O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Susanne Diesner

Aktuelle Aufführungen

Rein in die Stadt

GALAKONZERT
(Robert-Schumann-Hochschule)

Besuch am
9. Oktober 2018
(Einmalige Aufführung)

 

Robert-Schumann-Hochschule, Robert-Schumann-Saal, Düsseldorf

Die Musikhochschule einer Stadt ist die Keimzelle der Musik dieser Stadt. Hier wird nicht nur der Nachwuchs ausgebildet, sondern auch die Musik von heute und morgen entwickelt. Ein Umstand, der eigentlich jeden Bürger der Stadt angeht und interessieren sollte. Die Wirklichkeit sieht oft anders aus. Die Musikhochschule am Stadtrand wurschtelt vor sich hin, bildet sich oft etwas auf internationale Vernetzungen ein und bei besonderer Kooperationsfreude spielt der Nachwuchs auch schon mal im städtischen Konzertsaal. Alle scheinen sich daran gewöhnt zu haben, und so bestimmen längst andere, wer welche Musik in der Stadt spielt. Das ist zugespitzt und trifft sicher nicht auf alle Ausbildungsstätten zu. In Düsseldorf will die Robert-Schumann-Hochschule andere Wege gehen. Die neue Devise lautet: Raus aus der Hochschule, rein in die Stadt. Und was liegt näher, als im ersten Schritt die Professoren der Hochschule einmal der Öffentlichkeit vorzustellen?

Prorektor Thomas Leander hatte die Idee, ein Galakonzert im Robert-Schumann-Saal, einem der Konzertsäle der Stadt, zu veranstalten und kuratierte das Programm. Das klingt erst einmal nach einer Zwickmühle. Schließlich hat ein Opernsänger seine Professur nicht angenommen, weil er über ein besondere Bühnenpräsenz verfügt, sondern, weil er glaubt, dass seine Stärken auf pädagogischem Gebiet liegen. Trotzdem stimmen die Professoren der Idee zu und beweisen damit schon einmal, dass sie über professionelle Souveränität verfügen. Während sie sonst überwiegend als Einzelkämpfer in ihren Klassen unterwegs sind und ihre Autorität damit scheinbar schon einmal unanfechtbar ist, müssen sie sich zu diesem Konzert zu neuen Kammermusikformationen auf Augenhöhe zusammenfinden – und sich in die Karten schauen lassen.

Die ersten, die sich an diesem Abend darauf einlassen, sind die Geigenlehrerin Yamei Yu, die Bratschistin Barbara Buntrock, der Cello-Professor Gregor Horsch und Lisa Eisner-Smirnova am Klavier. Mit dem letzten Satz aus dem Klavierquartett Es-Dur opus 87 Allegro, ma non troppo von Antonín Dvořák geben die Musiker die Richtung vor. Mit einem fulminanten Auftritt schaffen sie einen vielversprechenden Auftakt, in dem ein hohes Tempo vorgelegt und die heitere Seite betont wird. Es geht, wie auch in den folgenden Programmpunkten, nicht darum, die absolute Perfektion zu demonstrieren, sondern den Spaß an der Musik zu vermitteln.

Das vermittelt auch das dankenswert kurze Grußwort des Rektors Raimund Wippermann, ehe die Bläser sich dem ersten Satz aus dem Sextett für Klavier, Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott und Horn Allegro vivace von Francis Poulenc widmen. Flötist Michael Faust, Kai Frombögen an der Oboe, Klarinettist Andreas Langenbach, Gustavo Núñez am Fagott, Hornist Markus Wittgens werden von Paolo Giacometti am Klavier begleitet. Transparent in dissonantem Dialog gehen auch die solistischen Einlagen leicht von der Hand. Hier wird die Klassik gerockt, ohne sie deshalb zu verfälschen.

