Kulturmagazin mit Charakter
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OPERN-SCHIFF
(Düsseldorf Lyric Opera)
Besuch am
16. Juni 2018
(Einmalige Aufführung)
Eine Kreuzfahrt, die ist lustig … und zum ersten Mal in diesem Jahr lädt die Düsseldorf Lyric Opera zum Opern-Schiff ein, einer Schifffahrt von Düsseldorf nach Zons und zurück. Eine großartige Idee, die man eigentlich eher von der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg oder der Oper Köln erwarten dürfte, etwa um das Opernstudio vorzustellen oder dem Publikum das Ensemble näherzubringen, auf neue Produktionen hinzuweisen oder, oder, oder. Nichts dergleichen. Da muss schon ein Verein wie der von Julia Coulmas ran, um den Menschen ein außerordentliches Vergnügen zu bereiten. Natürlich soll Kunst Auseinandersetzung bedeuten, aber manchmal muss es auch nicht ganz so verkopft und darf einfach nur Spaß sein.
Während die Rheinoper lieber Operngalas am Burgplatz oder Arienabende in der Damenoberbekleidungsabteilung eines Luxus-Kaufhauses veranstaltet, wenn sie sich denn mal aus dem eigenen, maroden Haus traut, treffen am Samstagvormittag um elf Uhr die Gäste der Düsseldorf Lyric Opera an der Anlegestelle am Düsseldorfer Burgplatz ein, um an Bord der Rheinprinzessin zu gehen. Die Rheinprinzessin ist ein Unternehmen, das seit 1933 im Besitz der Familie Vogel ist. Das Galerie-Salonschiff, das derzeit auf dem Rhein bis ins Moseltal unterwegs ist, ist seit der Jahrtausendwende in Betrieb und hat bis heute nichts von seinem Glanz verloren. Granittreppen und -beschläge, Spiegeldecken, edle Hölzer und gepflegte Außendecks bestimmen das Bild, das den Gast empfängt. Hier fühlt man sich von dem Moment an wohl, an dem man den Warnhinweis der Crew „Vorsicht, Stufe!“ vernommen hat und vom wackeligen Steg in die „gute Stube“ eingetreten ist. Dank vorbildlicher Vorbereitung hat hier jeder Gast seinen Platz ohne die geringste Verzögerung gefunden. Das Personal ist dienstbeflissen, an den Umgang mit großen Gästezahlen gewöhnt und entsprechend routiniert. Selbst Sonderwünsche werden hier nicht überhört.
Unmerklich legt das Schiff ab, gleitet durch die ruhigen Fluten des Rheins und absolviert selbst das Wendemanöver ohne jeden Ruck. Das kennt man auch bei dieser Wetterlage schon mal anders. Nicht so bei der Rheinprinzessin. Da hat Kapitän Bernhard Vogel seine beiden 550-PS-Motoren spielerisch im Griff. Dass die Strecke zwischen Düsseldorf und Zons zu den unattraktivsten Rheingegenden überhaupt gehört, wird im weiteren Verlauf kaum eine Rolle spielen. Hier geht es vorbei an den Chemie-Anlagen von Dormagen und Leverkusen, viel Industrie-Charme ist da zu bewundern, kurzum: Man verpasst wenig an grünen Auen oder attraktiven Stadtbildern, während im Innern des Schiffes die hohe Kunst der Opernarie zelebriert wird.
Nach einigen Grußworten und der überaus eloquenten und angenehmen Moderation von Elizabeth Kuhs, die mit richtig ausgesprochenen Namen und Arientiteln in verschiedenen Sprachen glänzt, beginnen die Arienvorträge der Sängerinnen und Sänger der Düsseldorf Lyric Opera. Die haben sich aufgebrezelt, als gelte es, einen Sängerwettbewerb zu gewinnen. Aber bitte, die Gäste im vollbesetzten Schiff – und da werden immerhin 350 Sitzplätze vergeben – sind überwiegend im, wie sagt man so schön, gesetzten Alter, und die wenigsten verbringen wohl ihre Zeit bei Opernpremieren. Da darf es auch am frühen Mittag schon mal das Abendkleid sein. Das Publikum ist entzückt.
