O-Ton

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Foto © Björn Hickmann

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Die Macht der Frauen

FRÉDÉGONDE
(Ernest Guiraud, Paul Dukas, Camille Saint-Saëns)

Besuch am
20. November 2021
(Premiere)

 

Oper Dortmund

Der Weg zur Premiere war so steinig wie die Entstehung des Werks selbst. Gleich drei namhafte Komponisten bemühten sich um die Fertigstellung der Oper Frédégonde und die pandemischen Einschränkungen zwangen die Dortmunder Oper zu einem Format, in dem der Film das szenische Zepter schwingt.

Damit erwartet die Besucher der Deutschen Erstaufführung der 1895 in Paris uraufgeführten Oper Frédégonde ein Musiktheater der besonderen Art. Komponiert hat das Werk Ernest Guiraud, dem wir die Rezitative in Bizets Carmen und einige fertiggestellte Teile von Offenbachs Les Contes d‘Hoffmann zu verdanken haben. Guiraud starb jedoch während der Komposition, so dass Paul Dukas die Orchestrierung der drei vorliegenden Akte übernahm. Als posthume Freundschaftsgeste vervollständigte das Werk Guirauds enger Freund Camille Saint-Saëns um die letzten zwei Akte. Stilistisch passte sich Saint-Saëns dem eher lyrisch weichen, in den Chorszenen effektvollen Kolorit der französischen Oper seiner Zeit an, auch wenn er sich relativ kurz fasst und manches die Wertung seines Biografen Brian Rees, vieles von Saint-Saëns klinge „kompetenter als inspiriert“, zu bestätigen scheint. Gleichwohl ist ein bühnenwirksames, psychologisch interessantes Werk entstanden, in dem zwei starke Frauen den Ton angeben.

Die Handlung führt uns zurück in die von dynastischen Konflikten erschütterte Zeit des frühmittelalterlichen Merowingerreichs. Es herrscht Krieg zwischen den Reichen Austrasien und Neustrien, jeweils angeführt von der Königinwitwe Brunhilda und ihrem verhassten Schwager und König Hilpéric. Der tötete unter dem dominierenden Einfluss seiner Mätresse Frédégonde Brunhildas Gatten. Ein Rachefeldzug Brunhildas scheitert und Hilpérics Sohn Mérowig soll Brunhilda in die Verbannung schicken. Die beiden verlieben sich jedoch und heiraten sogar. Die Rache Hilpérics und vor allem Frédégondes lässt nicht auf sich warten. Am Ende tötet sich Mérowig, und Frédégonde triumphiert.

Die Dortmunder Premiere wird zugleich als Livestream online gesendet. Und die während des Lockdowns produzierte Inszenierung von Maire-Eve Signeyrole ist stark auf dieses digitale Format zugeschnitten. Im Parkett nimmt nur der Chor Platz, während sich das Publikum auf den Rängen tummeln muss. Das Orchester ist auf der Bühne postiert, halb verdeckt durch eine riesige Leinwand. Die Sänger sitzen meist auf einer mittelalterlichen Festtafel vor dem Orchester und agieren extrem sparsam. Szenisch spielt sich fast alles in vorproduzierten Filmen in und vor der Kulisse des benachbarten Schlosses Bodelschwingh ab. Und die Filmsequenzen bestätigen, was Kameraführung und Perspektivwechsel, aber auch die Personenführung angeht, durchaus den renommierten Ruf der Regisseurin.

Allerdings erschweren die Rückblenden auf die früheren Jahre der Frauen, aber auch der Vorfahren, die Vorausschauen auf das böse Ende und die Verknüpfungen mit parallelen Handlungen eher das Verständnis der im Detail verwickelten Geschichte.

Live bewegen sich die Sänger, wenn überhaupt, stets im Halbdunkel und im Schatten der Filmsequenzen. Vokal kann sich die Produktion in allen Partien hören lassen. Der emotional kälter gestrickten Frédégonde gibt Hyona Kim mit ihrem markanter klingenden Sopran ein ebenso rollendeckendes Profil wie Anna Sohn der insgesamt weicher gezeichneten Kontrahentin Brunhilda mit ihrer lyrisch geprägten Stimme. Auch wenn sich die Männer in der Handlung nicht gegen die starken Frauen durchsetzen können: Stimmlich singen sie auf Augenhöhe. So Sergey Romanovsky als Mérowig mit seinem strahlenden, in den Höhen allerdings nicht immer intonationssicheren Tenor und rundum überzeugend Mandla Mndebele als Hilpéric mit seinem mächtigen, in der Tiefe dunkel und voluminös tönenden Bass. Auf gleichem Niveau überzeugen Denis Velev als Bischof Prétextat und Sungho Kim als Mönch Fortunatus.

Motonori Kobayashi entlockt der Partitur mit den Dortmunder Philharmonikern die Leuchtkraft und das farbige Kolorit, das Dukas und Saint-Saëns meisterhaft versprühen. Dabei kommen die lyrischen Elemente ebenso zu ihrem Recht wie die fein dosierten dramatischen Akzente.

Begeisterter Beifall für ein Opern-Projekt der besonderen Art.

Pedro Obiera