Thomas Leander übernimmt die Moderation. Dass er von gut vorbereiteten Karten abliest, geht völlig in Ordnung, weil die Botschaft stimmt. Klassik ist „cool“ und passt auch in heutige Formate. Ganz ohne Notenblatt kommt Cellist Pieter Wispelwey aus, der sich von Giacometti am Klavier in sanften Läufen begleiten lässt, wenn der Satz Allegretto grazioso, quasi andante der Sonate für Klavier und Violine in der Version für Violoncello A-Dur opus 100 von Johannes Brahms in bester romantischer Manier erklingt. Das kann man im Schwierigkeitsgrad noch steigern. Vielleicht nicht für das Cello, aber für den Gesang. Es wird einer der Höhepunkte des Abends, wenn Sopranistin Juliane Banse und Bariton Konrad Jarnot auftreten, um aus der Oper Die tote Stadt von Erich Wolfgang Korngold die Lieder Mein Sehnen, mein Wähnen und Glück, das mir verblieb zu interpretieren. Jarnot und Banse zeigen, worauf es heute beim Operngesang ankommt: Textverständlichkeit und Ausdruck. Vor allem Jarnot berührt die Gäste im Saal subkutan.

Thomas Leander führt durch den Abend – Foto © Susanne Diesner

Und danach geht die Post ab. Eisner-Smirnova und Giacometti zeigen am Flügel, was Ungarische Tänze von Johannes Brahms sein können. Da bebt der Steinway. Und Eisner-Smirnova bleibt am Flügel sitzen, um Yamei Yu und Andrej Bielow auf ihren Geigen zu begleiten. Die beiden Spaßvögel toben sich respektlos auf höchstem Schwierigkeitsgrad an Navarra von Pablo de Sarasate aus. An dieser Stelle hätte das Konzert enden können. Aber wenn die Stadt besetzt werden soll, dann ganz. Also geht es nach einer Pause mit den Gitarristen der Hochschule weiter.

Alexander-Sergei Ramirez und Joaquin Clerch präsentieren zwei sehr unterschiedliche Stücke, glänzen beide virtuos, ohne die Stimmung des Vorfeldes zu erreichen. Dazu schließt erst Barbara Buntrock mit ihrem melancholischen Stück Melodie auf der C-Saite für Viola und Klavier von York Bowen wieder auf, die schwelgerisch und sinnlich den herben Klang der Bratsche betont. Das Konzert gerät ein wenig aus der Dramaturgie, wenn Georg Friedrich Schenck am Klavier zwei Stücke von Paul Hindemith präsentiert. Mit „Übungsstücken“ überschrieben, klingt das vergleichsweise harmlos. Wer sich allerdings an diese Übungsstücke wagt, muss schon ein wahrer Meister sein, um sie zu interpretieren.

Aus der Neuzeit geht es noch einmal zurück zu Wolfgang Amadeus Mozart. La ci darem la mano ist einer der Opernschlager aus Don Giovanni. Juliane Banse und Bariton Ludwig Grabmeier führen das Duett in der Klavierbegleitung von Hans Eijsackers gleich einer Parodie auf. Und zeigen damit, wie Oper in vergangenen Zeiten ging. Das ändert sich auch bei Lippen schweigen, dem Duett aus der Lustigen Witwe von Franz Léhar nicht. Nach zweieinhalb Stunden ist auch das Streichoktett Es-Dur opus 20 von Felix Mendelssohn-Bartholdy absolviert, dem Werk der tausend Schlüsse.

Das Publikum im vollbesetzten Robert-Schumann-Saal ist hin und weg. Erhebt sich von den Stühlen, um rhythmisch zu applaudieren. Eine Unsitte, die um sich greift, zugleich aber zeigt, dass an diesem Abend das übliche Konzertpublikum anwesend war. Neben den Kollegen aus der Hochschule und ihren Schülern, die ihre Begeisterung mit Zurufen aus den hinteren Reihen äußern. Glanzvoll geht ein Abend zu Ende, der vielleicht das nächste Mal nicht an einem Dienstagabend im Konzertsaal, sondern am Samstagmittag auf dem Marktplatz stattfindet, wenn er das erreichen will, was so wichtig ist: die Stadtgesellschaft. Die Professoren haben sich jedenfalls hervorragend geschlagen und gezeigt, dass Thomas Leander mit seiner Idee auf dem richtigen Weg ist.

Michael S. Zerban