O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Oliver Vogel

Aktuelle Aufführungen

Schmetterling in der Strandmuschel

MADAMA BUTTERFLY
(Giacomo Puccini)

Besuch am
12. Juli 2024
(Premiere am 4. Juli 2024)

 

Opernfestspiele Heidenheim, Konzerthaus

Madama Butterfly gehört mit zu den beliebtesten Opern. Bei den Besuchern wohlgemerkt. Die Regisseure beißen sich zum Teil daran die Zähne aus. Nicht so Rosetta Gucchi in Heidenheim, die die fast dreistündige Oper mit einer klug durchdachten Personenführung realisiert. Leider kann die besuchte Aufführung nicht im Rittersaal der Schlossruine stattfinden, das Wetter spielt nicht mit.

Die Geschichte ist hinreichend bekannt. Der Marineleutnant Pinkerton aus den USA trifft in Japan auf die fünfzehnjährige Cio-Cio-San, die Geisha Butterfly. Er begehrt und heiratet sie nach japanischem Recht. Das ist für ihn eher ein Abenteuer ohne Rücksicht auf die Gefühle Butterflys: „… che di rincorrerla furor m’assale – se pure infrangerne dovessi l’ale“ – … dass mich ein wildes Verlangen packt – selbst wenn ich ihre Flügel zerreißen müsste. Von vorneherein ist ihm klar, dass er später nach amerikanischem Recht nochmals heiraten wird. Für Cio-Cio-San bedeutet diese Ehe alles, sie opfert ihre Religion dafür und wird von ihrer Familie verstoßen. Und als Pinkerton nach Amerika zurückkehrt, hofft sie, inzwischen von ihm Mutter geworden, jahrelang unbeirrbar auf seine Rückkehr. Es kommt, wie es kommen muss, Pinkerton erfährt von dem Kind und kommt mit seiner inzwischen ihm angetrauten amerikanischen Frau zurück, um das Kind zu holen. Butterfly aber begeht angesichts der ausweglosen Situation Selbstmord.

Foto © Oliver Vogel

Was innerlich ein großes Drama darstellt, zeigt äußerlich wenig Bewegung. Die Handlung spielt zunächst auf einem Hügel bei Nagasaki und später in Butterflys Haus. Regisseurin Gucchi verlegt das Geschehen in eine Vergnügungsmeile mit Prostituierten in den Fenstern, in der sich Pinkerton anfangs Appetit verschafft auf weitere Vergnügungen. In ihrer sehr subtilen Personenregie legt sie großen Wert auf die Negativzeichnung Pinkertons, anfangs im grellbunten Hawaiihemd daherkommend, der sich in der Manier eines modernen Sextouristen geriert – die Kostüme hat Claudia Pernigotti geschaffen. Cio-Cio-San ist die jugendliche Unbedarfte, die Schwärmerische, Leidende. Pernigotti hat der Geisha zunächst ein weiß-blaues Matrosenkleidchen, später einen weißen Kimono zugewiesen. Auch in den Kostümen weiterer Figuren wird der Gegensatz zwischen Japan und Amerika verdeutlicht.

Bühnenbildner Tesche hat hierfür einen muschelähnlichen Bau aus weißen Streben entworfen, um den und in dem sich alles abspielt. Auf Dauer erschöpft sich das Bild allmählich, auch wenn mit kleinen Accessoires gearbeitet wird – so fliegen am Ende weiße Luftballons aus einer gläsernen Box wie die Träume der Hauptfigur hinweg.

Olga Busuioc als Cio-Cio-San verfügt über eine wirklich große lyrisch-dramatische Stimme. Tut sie sich anfangs noch etwas schwer, sie dem Raum anzupassen, wird sie im Laufe der Aufführung geschmeidiger, sensibler und zeigt vermehrt schöne Piani und ein durchaus einnehmendes Timbre. Insgesamt ist sie eine intensive und Mitgefühl erregende Darstellerin, der die Zuschauer gerne folgen. Eine jugendliche, 15-jährige Geisha vermittelt sie durch ihr Spiel, stimmlich würde man sie von der Färbung und Stimmgebung her eher in etwas dramatischeren Rollen ansiedeln.

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Héctor Sandovals von der Bruststimme kommender Tenor passt gut zu dem potenten, unerbittlichen Macho, den er darstellt. Manchmal etwas grob, mit nur sparsamen Piani singt er den Pinkerton. Julia Rutigliano ist eine sehr ausdrucksstarke Suzuki, die mit ihrem fülligen, runden und dunkel gefärbten Mezzosopran in den Duetten mit Cio-Cio-San sehr gut gefällt. Ebenso ansprechend ist Gerrit Illenberger als Konsul Sharpless, hier ist der Name der Figur Programm, singt er doch einen sehr frei strömenden, warmen Bariton, eine Idealbesetzung für diese vermittelnde, einfühlsame Rolle. Musa Nkuna, der im letzten Jahr in Heidenheim schon in einer kleinen Produktion als Woyzeck brillierte, fällt auch hier sehr angenehm mit hellem, gut verständlichem Tenor und ausdrucksstarkem Spiel auf. Alle weiteren kleineren Rollen sind durchwegs gut besetzt.

Der Tschechische Philharmonische Chor Brünn zeigt unter der Einstudierung von Joel Hána und unter der Leitung von Petr Fiala einmal mehr sein absolut überzeugendes Können, sei es im blitzsauberen, obertonreichen und harmonischen Gesang oder im ergreifenden Summ-Chor.

Marcus Bosch leitet die Stuttgarter Philharmoniker mit viel Dramatik und großer Emotion, stellt die Konflikte durch die Musik klar heraus und langt insbesondere bei Cio-Cio-Sans Euphorieausbruch angesichts der Rückkehr Pinkertons kräftig zu. Ganz deutlich und in vielen instrumentalen Figuren fein herausgearbeitet, weiß das Orchester mehr als die Protagonisten auf der Bühne, entwickelt die Dramatik des Geschehens fernab einer eingleisig-süßlichen Interpretation.

Die Heidenheimer Butterfly ist noch bis zum 27. Juli zu sehen, mit viel Glück in diesem verregneten Sommer auch in der Schlossruine.

Jutta Schwegler