Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
ROCK’N’ROLL MEETS CHRISTMAS
(Diverse Komponisten)
Besuch am
9. Dezember 2023
(Einmalige Aufführung)
Weihnachtskonzerte gibt es derzeit an jeder Ecke. Dabei reicht das Angebot vom Bachschen Weihnachtsoratorium über eigens von Chören zusammengestellte Programme, kammermusikalische Ideen bis zu den abendfüllenden Programmen in den Konzertsälen der Republik. Und wem das nicht reicht, der sucht auch mal abseits der klassischen Musik. So wie beispielsweise in der Jazz-Schmiede im Düsseldorfer Stadtteil Bilk. Für Jazz-Liebhaber über die Stadtgrenzen hinaus längst eine feste Heimat, lohnt sich ein Blick in das Programm des Konzertsaales in der ehemaligen Schmiede der Jagenberg-Fabrik auch für Menschen, die mit dem Jazz sonst nicht so viel zu tun haben. Das Primat der „guten“ Musik steht über dem Alleinstellungsmerkmal des Jazz.
Phillipa Thomas, Karen Bandelow und Julia Coulmas – Foto © O-Ton
Und so tritt an diesem Abend die Rock’n’Roll-Band Blue Moon aus Viersen auf. Gegründet haben sie sich 2010, und seit vier Jahren spielen sie in unveränderter Formation. Nein, muss man nicht kennen, auch wenn sie im vergangenen Jahr den zweiten Platz beim European Elvis Contest in Bad Nauheim gewonnen hat. Gewiss, Elvis lebt und die Musik von Bill Haley oder Little Richard ist bis heute fest in unseren Köpfen verankert, aber eigentlich ist es doch eher eine Nische, sollte man meinen. Allerdings eine Nische mit einer treuen und enthusiastischen Anhängerschar, die Blue Moon dann sehr wohl kennen. Bereits eine Stunde vor Konzertbeginn hat sich eine Schlange vor dem Einlass gesammelt. Endlich dürfen sie in den Saal, mit ihren Petticoats die Damen und viel Pomade in den Haaren der Herren. Man ist schließlich gekommen, um zu feiern, da darf man sich auch mal so richtig im 50-er-Jahre-Stil aufbrezeln. Ein wunderbares Bild. Vor der Bühne sind lediglich links und rechts ein paar Stühle aufgebaut, die Mitte des Saales ist frei. Und schon zu den Klängen bekannter Schlager, die noch von der Festplatte kommen, werden erste Tanzschritte gewagt. Was heißt gewagt? Die Besucher heute Abend beherrschen vom Boogie-Woogie über den Rock’n’Roll bis zum Jive so ziemlich alles, was in der Tanzschule gelehrt wird.
Die nächste Besonderheit des Abends sind die Gäste, die mit Blue Moon die Bühne betreten. Es ist Fräulein Swing, ein Ensemble, das Gesang vom Feinsten bietet. Denn Julia Coulmas, Karen Bandelow und Phillipa Thomas sind nicht nur englischsprachig großgeworden, sondern haben auch alle drei Operngesang studiert. Und so kann es hochprofessionell mit Rockin‘ around the tree und Boogie Woogie Bugle Boy losgehen. Bandleader Marcus Breuer, der nicht nur an der Gitarre, sondern spät auch selbst als Sänger zeigt, wozu die Band hier ist, beschränkt seine Moderationen auf das Allernotwendigste, was ihm das Publikum dankt. Schließlich ist es nicht hier, um sich sitzend ein wohlfeiles Konzert anzuhören, sondern es will tanzen – und dazu braucht es Musiker, die zum Beispiel mit She’s not you, Sincerely oder Hit the Road Jack für die nötige Betriebstemperatur sorgen. Da sind die Besucher bei Blue Moon und Fräulein Swing bestens aufgehoben. Die drei Damen, in feierlichen roten Samt gekleidet und mit Blumen im Haar geschmückt, peppen den Abend ordentlich auf, wenn sie entweder als Chor oder später auch als Solistinnen auftrumpfen. Mit Blue Christmas gibt es noch kurz etwas Weihnachtliches, ehe Be my baby und All shook up die Beine ordentlich in Schwung bringen. Hierbei sorgt Siegfried Loschelder am Schlagzeug für den nötigen Rhythmus. Nach Let it snow, das auch gern mal mitgesungen wird, geht es mit Return to Sender zum heimlichen Star des Abends, den sich Blue Moon auf die Fahnen geschrieben hat. Von Elvis Presley wird es im Laufe des Abends noch so einiges zu hören geben, darunter Titel wie Hound Dog oder Please, Mr Postman. Vorerst aber gibt es die einzigen deutschen Wörter dieses Abends zu hören, zumindest musikalisch, und auch das ist eigentlich ein englischer Song. Bei mir bist du schön bringen die Sängerinnen mit genau jenem Hauch von Akzent, der für den Schlager so wichtig ist. Ganz wunderbar.
