O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Aktuelle Aufführungen

Virtuos von Bach bis Bernstein

ETERNUM SAXOPHON-QUARTETT
(Diverse Komponisten)

Besuch am
25. November 2023
(Einmalige Aufführung)

 

Kirche Alt St. Ulrich, Frechen

Die Stadt Frechen liegt im Rhein-Erft-Kreis, westlich von Köln im Rheinischen Braunkohlerevier. Mit ihren rund 53.000 Einwohnern verfügt sie über ein eher überschaubares kulturelles Angebot, das überwiegend von den Bürgern aufrechterhalten wird. Darunter findet sich ein überregional wenig bekanntes Kleinod im Ortsteil Buschbell, die einstmals evangelische Kirche Alt St. Ulrich. Zur Jahreswende 2008/9 entstand hier ein „kulturelles Begegnungszentrum für Menschen mit und ohne Behinderung“, das ursprünglich auf das Engagement eines privaten Förderers zurückging. Heute veranstaltet dort ein Förderverein rund 40 Konzerte im Jahr. Da werden einerseits bewusst Frechener Musiker berücksichtigt, aber auch durchaus große Namen sind in den Programmen mit einer beachtlichen Bandbreite vertreten.

Dass auch namhafte Künstler den Weg ins Abseits großer Städte finden, dürfte wohl neben der freundlichen Aufnahme an der feinen Spielstätte liegen: Eine kleine Kirche aus dem Jahr 1741 wurde um ein Gemeindezentrum erweitert und mit neuester Technik versehen. Der Kirchenraum ist beheizt, und die Hitze der Scheinwerfer, die den Altarraum einfach, aber stimmungsvoll ausleuchten, sorgt selbst auf der Bühne für angenehme Betriebstemperatur. Einen besonderen Eindruck hinterlässt in dem vergleichsweise kleinen, aber hohen Raum die Akustik, von der sich an diesem Abend nicht nur die Besucher, sondern auch die Musiker des Eternum Saxophon-Quartetts faszinieren lassen dürfen.

Filip Orlović – Foto © O-Ton

2017 lernten sich die vier jungen Musiker an der Musikhochschule Köln kennen und beschlossen, fortan gemeinsam mit einem der schönsten und vielseitigsten Instrumente überhaupt die Welt zu beglücken. Mari Ángeles del Valle Casado ist in Andalusien geboren. In Köln legte sie ihr Konzertexamen ab und erlangte einen Master im Fach Neue Musik. Mit gerade mal 28 Jahren erhielt sie einen Lehrauftrag an der Musikhochschule, den sie bis heute erfüllt. Im Quartett löste sie Gründungsmitglied Anna-Marie Schäfer am Sopran-Saxofon ab. Aus Slowenien stammt Eva Kotar, die ihren Master in Köln absolvierte und das Studium daraufhin in Paris vervollkommnete. Bei Eternum übernimmt sie das Alt-Saxofon. Ebenfalls aus Slowenien kommt Ajda Antolovič, die im Quartett für das Tenor-Saxofon zuständig ist. Hahn im Korb ist Filip Orlović, der in Serbien geboren ist, und im Ensemble das Bass-Saxofon spielt. Alle vier arbeiten außerhalb des Quartetts als Solisten und haben so bereits zahlreiche internationale Preise abgeräumt. In diesem Jahr wurde das Debüt-Album Voyages veröffentlicht, das Grundlage des heutigen Konzerts ist.

Wechselweise übernehmen die Musiker die Moderation im nahezu vollbesetzten Saal. Schon fliegen ihnen die Herzen des Publikums zu, wenn sie versuchen, fließend akzentfrei deutsch zu sprechen. Ja, das eine oder andere klingt ein wenig auswendig gelernt, aber allein das Bemühen, dem Publikum den Respekt zu erweisen, es in seiner Sprache anzusprechen, sorgt von Anfang an für größte Sympathie.

Den Abend beginnt das Quartett gleich mal mit einem Schlager aus dem 16. Jahrhundert. Mille regretz von Josquin des Prez wurde in ganz Europa gesungen und gespielt. „Tausendfaches Bedauern, dass ich dich verlassen muss …“ beginnt das Lieblingslied Karls V, in dem der Protagonist Abschied von der Geliebten nimmt. Aus dem 18. Jahrhundert stammt die dreisätzige Sinfonia in B-Dur opus 18 von Johann Christian Bach. Schon jetzt deutet sich an, was sich später noch deutlicher zeigen wird. Das Zusammenspiel von vier verschiedenen Instrumenten erfordert einige Kunstfertigkeit, wenn es klingen soll. Wenn aber vier Saxofone so meisterhaft wie hier ein Werk zusammenfügen, ist ungleich mehr Virtuosität erforderlich, will man es in seiner ganzen Tiefe ausloten.

Mari Ángeles del Valle Casado – Foto © O-Ton

Etwas ganz Besonderes können die vier im Anschluss präsentieren. Die erste Komposition, die eigens für sie geschrieben wurde. Helena Cánovas i Parés hat sie im vergangenen Jahr fertiggestellt und ihr den poetischen, wenn auch etwas langgeratenen Titel Ich träumte, dass ich in demselben Garten eingeschlafen war und den Atem von jemandem auf meiner Wange spürte. Kein Titel, der sich für irgendwelche Bestenlisten eignet, aber ein Stück musikalischer Gegenwart, das vom Publikum begeistert aufgenommen wird. 1934 erschien das Saxophon-Quartett opus 109 von Alexander Glasunow, aus dem das Eternum Quartett den zweiten Satz spielt, ehe es das Publikum in die Pause entlässt.

Die Oper La vida breve – das kurze Leben – ist ein lyrisches Drama in zwei Akten und vier Bildern von Manuel de Falla aus dem Jahr 1913. Aus dieser „spanischsten aller Opern“ spielen die Saxofonisten den Spanischen Tanz Nr. 1, ein gelungener Auftakt für den zweiten Teil, in dem es anschließend auf eine kleine Reise geht. Eigentlich heißt er Willem van Merwijk, als Komponist nennt er sich Guillermo Lago. Und inzwischen ist er weltweit richtig gut im Geschäft. Unter dem Titel Ciudades, also Städte, hat er eine Reihe von Stücken geschrieben, in denen er seine Eindrücke von verschiedenen Städten dieser Erde musikalisch verarbeitet. Was allerdings Köln angeht, muss er, zumindest in rheinischen Ohren, irgendetwas Schreckliches erlebt haben. Da fehlt jede Identifikation, und es liegt mit Sicherheit nicht am Spiel der Musiker. Besser läuft es da schon mit Addis Abeba und Sarajevo. Das letzte Stück im Programm führt nach Amerika. 1935 wurde die Oper Porgy and Bess in New York uraufgeführt. George Gershwin nannte sie „folk opera“, und sie sollte das Völkergemisch in Brooklyn wiedergeben. Später gab es die Suite für den Konzertsaal, aus der die Saxofonisten einige Beispiele zum Besten geben. Muss man eigens erwähnen, dass Summertime dabei ist und ganz wundervoll interpretiert wird? Das übrigens seine Wurzeln in einem ukrainischen Volkslied hat.

Um einen großartigen Abend zu einem würdigen Abschluss zu bringen, gibt es als Zugabe noch ein Stück von Leonard Bernstein. Es gäbe sicher noch viel über das wunderbar tiefgründige und doch so federleichte Spiel des Quartetts zu berichten, aber der wichtigste Hinweis ist sicher, nach dem nächsten Auftritt Ausschau zu halten, um dieses einzigartige Erlebnis selbst zu genießen.

Michael S. Zerban