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Aktuelle Aufführungen
TRISTAN UND ISOLDE
(Richard Wagner)
Besuch am
31. Oktober 2021
(Premiere)
Auf Richard Wagner wollte die Deutsche Oper am Rhein auch in der Pandemie trotz massiver Einschränkungen nicht verzichten. Skepsis war angebracht, als man Tristan und Isolde den Bedingungen anpasste und die einzelnen Akte in Düsseldorf zunächst häppchenweise an drei Tagen präsentierte. Dass das Konzept dennoch überzeugen kann, beweist jetzt die Premiere der ersten vollständigen Aufführung im Duisburger Theater.
Eberhard Kloke, langjähriger Chefdirigent der Bochumer Symphoniker, und Generalmusikdirektor Axel Kober haben es sich mit ihrer Bearbeitung nicht leicht gemacht, indem sie die Größe des Orchesters nicht einfach reduzierten, sondern dem Hauptorchester ein Quintett mit Englischhorn und vier Streichern auf der Bühne gegenüberstellen, das den introvertierten Passagen der Titelhelden eine intim anrührende Transparenz verleiht. Damit überzieht Kloke das Werk mit einer zweiten instrumentalen Folie, die geschickt in den Gesamtablauf integriert wird. Wie überhaupt das Werk durch die Bearbeitung nichts an dramatischer Schlagkraft und klanglicher Glut verliert.
Das Instrumentalquintett ist Bestandteil der Inszenierung. Es taucht an vielen Stellen auf der Bühne auf und zu Isoldes einsamem Liebestod füllt sich die Bühne mit weiteren Musikern der hochmotiviert aufspielenden Duisburger Philharmoniker, die der selbst am Ende noch taufrisch wirkenden Isolde von Alexandra Petersamer ein würdiges Geleit auf dem Übergang in eine andere Welt schenken.
Foto © Hans Jörg Michel
Dass sich auch Regisseur Dorian Dreher und Bühnenbildnerin Heike Scheele unter den bekannten Bedingungen einschränken mussten, wird ebenfalls geschickt überspielt. Betont wird einerseits die Einsamkeit, der das Paar unterworfen ist. Man kommt trotz Liebestranks und raffiniert organisierter Ausbruchsversuche nicht zusammen. Am Ende ist es Isolde nicht einmal vergönnt, den sterbenden Tristan in Armen halten zu dürfen. Sie kann nur noch den Sarg umtrauern. Und Tristan selbst ist durch die zehrende Sehnsucht nach der unerfüllbaren Liebe so geschwächt, dass Melot kein Schwert zücken muss, um Tristan tödlich zu verletzen. Den gewaltigen Sterbemonolog Tristans im dritten Akt inszeniert Dorian Dreher als Fiebertraum eines innerlich todwunden Menschen, der das Ende herbeisehnt.
Andererseits wird in der Inszenierung deutlich, dass jeder Versuch eines Zusammentreffens von der Öffentlichkeit argwöhnisch beäugt wird. Eine Intimsphäre eröffnet sich für Tristan nur in den Wahnvorstellungen des Schlussakts und für Isolde im Hinübergleiten in eine bessere Welt.
All das ist präzise durchdacht und wird überzeugend ausgeführt, wobei für die Titelpartien mit Daniel Frank und Alexandra Petersamer zwei konditionell starke Interpreten zur Verfügung stehen, die den fünfstündigen Abend ohne stimmliche Ermüdungserscheinungen durchstehen und sich von Akt zu Akt sogar noch steigern. Ihnen zur Seite stehen, ebenfalls auf beachtlichem Niveau, Katarzyna Kuncio als Brangäne, Richard Šveda als Kurwenal und geradezu überragend Hans-Peter König als König Marke. Getragen von der von Axel Kober in Sachen Wagner gewohnten Intensität und Souveränität am Pult der vorzüglich aufspielenden Duisburger Philharmoniker.
Begeisterter Beifall für einen großen Wagner-Abend.
Pedro Obiera