Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
COME IN
(Twyla Tharp, Aszure Barton)
Besuch am
12. Februar 2022
(Premiere)
Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg, Theater Duisburg
So einhellig wie jetzt die Begeisterung des Duisburger Publikums fielen die Kritiken nach der Düsseldorfer Premiere des zweiteiligen Ballettabends Come in im September nicht aus. In der Tat stellte Ballettdirektor Demis Volpi Stücke zweier großer Choreografinnen zusammen, die nach wie vor für Diskussionsstoff sorgen dürften. Als neues Stück Commentaries on the floating world der amerikanischen Ikone Twyla Tharp, die die Einstudierung während der Pandemie aus New York online ausführen musste, und die 2006 uraufgeführte Kreation Come in der jüngeren kanadischen Choreografin Aszure Barton.
Der Titel von Twyla Tharps Kommentaren zur fließenden Welt ist Programm und trifft zugleich das Problem des Stücks. Im Mittelpunkt steht ein strahlender, von Niklas Jendrics charismatisch dargestellter Held, der im Laufe seines Lebens allegorisch oder real dargestellten Einflüssen der Umwelt unterworfen wird. Es treten Gefährten, aber auch gefährliche Demagogen auf, die Jugend und die Zeit erinnern ihn an die Vergänglichkeit, ein grober Mob und anmutige Revue-Girls deuten Licht und Schatten des Lebens an. Im Hintergrund vollführt als Fixstern ein „North Star“ an die 40 Minuten lang pausenlos Bewegungsformationen aller Art. Mit grandioser Kondition von Julio Morel durchgezogen.
Foto © Bettina Stöß
Zu den simplen Repetitionen der minimalistischen Musikkulisse Terry Rileys entwickelt die Choreografin ein detailreiches Kaleidoskop dieses fiktiven Heldenlebens. Stilistisch von abstrakten Bewegungsmustern bis zum Spitzentanz der „Chorus Ladies“ reichend. Alles fantasievoll und minutiös ausgearbeitet. In der filigranen Dichte allerdings auch überladen, so dass man von der Fülle der Ideen und unzähligen Mini-Sequenzen geradezu erschlagen wird.
Ganz im Gegenteil zu Aszure Bartons Stück Come in, das in seiner einfachen Struktur schon fast zu schlicht wirkt. Gedacht war Come in als Solo-Stück in Verehrung für den legendären Tänzer Mikhail Baryschnikow, wurde dann aber auch für größere Besetzungen umgearbeitet. Das Ballett am Rhein entschied sich für eine Fassung für zwölf männliche Tänzer. Barton entwickelt ein Männerbild, das in seiner Sanftheit einen schroffen Kontrast zu maskulinen Klischees eines muskelspielenden Helden bietet. Keine Kraftakte, keine Aggressionen, keine akrobatischen Hebungen oder Sprünge trüben die Symphonie weicher Bewegungen, gespickt mit typischen Gesten Baryschnikows. In der konzentrierten Ausführung durch das Ballett am Rhein entgleitet die Choreografie dennoch an keiner Stelle in feminine Gefilde. Trotz des an der Grenze zu süßlichem Kitsch schlingernden Violinkonzerts von Vladimir Martynov, das mit unzähligen Wiederholungen der gleichen banalen Melodie die Choreografie sentimental aufzuweichen droht. Eine Gefahr, die auch die Duisburger Philharmoniker mit ihrem Solisten Siegfried Rivinius unter der Leitung von James Williams nicht ganz bannen können.
Gleichwohl hymnische Begeisterung nach zwei Stücken, die niemanden verschrecken dürften.
Pedro Obiera