O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Aktuelle Aufführungen

Gelungene Feiertagsmischung

WEIHNACHTEN BEI SCHRÖDERS
(Diverse Komponisten)

Besuch am
22. Dezember 2023
(Zweite Aufführung)

 

Kabarett Flin, Düsseldorf

Nö, nach Weihnachtsfeier ist einem bei dem Wetter so überhaupt nicht zumute. Es regnet in Strömen, die Straßenbahn, die die Ludenberger Straße emporprescht, erinnert mit ihrer Bugwelle eher an ein Hovercraft. Der kurze Weg vom Parkplatz bis zum Kabarett Flin reicht, um vollkommen durchnässt zu sein. Das ist in der behaglichen Atmosphäre des kleinen Theaters schnell vergessen, das bereits bis auf den nahezu letzten Platz besetzt ist. Noch werden die letzten Gäste mit Essen und Getränken versorgt.

Die Bühne ist bereits vorbereitet. Rechts ein kleiner Tisch mit karierter Decke und einem Stuhl, links ein E-Piano, das so aussieht, als habe sich hier ein Musiker sein Trauminstrument geleistet, das in allen Fällen einsetzbar ist und gleich auch noch ein kleines Orchester imitieren kann. Dahinter ist ein Monitor aufgehängt. Als die Lichter ausgehen und die letzten Gespräche im Publikum allmählich verstummen, wird es auf der Bühne August. Vater Klaus am Piano und Mutter Noémi führen erste Gespräche über das bevorstehende Weihnachtsfest, zu dem die Familie, die in der ganzen Welt verstreut ist, zusammenkommen soll. Wer das Kabarett Flin kennt, ahnt, dass sich daraus keine Ehekrise entwickeln wird. Und wer Noémi Schröder und Klaus Claas schon einmal erlebt hat, weiß, dass Schröder für den Gesang und das Bühnenprogramm, Claas für die musikalische Gestaltung zuständig ist. Ach ja, und dass das Publikum heute Abend ausdrücklich zum Mitsingen aufgefordert ist, konnte es im Vorfeld lesen.

Klaus Claas – Foto © O-Ton

Da gelingt der Einstieg mit In der Weihnachtsbäckerei schmissig. Und schon geht es hinein in eine wunderbare Tradition aus den Niederlanden. Zie ginds komt de stoomboot heißt ein bekanntes Sinterklaas-Lied, auf Deutsch „Sehen Sie, da kommt ein Dampfboot“, das Schröder vorträgt. Es beschreibt die Ankunft von Nikolaus, der in den Niederlanden noch einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland hat. Die Sängerin lässt sich allerdings nicht auf die „politisch korrekten“ Diskussionen ein, mit denen eine Minderheit in den Niederlanden versucht, den Spaß an den alten Traditionen zu verderben. Vielmehr zeigt sie den Unterschied zum amerikanischen Santa Claus auf, einer Erfindung von Coca Cola, der nur deshalb so dick ist, weil er dauernd das Erfrischungsgetränk zu sich nehmen muss. Da möchte man als Anhänger des schwarzen Sprudels heftig Einspruch einlegen. Aber dazu kommt es nicht, weil es schon mit dem Lied Lasst und froh und munter sein weitergeht, bei dem das Publikum wieder munter mit einstimmt.

Mit It’s the Most Wonderful Time of the Year und dem Petit Papa Noël begeistert Schröder die Hörer, die längst als Bestandteil der Familie akzeptiert sind. Die Sängerin hat Verstärkung mitgebracht. Ihre neunjährige Tochter Louisa stimmt mit ein, als sie Les Anges dans nos Campagnes – die Engel auf unseren Feldern – interpretiert. Man weiß zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr, was einem besser gefällt: das Gemeinschaftsgefühl, das sich beim gemeinsamen Singen einstellt, oder die wunderbaren Solo-Einlagen von Schröder. Santa Lucia ist ein Lied, das in der italienischen Version sehr viel bekannter ist. Schröder gibt es hier in der schwedischen Version wieder, ehe sie zum swingenden Let It Snow wechselt, bei dem es dann tatsächlich auch auf der Bühne schneit. Dass die Schneemaschine einigen Lärm entwickelt, trägt eher zur guten Laune vor der Bühne bei, als dass man es als ärgerlich empfände. Vor der Pause dürfen dann die Besucher noch mal mit ran, wenn es heißt Feliz Navidad. Die Abgeordneten eines Damenchors sitzen gleich neben Claas und übernehmen spontan die zweite Stimme. Herrlich!

