deshalb gibt es dann nochmals zusätzlich das schöne Duett aus der Bohème.

Renate Freyeisen