O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Foto Hofer

Aktuelle Aufführungen

Tristan mit Happyend

SCHÖN IST DIE WELT
(Franz Lehár)

Besuch am
11. August 2023
(Premiere)

 

Lehár-Festival Bad Ischl

Bei den Lehár-Festspielen in Bad Ischl darf eine Operette des Namensgebers nicht fehlen. In diesem Jahr steht wieder eine Operettenkostbarkeit auf dem Spielplan, in einer halbszenischen Aufführung. Schön ist die Welt ist von den Melodien her eines von Lehárs größten Werken, das heute leider viel zu wenig auf den Opernbühnen zu finden ist.  Komponiert nach einem Libretto von Ludwig Herzer und Fritz Löhner-Beda, erlebte das Werk seine Uraufführung am 3. Dezember 1930 am Metropol-Theater in Berlin mit Richard Tauber und Gitta Alpár in den Hauptrollen. Dabei handelt es sich um die Neufassung der Operette Endlich allein, die am 30. Januar 1914 im Theater an der Wien nach einem Libretto von Alfred Maria Willner zum ersten Mal auf die Bühne kam, aber durch den Beginn des Ersten Weltkrieges nicht weiter gespielt werden konnte. Jahre später arbeitete Lehár das Stück um, schrieb den ersten und dritten Akt komplett neu, führte neue Stilformen und Tänze wie Tango und Slow-Fox ein, was dem Geist der damaligen Zeit entsprach. Herausragend in diesem Stück ist die Musik zum zweiten Akt, die er aber fast unverändert ließ und bei dem – einmalig in der Geschichte der Operette – lediglich die beiden Protagonisten auf der Bühne zu sehen sind. Nur das Lied Liebste glaub an mich wurde hinzugefügt. Die Melodie zu diesem Lied entstammt wiederum der Urfassung der erfolglosen Operette Der Sterngucker. Dort war das Lied noch mit dem Text Und der Herrgott lacht, weils ihm Freude macht zu hören. Und Der Sterngucker wird 2024 bei den Lehár-Festspielen auf dem Programm stehen.

Foto © Foto Hofer

Insbesondere mit der Musik zum zweiten Akt schrieb Lehár eine seiner anspruchsvollsten Partituren und erweist sich als der Wagner der Operette, und Schön ist die Welt somit als sein Tristan mit Happy End. Die Fachkritik war nach der Uraufführung voll des Lobes, nur beim Publikum fand das Werk nicht den erhofften Anklang, trotz der prominenten Besetzung mit Richard Tauber, dem Lehár die Titelmelodie quasi in den Hals komponiert hat. Die Geschichte selbst ist eher banal und heiter, mit den typischen Operettenklischees. Es ist im Übrigen eines der letzten Werke Lehárs mit einem glücklichen Ausgang, ansonsten sind die Werke dieser letzten Schaffensperiode wie bei seinem Freund Giacomo Puccini eher ohne glücklichen Ausgang für die Hauptfiguren.

Nach dem Wunsch seines Vaters soll Kronprinz Georg die Nichte der Herzogin Brankenhorst, die Prinzessin Elisabeth von und zu Lichtenberg, heiraten. Die beiden jungen Leute denken aber nicht im Traum daran, sich den Ehepartner vorschreiben zu lassen. In einem Grandhotel in den Alpen sollen sie das erste Mal aufeinandertreffen und zarte Bande anknüpfen. So geschieht es auch, doch keiner der beiden weiß, wer der andere in Wirklichkeit ist. Was die zwei eint, ist die Liebe zu den Bergen. Elisabeth und Georg machen am nächsten Tag heimlich eine Hochgebirgstour und erfreuen sich an der Natur. Schön ist die Welt hoch in den Bergen. Als die Wanderer vor einer Hütte rasten, vernehmen sie aus dem Radio einen Aufruf an die Bevölkerung, bei der Suche nach der vermissten Prinzessin behilflich zu sein. Zuletzt sei sie von einem Einheimischen in Begleitung eines unbekannten jungen Mannes in Wanderbekleidung gesehen worden. Elisabeth will sofort ins Tal zurückkehren, aber ein Lawinenabgang lässt den Plan scheitern. Wohl oder übel muss das Paar die Nacht in den Bergen verbringen. Dabei kommen sich beide näher und gestehen sich ihre Liebe. Am nächsten Morgen schleichen sich Elisabeth und Georg heimlich ins Hotel zurück. Sogleich sucht die Prinzessin ihre Tante auf und erklärt ihr, die große Liebe ihres Lebens gefunden zu haben, nämlich ihren Bergkameraden. Verärgert müssen sowohl der König als auch die Herzogin feststellen, dass sie den Kindern nicht ihren Willen aufzwingen können. Doch just in diesem Moment taucht Georg auf und lüftet Elisabeth sein Inkognito. Nach einem ersten Entsetzen und trotziger Abwehr gesteht Georg Elisabeth seine Liebe, und nun kann auch Elisabeth nicht mehr widerstehen, das Happyend ist perfekt, und der Plan der arrangierten Ehe hat dann doch funktioniert, aber anders als vorgesehen. Als Nebengeschichte gibt es noch die heimliche Ehe von Graf Sascha Karlowitz, Flügeladjutant des Königs, und der rassigen Tänzerin Mercedes del Rossa. Der König lehnt die in seinen Augen unstandesgemäße Liaison ab, lässt sich aber von Mercedes um den Finger wickeln und gibt am Ende auch diesem Paar seinen Segen.