Musik | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Gesang | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Regie | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Bühne | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Publikum | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Chat-Faktor | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Karen Bandelow eröffnet den Reigen mit O mio babbino aus Puccinis Gianni Schicchi. Das ist mutig, funktioniert aber im Großen und Ganzen ganz gut. Julia Coulmas hat das einzig Richtige für ein solches Programm gemacht. Sie setzt auf die Opernschlager. Und da gibt es gleich im Anschluss Je veux vivre aus Gounods Roméo et Juliette von Ani Tsartsidze. Das Publikum ist jetzt schon restlos begeistert. Nach Frank Schnitzlers Interpretation von Core ‘ngrato wagt sich Julia Langeder auf dem Treppenaufgang, der als Bühne dient, an Měsíčku na nebi hlubokém, das Lied an den Mond, das Rusalka in der gleichnamigen Oper von Antonin Dvořák zum Ende des ersten Aktes singt. Es ist die Traum-Arie einer jeden Sopranistin, auch wenn es nicht, wie bei Langeder, gleich auf Tschechisch sein muss.
Meghan Behiel – Foto © O-Ton
Von der Märchenoper geht’s zur Operette. Bariton Bu Shi interpretiert Dunkelrote Rosen aus Gasparone von Carl Millöcker. Nach dieser Walzer-Schwärmerei, die einen bei Kaffee und Kuchen auf dem Schiff leicht in die Glanzzeiten von Hermann Prey zurückversetzt, gibt es gleich drei Duette von dramatisch bis lustig. Den Anfang machen Ani Tsartsidze und Maria Popa mit dem Blumenduett aus Delibes‘ Lakmé, ehe aus dem Bassbariton Thomas Huy Papageno aus der Zauberflöte wird, der sich gleich zwei Paminas an die Seite holt. Mit Karen Bandelow singt er über Männer, welche Liebe fühlen, mit Jessica Flowers genießt er das Papagena-Papageno-Duett.
Stephanie Woodling verlässt die Treppe und begibt sich zu den Tischen. Wer will schon stillstehen, wenn er die Habanera aus Georges Bizets Carmen zum Besten gibt? Und wer eine solche Gala zusammenstellt, darf natürlich auf die Kavatine Rosinas aus dem Barbier von Sevilla nicht verzichten. Sopranistin Maria Popa lässt es sich nicht nehmen, das Publikum mit Una voce poco fa zu erfreuen. Noch einmal treten Woodling und Tsartsidze auf. Mit der Barkarole aus Jacques Offenbachs Hoffmanns Erzählungen setzen sie einen letzten Glanzpunkt. Im Finale tritt das gesamte Ensemble an, denn es gilt, das wohl berühmteste Brindisi der Operngeschichte zu intonieren. Libiamo ne‘ lieti calici – Ihr Freunde, auf, schlürfet in vollen Zügen – heißt das Trinklied aus Giuseppe Verdis La Traviata, mit dem die Lyric Opera sich vom offiziellen Programm der Gala verabschiedet.
Der Applaus will nicht enden, das Publikum ist hingerissen. Als die Pianisten Meghan Behiel und Michael Carlton mit dem Cellisten Linus Weber, die den Gesang mit einfachen Mitteln, aber umso eindrucksvoller begleitet haben, nach vorn treten, gibt es gar Jubel. Und während die Musiker sich endlich zurückziehen dürfen, wird das schmackhafte Mittagessen serviert. Anschließend gibt es noch ein Viertelstündchen, in dem viele das Gespräch mit den Musikern suchen oder sich einfach noch ein bisschen auf die Außendecks zurückziehen. Die Stimmung ist entspannt, fast möchte man sagen, der Welt entrückt.
Nach drei ausgesprochen kurzweiligen Stunden, Tombola, Zugabe und offizielle Verabschiedung inklusive, geht ein Ereignis zu Ende, das dem Publikum pures Vergnügen bereitet, die Älteren in Erinnerungen schwelgen lässt und schon jetzt Spaß auf weitere Ideen der Düsseldorf Lyric Opera macht. Die gibt es. Unter der Hand hört man von einer weiteren Opernproduktion.
Michael S. Zerban