O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Wolf Silveri

Aktuelle Aufführungen

Blicke in verwirrte Seelen

SEPTEMBERSONATE
(Manfred Trojahn)

Besuch am
3. Dezember 2023
(Uraufführung)

 

Deutsche Oper am Rhein, Oper Düsseldorf

Suggestive Einblicke in beklemmende, musikalisch sanft eingebettete Seelenlandschaften prägen die achte und neueste Oper von Manfred Trojahn. Seine Septembersonate wurde jetzt als Auftragswerk der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg mit großer Zustimmung des Premieren-Publikums im Düsseldorfer Opernhaus aus der Taufe gehoben.

Dem anderthalbstündigen Werk liegt eine über 100 Jahre alte Erzählung von Henry James zugrunde. Wie in dessen von Benjamin Britten genial vertonter Novelle The Turn of the Screw und Edgar Allan Poes von Debussy verarbeiteter Erzählung vom House Usher bildet ein mit dunklen Kindheitserinnerungen verbundenes Elternhaus der Protagonisten das psychische Magnetfeld. Eindrucksvolle, ins nichts führende Treppenkonstruktionen von Kostüm- und Bühnenbildnerin Heike Scheele, mitunter von verwinkelten Escher-Architekturen inspirierten Videoeinblendungen ergänzt, setzen einen effektvollen Kontrast zur eher kammermusikalisch intimen Anlage der Oper, die mit vier Solisten und einem 15-köpfigen, auf Violinen verzichtenden Instrumentalensemble auskommt.

Foto © Wolf Silveri

Die Handlung, soweit man davon sprechen kann, in Kürze: Der erfolgreiche Schriftsteller Osbert Brydon kehrt nach langer Zeit in sein Elternhaus zurück, um Erbangelegenheiten zu ordnen und trifft auf seine Jugendgefährtin Ellice Staverton, die als Schauspielerin Karriere machte. Zu einer Liebesbeziehung kam es damals nicht. Jetzt beschäftigt beide die Frage, wie sich ihr Leben entwickelt hätte, wenn man damals die Charakter- und Seelendisposition der Partner, aber auch die eigene, so differenziert ge- und erkannt hätte wie nach der langen Abwesenheit. Osbert wäre zu einer Liaison bereit, Ellice nicht. Das Ende bleibt offen und Regisseur Johannes Erath lässt es auch offen. Schemenhaft sehen wir Osbert versunken an der Schreibmaschine. Ungewiss, ob er noch lebt. Mit einer raffinierten Videoeinblendung sehen wir die beiden als Zuschauer nach einer Aufführung des Stücks durch das Düsseldorfer Opernhaus irren. War alles nur ein Traum oder ein Schauspiel?

Manfred Trojahn, mittlerweile 74 Jahre alt, einer der erfolgreichsten lebenden Opernkomponisten, hat sich im Laufe der Zeit immer stärker von handlungsaktiven Stoffen gelöst und kleiner dimensionierten, psychologischen Stoffen zugewandt. Zuletzt mit Psychogrammen antiker Figuren wie Orest und Eurydike. Auch seine Musiksprache wirkt konzentrierter und reduzierter. Orchestrale Opulenz ist filigranen, oft schlicht, aber wirkungsvoll instrumentierten Strukturen gewichen. Seine ohnehin stets moderat moderne Ästhetik nimmt bisweilen verführerisch wohlklingende Fassetten an, die bis zu Zitaten aus Richard Strauss‘ Arabella reichen.

So anspruchsvoll die Hauptrollen auch für die Sänger gestrickt sind: Selbst die umfangreiche Partie des Osbert ist sängerfreundlich angelegt. Und Holger Falk mit seinem hellen, flexiblen Bariton bleibt der Rolle nichts an feinsten Differenzierungen schuldig. Ebenso wenig die überragende Sänger-Darstellerin Juliane Banse als Ellice. Osberts Gewissen gibt Roman Horn markante Akzente und Susan Maclean ergänzt das Quartett als Haushälterin verlässlich. Vitali Alekseenok am Pult der Düsseldorfer Symphoniker kitzelt eine Menge an Spannung und klanglicher Farbigkeit aus der Partitur.

Großer Beifall für eine feinsinnige Kammeroper in großer Kulisse.

Pedro Obiera