Die kleinen Programmstücke zwischen den Liedern sorgen durchaus für heitere Aspekte, wenn beispielsweise Claas nach der Pause auf eine „neue Idee“ zur Weihnachtsfeier eingeht, die derzeit stark in den so genannten Sozialen Medien beworben wird. Der „Keinnachtsbaum“ ist ein Produkt, das die ganze Armseligkeit der political correctness vor Augen führt. Anstatt eines schön geschmückten Tannenbaums gibt es ein Holzgestell, das man Jahr für Jahr selbst zusammenbauen und mit Socken schmücken kann. Damit erfüllt es alle Vorgaben, die sich Klimaschützer so vorstellen. Inwieweit das beworbene Produkt ernstgemeint ist, bleibt offen, auf der Bühne kommt es nicht so gut an, obwohl Ben, ein Junge aus dem Publikum, beim Aufbau hilft. In der Folge wird es immer wieder mit einem Garderobenständer verwechselt. Klar, dass damit der Übergang zu O Tannenbaum gelingt, für das sogar eine eigene Strophe zu dem Besenstielersatz gefunden wird.

Noémi Schröder – Foto © O-Ton

Anschließend treffen die ersten Gäste ein. Darunter die ältere Tochter von Klaus und Noémi. Die hat ihren Freund gerade mit einer anderen, gutaussehenden Frau gesehen, ist am Boden zerstört. Und trägt nun eine hinreißende Version von Last Christmas vor. Anschließend treffen weitere Verwandte aus Schweden, Spanien und den Niederlanden ein, gespielt wechselweise von Schröder und Claas. Da gibt es einiges zu schmunzeln. Passend dazu gibt es Koppången, ein schwedisches Lied, das unter die Haut geht, wenn man die deutsche Übersetzung kennt, die es hier nicht gibt. Nach Chestnut Roasting spielen Schröder und ihre Tochter den Frühling von Vivaldi auf der Blockflöte. Und steigern den gelungenen Vortrag noch einmal mit Entre le bœuf et l’âne gris, einem französischen Weihnachtslied aus dem 16. Jahrhundert, das sich in Frankreich großer Beliebtheit erfreut. Hier wechselt sich Louisa im Blockflötenspiel mit dem Gesang ihrer Mutter ab. Das geht unter die Haut.

Wenn Louisa dann Kling Glöckchen Klingelingeling singt, schafft sie den Übergang zu zwei weiteren Mitsingliedern, die das Publikum auswählen darf. Mit O du fröhliche und Alle Jahre wieder gibt es keine Überraschungen, dafür aber einen nahezu einstimmigen Chor. Der genauso begeistert Leise rieselt der Schnee mitsingt. Zum „Abschluss“ ist die Stille Nacht vorgesehen, bei der Schröder im Solo-Vortrag der ersten Strophe noch einmal alle Register zieht, ehe das Publikum einstimmt.

Es folgen noch einige Zugaben, ehe der Abend nach satten zweieinhalb Stunden inklusive Pause zum Ende kommt. Eine emotionale Achterbahnfahrt gerät damit eine Spur zu lang, gerade so, als habe Papa am Abend unter dem funkelnden Christbaum kein Ende gefunden. Trotzdem. Ein bisschen schöner als das gemeinsame Singen in der Familie unter dem heimischen Tannenbaum ist’s schon. Ein besonderes Kompliment gilt sicher Louisa, die sich nicht nur musikalisch, sondern auch in ihren darstellerischen Auftritten hervorragend geschlagen hat. Dass es Schröder und Claas gelungen ist, mit ihrem Wechselbad aus Humor und weihnachtlicher Besinnung einen großen Abend zu gestalten, steht außer Frage.

Michael S. Zerban