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DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN
(Leoš Janáček)
Besuch am
16. Dezember 2022
(Premiere)
Es ist gewiss eine der schönsten, tiefgründigsten und zugleich filigransten musikalischen Reflexionen über die Licht- und Schattenseiten des Lebens, die Wunder und Gefahren der Natur, die Wandlungen der Liebe und nicht zuletzt den Tod. Auf knappe 90 Minuten komprimiert Leoš Janáček in seiner Oper Das Schlaue Füchslein seine Sicht auf das Werden und Sterben der irdischen Geschöpfe. Auch wenn er, im Gegensatz zur literarischen Vorlage von Rudolf Těsnohlídek, in seiner Oper das Füchslein Schlaukopf am Ende sterben lässt, wird der Kreislauf des Lebens nicht unterbrochen, sondern durch die Kinder fortgesetzt. Ebenso wenig erstarren die Gefühle des gealterten Försters für seine unerwiderte Jugendliebe Terynka, die er in dem Füchslein aufleben lässt.
Es ist ein abgeklärter, gelassener und niemals pathetischer oder dramatisch überhöhter Ton, der das Werk durchzieht, in dem der 70-jährige Komponist eigene Erfahrungen und Befindlichkeiten ohne Gram einfließen lässt und in magische Klänge von unverkennbarer Identität taucht. Dafür lässt er schöne Erinnerungen an die Fauna und Flora des Waldes mit ihren märchenhaften Lichtspielen erstehen. Gleichwohl ist kein Idyll zu erleben, denn der Überlebenskampf beherrscht alle menschlichen und tierischen Wesen. Und die meisten sind gefangen in realen Ketten wie der Hofhund oder unsichtbaren wie der Förster in seiner verbrauchten Ehe.
Foto © Bettina Stöß
Die Themen und Aspekte sind so vielfältig, dass Intendant Michael Schulz in seiner Inszenierung am Gelsenkirchener Musiktheater im Revier aus dem Vollen schöpfen kann, ohne zu eigenen verkrampften Überinterpretationen greifen zu müssen. Er vertraut dem Werk und entfaltet mit viel Fantasie, Bühneninstinkt und handwerklicher Präzision ein differenziertes Psychogramm in der Kulisse eines pittoresken Märchenwaldes. Dafür verdienen Bühnenbildnerin Heike Scheele und Kostümbildnerin Martina Feldmann ein Sonderlob. Es wimmelt von zauberhaftem Getier in originellen Outfits, und die Szenarien verbreiten in ihren halb realistischen, halb bilderbuchartigen Bildern eine reizvolle Zwischenwelt zwischen Märchen und Wirklichkeit.
Schulz lässt die Tierparade voller Insekten, Hühner, Dachse und Krähen vital und mit hintergründigem Humor aufspielen und arbeitet die komplexen Beziehungen zwischen den Figuren sorgfältig aus. Das betrifft die Liebesromanze zwischen der Titelheldin und ihrem gleichartigen Geliebten, mehr noch die problematische Beziehung zwischen dem Füchslein und dem Förster. Beide Hauptrollen sind mit Bele Kumberger und Johannes Martin Kränzle geradezu ideal besetzt.
Kränzle, der international renommierte Bariton als Gast, der sich von seiner schweren Krankheit vor acht Jahren so weit erholt hat, dass er mittlerweile in Bayreuth einen der besten Beckmesser der letzten Jahrzehnte verkörpern konnte, bietet eine stimmlich und gestalterisch ergreifende Darstellung der komplexen Figur. Mit einer feinen Dosis Melancholie und einer Menge Altersweisheit, quasi ein Hans Sachs im Märchenwald. Und Bele Kumberger spielt das lebenslustige Füchslein mit sprühender Energie und einer Prise Koketterie souverän aus, stimmlich bewältigt sie die Klippen der Partie mühelos und mit makellosem Glanz. Die gute Ensemblearbeit am Musiktheater im Revier spiegelt sich in der vorzüglichen Besetzung der vielen weiteren Rollen. Und auch der Chor inklusive des Opernkinderchors der Chorakademie Dortmund trägt wesentlich zum exzellenten vokalen Niveau der Aufführung bei.
Nicht minder die Neue Philharmonie Westfalen, die Generalmusikdirektor Rasmus Baumann zu einem ebenso leuchtkräftigen wie sensiblen Spiel animiert, so dass die gesamte Produktion einen Höhepunkt der Saison markiert. Entsprechend begeistert fällt der Beifall des Premierenpublikums aus.
Pedro Obiera