Foto © Foto Hofer

Im Kongress- & Theaterhaus Bad Ischl steht nun die Premiere von Schön ist die Welt als halbszenische Aufführung auf dem Programm. Das Franz-Lehár-Orchester unter der Leitung von Marius Burkert, Erster Kapellmeister an der Oper Graz und Chefdirigent des Lehár-Festivals Bad Ischl, sitzt auf der Bühne, während die Handlung sich in erster Linie vor dem Orchester und an den Seiten abspielt. Angela Schweiger hat das Stück liebevoll eingerichtet, mit einer Fotokollage von Zeichnungen der Berge und Szenen des Stückes als Projektion im Hintergrund. Der erste und dritte Akt spielen in einem Grandhotel, mit einer kleinen Rezeption und Bar als Requisiten, während der zweite Akt auf einer Berghütte fast ganz ohne Requisiten auskommt. Simone Weißenbacher hat die passenden Kostüme dazu im Stile der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts entworfen, und wie schon bei Madame Pompadour hat Evamaria Mayer die Choreografie übernommen, denn natürlich darf das Ballett nicht fehlen, und in Ischl müssen auch die Chorsänger tanzen, und die Tänzer dürfen sängerisch den Chor unterstützen.

Die Szenen bedienen alle gängigen Operettenklischees, sind heiter und flott, aber ohne Tiefgang, Amüsement pur. Ganz anders der zweite Akt, der fast durchkomponiert ist, mit einem etwa 30-minütigen Liebesduett als Höhepunkt, der auch die beiden Hauptdarsteller vor große Herausforderungen stellt. Der zweite Akt ist große Oper, vielleicht mit das Beste, was die Operettenliteratur bietet, mit lyrischem Duett und dramatischen Ausbrüchen.

Foto © Foto Hofer

Die Sopranistin Sieglinde Feldhofer, festes Ensemblemitglied der Oper Graz, ist eine renommierte Operetten-Diva und für die Rolle der Elisabeth eine Idealbesetzung. Ihre besten Momente hat sie, wenn sie solo singt, dann entfaltet sich ihr wohltimbrierter Sopran zu cantabilen Höhen, auch die dramatischen Ausbrüche meistert sie gut, wenngleich gelegentlich eine Schärfe im Ausdruck nicht zu überhören ist. Etwas problematischer sind die Duette mit Thomas Blondelle als Georg. Blondelle kommt von der Deutschen Oper Berlin und hat sich in der letzten Zeit auf das Wagner-Fach spezialisiert. In der kommenden Spielzeit wird er als Loge im Rheingold zu hören sein. Und das ist genau das Handicap für diese Partie. Blondelle geht die Partie so dramatisch an, als sei der Georg eine Wagner-Partie, was mit der zusätzlichen Verstärkung durch die Mikroports besonders in den Höhen unangenehm erklingt, da er die Höhen teilweise presst und zu stark forciert, was wiederum Feldhofer in Zugzwang bringt, auch unnötig zu forcieren. Das ist nicht sehr ausgewogen, vielleicht müsste da auch die Tontechnik reagieren. Im zweiten Teil des zweiten Aktes wird es dann besser, da nimmt Blondelle sich etwas zurück, und kann seinen baritonal gefärbten Tenor gut zur Geltung bringen. Von der Titelmelodie Schön ist die Welt, wenn das Glück dir ein Märchen erzählt gibt es noch eine Aufnahme von 1930 mit Richard Tauber, der das Lied in den Höhen durchaus dramatisch angeht, aber die Stimme sich nicht verengt. In diesem Fall ist weniger manchmal mehr. Trotzdem ist die Leistung der beiden Hauptdarsteller sängerisch und spielerisch auf ganz hohem Niveau. Jonathan Hartzendorf als Adjutant Graf Karlowitz überzeugt durch einen schönen Buffo-Tenor und komödiantisches Spiel, während die gebürtige Bad Ischlerin Katharina Linhard als Mercedes bei ihrem Debüt beim Lehár-Festival mit schönem leichtem Sopran und kokettem Spiel aufhorchen lässt. Der Bariton Gerd Vogel beeindruckt als König mit noblem Bariton und distinguiertem Spiel, während Klára Vincze als Mitglied des Chors des Lehár-Festivals mit der Partie der Herzogin Brankenhorst stimmlich doch an ihre Grenzen kommt. Joseph Terterian als Jazzsänger und Johannes Hubmer als chaotischer Hoteldirektor fügen sich nahtlos in das insgesamt auf hohem Niveau agierende Ensemble ein, mit einem wieder durch Matthias Schoberwalter gut disponierten Chor.

Der Star des Abends ist eindeutig das Franz-Lehár-Orchester unter der Leitung von Marius Burkert. Es spielt einen intensiv klingenden Lehár, mit großen Orchesterbögen und nuancierten Phrasierungen, die Lehárs Kompositionsstil besonders differenziert herausarbeiten. Der zweite Akt gelingt großartig, hier kann das Orchester seine Expertise in Sachen Lehár voll ausleben.

Am Schluss ist das Premierenpublikum begeistert, auch dem Kaiser Franz-Josef und seiner Sisi, die als Ehrengäste in der ersten Reihe sitzen, gefällt die Aufführung. Das ist das besondere an diesem Lehár-Festival in Bad Ischl, dass neben den bekannten Operettenklassikern auch immer wieder Raritäten und Kostbarkeiten vorgeholt werden. Schön ist die Welt hätte es auch verdient, als szenisches Werk aufgeführt zu werden.

Andreas H. Hölscher