Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
HIJOS DEL BOLERO
(Diverse Komponisten)
Besuch am
1. Mai 2022
(Einmalige Aufführung)
Es war eine gute Nachricht, die Bernd Lausberg in seiner Mail verkünden konnte. Die Sommerkonzerte im Galeriegarten werden auch in diesem Jahr stattfinden. Im vergangenen Jahr hatte der Galerist sich einen lange gehegten Wunsch erfüllt, indem er begann, Konzerte in seiner Galerie an der Hohenzollernstraße in Düsseldorf aufzuführen und damit Grenzen in der Kunst zu überwinden. In Zusammenarbeit mit der Düsseldorf Lyric Opera wurden vor allem Operngesangsabende veranstaltet, die rasch ein begeistertes Publikum fanden. Dass Lausberg damit Künstler in der Pandemie-Krise unterstützen konnte, war ein willkommener Nebeneffekt. Auch wenn Lausberg längst Feuer gefangen hatte, und das Publikum ihm ein mehr als freundliches Feedback zukommen ließ, war über Monate unklar, ob es in diesem Jahr eine Fortsetzung der Konzerte gäbe.
Nun also steht es fest: In Zusammenarbeit mit Meghan Behiel, der Künstlerischen Leiterin der Düsseldorf Lyric Opera, die schon im vergangenen Jahr für ein abwechslungsreiches Programm gesorgt hatte, sind inzwischen Konzerte bis zum Juni geplant (hier gibt es den Terminplan). Den Anfang macht ein Gitarrenkonzert. Und wie immer ist es ein kleines Va-Banque-Spiel. Denn noch sind längst keine sommerlichen Temperaturen in Sicht. Immerhin bleibt an diesem Abend der Regen aus. So können die Gäste, die im bis auf den letzten Stuhl besetzten Galerie-Saal keine Sitzgelegenheit finden, im Gang zwischen Eingang und Saal Platz nehmen. Das ist gut geübte Praxis, ja, es gibt auch zahlreiche Besucher, die lieber im Freien bleiben. Die Ansteckungsgefahr ist geringer, die frische Luft belebt, es gibt wärmende Decken und eine verlockende Nähe zur Bar. Angesichts des engbesetzten Saals wird auch Lausberg vorsichtig. Offiziell gibt es ja keine Maskenpflicht mehr, und der Galerist ist nun wirklich kein Freund übertriebener Sicherheitsvorschriften. Aber er schlägt vor, die Masken aufzusetzen, und es sieht so aus, als sei ihm da mancher Gast so gar nicht böse.
Foto © O-Ton
Bereits im August vergangenen Jahres war Arturo Castro Nogueras zu Gast in der Galerie. Da stellte sich heraus, dass die Beschallung im Außenbereich ungenügend war. Deshalb gibt es jetzt einen Verstärker, der den Klang der Konzertgitarre nach außen tragen soll. Trotzdem wirkt der Gitarrist angespannt.
Der Name seines Programms irritiert. Hijos de bolero – Kinder des Boleros – verspricht Musik von Komponisten aus Puerto Rico, Kuba und Mexiko. Gemeint sind hier aber gar nicht heißblütige, nervenaufreibende Rhythmen, sondern lyrische Klänge, die allesamt europäischem Einfluss entspringen. Doch schon während Nogueras ein Präludium und Ballett von Manuel M. Ponce spielt, unterbricht er. Um anschließend zu verraten, warum es statt einer Pause ein verkürztes Programm gebe. Bei vierzehn Grad kann man vielleicht am Lagerfeuer die Klampfe spielen, virtuose Spieltechniken auf der Gitarre sind da allerdings kaum mehr möglich. Vor zwei Tagen, das hat Lausberg bereits vor Konzertbeginn erzählt, ist der Gitarrist erst aus Mexiko zurückgekommen. Da werden aus den vierzehn Grad gefühlte Minusgrade. Das Publikum reagiert verständnisvoll, bietet Schal und wärmende Getränke an. So weit soll es dann doch nicht gehen. Eine Sonate wolle er noch spielen und ein paar weitere Stücke, aber dann müsse es gut sein, sagt Nogueras, vergisst aber zu erwähnen, dass die Sonata III vom gleichen Komponisten dreisätzig ist. Letztlich wird doch ein einstündiges Programm daraus. Und damit sind die Gäste dann auch zufrieden.
Foto © O-Ton
In schneller Folge erklingen Poquita Cosa von Miguel Alcaide und Verde Luz von Antonio Cabán Vale, ehe Nogueras zu einem Komponisten kommt, dem er besonders verbunden ist. Der sorgte nämlich dafür, dass der gebürtige Puerto-Ricaner überhaupt nach Deutschland kam, wo er heute die Hälfte des Jahres verbringt, wenn ihn nicht Spielverpflichtungen irgendwo anders auf der Welt ihn davon abhalten. Nach seinem Studium in Puerto Rico wollte Nogueras sein Studium bei einem der berühmtesten Gitarristen und Komponisten Kubas, wenn nicht weltweit fortsetzen. Und wo muss man da hin, wenn man das will? Ist doch klar. Nach Düsseldorf. An die Robert-Schumann-Hochschule. Dort nämlich lehrt Joaquín Clerch seit 1999. Längst hat Nogueras sein Studium bei ihm mit einem Master abgeschlossen, aber die Verbundenheit bleibt. Und so ist es selbstverständlich, dass an diesem Abend El Adiós von Clerch erklingt. Mit Guajira a mi Madre von Ñico Rojas will Nogueras sein Konzert abschließen und verabschiedet sich bereits.
Aber da hat er nicht mit Lausberg gerechnet, der eine weitere Zugabe erbittet. Recht so. Denn so wird die Lyrik des Abends schließlich doch noch durchbrochen, und der Gitarrist verzückt das Publikum mit dem hübschen kleinen Stück El Coquí. Der Coquí ist ein Frosch, der in 16 verschiedenen Arten in Puerto Rico vorkommt. Die Männchen machen sich in der Nacht mit einem sehr typischen Laut bemerkbar, der für jeden Puerto-Ricaner zu den typischen Geräuschen seiner Heimat gehört. José Ignacio Quintón hat dieses Geräusch für die Gitarre übersetzt und ein flottes kleines Lied gezaubert, das in Puerto Rico jedes Kind kennt. Und so kommt der Abend noch zu einem entzückenden Schluss, für den sich das Publikum herzlichst bedankt. Bereits am 7. Mai gibt es das nächste Sommerkonzert im Galeriegarten. Dann begrüßt Lausberg das Duo Ignea, das sind die Flötistin Rebecca Blau und die Pianistin Zane Rubesa.
Michael S. Zerban