O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Aktuelle Aufführungen

Kirchenmusik in Kürze

VERBORGEN
(Diverse Komponisten)

Besuch am
29. Januar 2023
(Einmalige Aufführung)

 

Junger Kammerchor Düsseldorf in der Christuskirche

2015 wurde der Junge Kammerchor Düsseldorf gegründet. Ein Vokalensemble, das heute nach eigenen Angaben aus etwa 30 Sängern aus dem Großraum Düsseldorf besteht. Der jüngste ist 18, der älteste 35, wer älter als 38 Jahre ist, muss den Chor verlassen. Die Ansprüche der jungen Leute sind hoch. Mittels „innovativer Konzertformate“ wollen sie zeitgenössische Vokalmusik einem breiten Publikum näherbringen. Wer den mit Rechtschreibfehlern übersäten Abendzettel entziffert, erfährt, dass in der Zusammenarbeit mit jungen Komponisten und Künstlern aus der Region Aufführungsformate entstehen sollen, „in denen Uraufführungen und bekannte klassische Werke durch Gestaltungsmittel wie Schauspiel, Beleuchtung und Interaktion in ein Gesamtkonzept eingebettet werden“.

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Der heutige Konzertabend findet in der evangelischen Christuskirche in unmittelbarer Nähe des Oberbilker Marktes statt. 1899 im Stil des Historismus fertiggestellt, wurde das Gebäude nach Kriegsschäden in vielen Teilen vereinfacht wieder instandgesetzt. Heute findet sich dort der Arbeitsbereich Off Church – Kultur in der Christuskirche. Eine Abseits-, eine Außen-vor-Kirche also? Hier soll Raum gegeben werden für die lokale Kunst- und Kulturszene, „die nicht im kommerziellen Business etabliert ist“ – was immer das auch heißen mag. Besonders einladend jedenfalls präsentiert sich der Kirchenraum nicht. Im Eingangsbereich sind Holzhütten aufgebaut, die an Weihnachtsmarkt-Verkaufsstände erinnern. Statt Kirchenbänken ist das Mittelschiff mit Stuhlreihen, Sofas und Sesseln vollgestellt. Rechts neben den Eingang ist eine provisorische Bar aufgebaut. An den Geländern der Balkone sind Regenbogenfahnen mit dem Logo der Evangelischen Jugend Düsseldorf aufgehängt. Auch der Jesus am Kreuz im Altarraum hat eine solche Fahne als Lendenschurz umgehängt. Ob es sich hier möglicherweise um ein Solidaritätskonzert für sexuelle Minderheiten in der Evangelischen Jugend Düsseldorf handelt, bleibt im Unklaren.

Auch von Innovationen ist hier nichts zu erkennen. Insofern trägt das Programm seinen Namen Verborgen zurecht. Wohler fühlt man sich als Besucher allerdings dann in einem ganz konventionellen Chorkonzert schon. Denn da steht jemand an der Tür, der einen freundlich begrüßt. Hier werden nur Freunde und Familienmitglieder der Chorsänger an ihren Plätzen herzlich willkommen geheißen.

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Von der Gründung des Chors bis Juni 2019 war Matthias Staut künstlerischer Leiter. Seither „experimentiert“ der Chor ohne festen Dirigenten mit „verschiedenen Formen der Zusammenarbeit zwischen Ensemble und Leitung“. Die Leitung, das sind Bernhard Eurich und Otto Bo-Shao Lin, die sich lieber nicht auf Experimente einlassen, sondern Ansagen und Dirigate schön wechselweise absolvieren, um in der übrigen Zeit in den Chorreihen mitzusingen. Der Abend beginnt mit drei Werken aus dem frühen 19. Jahrhundert. Komm, heiliger Geist von Albert Becker, das Bußlied Ich komme vor dein Angesicht von Carl Loewe und Der Herr ist mein Hirte von Felix Draeseke. Eindrucksvoll geht es mit einem Ausflug ins Finnische weiter. Einojuhani Rautavaara lebte von 1928 bis 2016, wurde vor allem durch seine sinfonischen Werke bekannt und gilt als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Komponisten seit Jean Sibelius. Von ihm lässt der Chor Avuksihuutopsalmi, den Psalm der Anrufung, erklingen. Was der Gesang mit dem Finnischen gemein hat, bleibt dem Reich der Fantasie überlassen, aber es klingt für deutsche Ohren überzeugend.

Wie überhaupt die 24 Sänger mit einem guten und sauberen Klang überzeugen können. Und so darf man sich an Altbekanntem erfreuen. Vineta von Johannes Brahms und O Magnum Mysterium von Francis Poulenc können einen Abend deutlich heben, auch wenn sie von zeitgenössisch oder regional, wie annonciert, denkbar weit entfernt sind. Ein Bruch ist der Vortrag des Gedichtes Der Panther von Rainer Maria Rilke. Eines der schönsten Gedichte deutscher Lyrik, aber enorm schwer vorzutragen. Und sicher nichts für einen Laien. Hier dient es als Überleitung zu The Tyger von Emil Råberg. Fließend geht es weiter zu Spaséñiye, sodélal von Pavel Chesnokov. Einen Höhepunkt des Abends stellt Only in Sleep von dem 1977 in Lettland geborenen Ēriks Ešenwalds mit einem wunderbar gesungenen Solo dar.

Mit O lux beata Trinitas – O Licht, glückselige Dreieinigkeit – von Ludwig van Beethoven findet der Abend nach einer guten Dreiviertelstunde sein Ende. Um es abzukürzen: Der Junge Kammerchor Düsseldorf war schon mal in weit besserer Verfassung.

Michael S. Zerban