Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
SPANNUNGEN 2023 TEIL 2
(Diverse Komponisten)
Besuch vom
21. bis 25. Juni 2023
(Einmalige Aufführungen)
Mit Olivier Messiaens Quartett vom Ende der Zeiten fanden die diesjährigen „Spannungen“ im Wasser-Kraftwerk Heimbach einen ebenso bewegenden wie von Hoffnung getragenen Abschluss. Ein in dunkler Zeit entstandenes Werk, von dessen spiritueller Sogwirkung sich Lars Vogt immer wieder inspirieren ließ. Diesmal führt Kiveli Dörken den Klavierpart aus, die vom Eröffnungs- bis zum Finaltag ein gewaltiges Pensum stemmt. Für die weltentrückten Meditationen der zentralen Sätze sitzen ihr zur Seite die Klarinettistin Sharon Kam, der Cellist Gustav Rivinius und der Geiger Christian Tetzlaff. Alle vier enge Vertraute und Freunde des verstorbenen Festivalgründers. Die letzten, in überirdische Höhen entschwebenden Töne des Werks blieben dem Geiger vorbehalten, der damit eine Brücke zu einer neuen Ära des Festivals herstellen kann. Denn Christian Tetzlaff wird als künstlerischer Leiter die nächsten Jahre des Festivals prägen. Mitgetragen hat er Vogts Lieblingsprojekt bereits von der ersten Stunde an. Wie auch seine Schwester, die Cellistin Tanja Tetzlaff, und sogar seine Tochter Marie war im letzten Jahr mit ihrer Oboe bei den „Spannungen“ aktiv. Tetzlaff stand, wie auch die Geigerin Antje Weithaas, seinem Freund in den letzten Stunden an dessen Sterbebett zur Seite und versprach ihm, das Festival unter allen Umständen fortzusetzen.
Mächtigen Respekt habe er vor der Herausforderung, in die „großen Schuhe“ seines Freundes zu treten. Wobei er sich auf seine Kollegen verlassen könne, die, ungewohnt in einer „Welt der Paradiesvögel und Einzelkämpfer“, in Heimbach eine echte „Familie“ gefunden hätten. Und wie kooperativ und freundschaftlich es in dieser keineswegs geschlossenen, sondern neuen Talenten immer offenstehenden Familie zugeht, zeigt die reibungslose Gestaltung des diesjährigen Festivals, das Sharon Kam, Antje Weithaas und die Bratscherin Barbara Buntrock in wenigen Monaten auf die Beine gestellt haben.
Hans-Joachim Güttler und Christian Tetzlaff – Foto © Georg Witteler
Auch organisatorisch hat der „Arbeitskreis Spannungen des Kunstfördervereins Düren“ mit zahllosen Helfern und Unterstützern wieder ganze Arbeit geleistet. Dessen Vorsitzender, Hans-Joachim Güttler, kann deshalb mehr als zufrieden zurück- wie auch vorwärtsschauen. „Spannungen 2023 hat sowohl von der musikalischen Seite als auch in Hinsicht auf den Besucherzuspruch alle unsere Erwartungen übertroffen. Eine Besucherauslastung von über 90 Prozent zeigt uns, dass auch die Pandemie und selbst der Tod unseres Gründers und Mentors, Lars Vogt, dem Festival nichts von seiner Strahlkraft nehmen konnten. Mich persönlich hat insbesondere beeindruckt, mit welcher Aufmerksamkeit, Interesse und Begeisterung das Publikum die täglichen Uraufführungen der namhaftesten europäischen Komponisten angenommen hat“, sagt Güttler.
Dass sich renommierte Komponisten von Olga Neuwirth bis Manfred Trojahn, von Detlev Glanert bis Thomas Larcher bereit erklärt haben, ihren Respekt gegenüber Lars Vogt durch kurze, gleichwohl anspruchsvolle Kreationen zum Ausdruck zu bringen, unterstreicht die internationale Vernetzung Vogts und seiner „Heimbach-Familie“. Ein Respekt, der nicht nur dem herausragenden Pianisten und Musiker gilt, sondern auch dem warmherzigen, kollegialen und bodenständigen Menschen.
Die meisten der klingenden Referenzen strahlen eine große, konfliktarme Ruhe aus. Auch Jörg Widmanns Torso für zwei Violinen und Klavier … und wenn wir uns mitten im Leben meinen … nach einem Gedicht Rilkes, von dem sich die Interpreten Tetzlaff, Weithaas und Dörken sichtbar berührt fühlen. Auch das Auftragswerk der englischen composer in residence Charlotte Bray, A lost Place für Streichtrio, erweist sich als fein ziselierte, sensible Komposition, die der Geiger Javier Comesaña, der Bratscher Jan Larsen und Gustav Rivinius am Violoncello filigran zum Klingen bringen.
Zurück liegt eine Woche, erfüllt von der Erinnerung an Lars Vogt und beflügelt von dessen Nachwirkung. Große, nachdenklich stimmende Werke wie Tschaikowskys ausladendes Klavier-Trio, Joseph Haydns von Rezitationen Isabelle Vogts ergänzte Sieben letzte Worte und natürlich Messiaens Quartett setzen angemessen ernste Akzente, die aber die insgesamt vielfältige Programmzusammenstellung nicht überwuchern.
Die Freude über das Weiterleben des Festivals ist stets zu spüren. Bei den Zuschauern, den Interpreten und den Veranstaltern.
Pedro Obiera