O-Ton

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Kirsas Musik ohne Musik

KIRSAS MUSIK
(Thierry Tidrow)

Besuch am
5. September 2021
(Premiere)

 

Junge Oper Dortmund

Wenn es darum geht, junge, insbesondere sehr junge Menschen ans Theater oder gar die Oper heranzuführen, sind neue, originelle Konzepte immer willkommen. Der Komponist Thierry Tidrow und die Librettistin Ilaria Lanzino wagen sich mit der 35-minütigen Oper Kirsas Musik an der Jungen Oper Dortmund besonders weit vor. Gedacht ist das Stück für Kinder ab vier Jahren, wobei sich die Frage stellt, ob sich bei den Kindern nach dieser Vorstellung nicht ein schiefes Bild von den Möglichkeiten und Reizen des Theaters einstellen könnte.

Es verwundert schon, dass Musik in Kirsas Musik nur eine äußerst bescheidene Rolle spielt. Man verzichtet auf jede instrumentale Begleitung und begnügt sich mit drei Sängern, die zwar durch akrobatische Stimmübungen und durch rhythmisch präzise Rezitationen der simplen Texte beeindrucken, aber niemals singen. Erst recht keine fassbaren Melodien mit Wiedererkennungswert. Musikalisch eine recht trockene Angelegenheit, die durch die mitunter übertrieben „kindliche“ Gestik der Darsteller nicht kindgerechter wird.

Und wenn die Damen schon ganze Litaneien an Lieblingsspeisen und -spielen abfeuern, wenn Marcelo de Souza Felix eine virtuose Body-Percussion-Einlage abzieht, fragt man sich, warum die Kinder nicht einbezogen, ja, nicht einmal mit einem Wort angesprochen werden. Die Kinder folgen in bloßer Konsumentenhaltung mehr oder weniger interessiert den merkwürdigen Sprechübungen von Erwachsenen, die Kinder so darstellen, wie sich Kinder nie bewegen oder verhalten. Kindertheater in einem so intimen und überschaubaren Rahmen wie im leergeräumten Café des Opernhauses müsste jede Gelegenheit nutzen, die Kinder ins Spiel mit einzubeziehen. Was sich in den Folgeaufführungen sicher noch nachholen lässt.

Denn das Thema ist durchaus gut gewählt: Kirsa trifft als dunkelhäutiger Außenseiter auf die verwöhnten Freundinnen Mara und Tara und wird zunächst abgewiesen. Durch sein offenes Wesen und seine Spontanität kann er allmählich Vorurteile und Vorbehalte abbauen und die Sympathie vor allem Maras gewinnen.

Die Librettistin Ilaria Lanzino setzt in ihrer Inszenierung auf clowneske Übertreibung, was durch die harlekin-artigen Kostüme von Emine Güner verstärkt wird. Komponist Thierry Tidrow sorgt auch für die musikalische Einstudierung des Gesangs-Trios. Hier lassen neben Marcelo de Souza Felix in der Titelrolle die Freundinnen Ruth Katharina Peeck als Mara und Anna Lucia Struck als Tara keine Wünsche offen.

Ein wenig Ratlosigkeit macht sich schon breit. Ein Nachgespräch mit den Ausführenden wäre angebracht. Ob eine A-cappella-Oper ohne musikalischen Glanz, ohne Magie und ohne direkte Ansprache Kinder für das Theater dauerhaft begeistern kann, ist mehr als fraglich.

Pedro Obiera