Marcus Breuer – Foto © O-Ton
Insgesamt 32 Titel spielen die Bühnenarbeiter zuzüglich dreier Zugaben. Dabei sorgen Thorsten Kammann an Flügel und E-Piano sowie Christian Römgens am Bass für die nötige Grundlage, während Erich Ermeding sich immer wieder mit Saxofon-Soli einmischt. Und weil er sich gern offenbar gern mal in den Vordergrund schiebt, mischt er sich der Einfachheit halber auch zwischendurch „unters Volk“. Das kommt bei den Tänzern gut an, obwohl auf der Tanzfläche für solche Späße eigentlich überhaupt kein Platz ist. Weihnachtlich haben die Musiker so ziemlich alles mitgebracht, was die Zeit hergibt und für den amerikanischen Spaß an der Weihnacht sorgt. Jingle Bells, Last Christmas, Rudolph the red nosed gehören ebenso dazu wie Santa Claus is coming to town und White Christmas. Der Saal sprüht vor Energie, ist aber akustisch dank der Haustechnik wunderbar austariert, so dass sich hier niemand die Ohren zuhalten muss, sondern der Spaß an Titeln wie Itzy Bitzy – Sie wissen schon, der Strandbikini – oder Lollipop ungebremst funktioniert. Einer der vielen Höhepunkte des Abends ist sicher das Solo Dream Lover von Thomas, ehe am Ende Coulmas dem Abend die Krone aufsetzen wird. Bis dahin ist allerdings noch Luft in dem sage und schreibe zweieinhalbstündigen Programm für Titel wie Runaround Sue, Do Ron Ron oder Jump Jive ‘n Wail.
So ein wenig erinnert der Abend dann doch irgendwann an die Zeiten in der Tanzschule, wenn der Tanzlehrer so gar kein Ende finden wollte. Da galt es als Ehrensache, tapfer durchzuhalten, auch wenn der Körper längst den konditionellen Feierabend eingeläutet hatte. Schließlich ist aber auch den Musikern anzusehen, dass sie wirklich alles gegeben haben – und so ist keiner wirklich traurig, als die Silent Night – auch hier als Schlussnummer, aber nicht zwingend zum Mitsingen – angestimmt wird. Mit einem blitzsauberen Sopran-Solo jagt Coulmas ihrem Publikum zum Abschied ordentlich Gänsehaut über den Rücken. Verschwitzt, aber glücklich löst sich die Gemeinschaft, die zusammen eine Zeit lang in die Vergangenheit zurückgekehrt ist, allmählich auf.
Am 15. Dezember gibt es für die Liebhaber von Elvis Presley, Blue Moon und Fräulein Swing noch einmal die Gelegenheit, das Fieber des Abends mitzuerleben. Dazu muss man dann allerdings in den Odeon-Tanzpalast in Krefeld reisen. Es wird sich lohnen.
Michael S. Zerban