O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Aktuelle Aufführungen

Hitziger Symphonie-Abend

SINFONISCHER OLYMP
(Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart)

Besuch am
25. Juni 2023
(Premiere am 24. Juni 2023)

 

Treppenhaus, Schloss Augustusburg, Brühl

Eine mittelalterliche Wasserburg bildet das Fundament für den Neubau eines Prachtgebäudes in Brühl. 1725 begann der Bau von Schloss Augustusburg, der erst 1768 abgeschlossen wurde. Balthasar Neumann war derjenige, der den Entwurf für das Prunktreppenhaus fertigte, das bis heute eine besondere Rolle in dem Rokoko-Juwel spielt. Aus musikalischer Sicht genauer seit dem Jahr 1958, als der in Brühl geborene Dirigent, Musikwissenschaftler und Theologe Helmut Müller-Brühl die Brühler Schlosskonzerte ins Leben rief. Sein Ziel: Das Schloss einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Zwischen Ende Mai und Anfang August finden seither rund 25 Konzerte im Gebäude und den umliegenden Kirchen und Sälen statt. Seit 1995 leitet Andreas Spering die Geschicke der Brühler Schlosskonzerte – an die sich übrigens im August das Haydn-Festival anschließt.

Der Fokus der Schlosskonzerte liegt auf der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts, und da passen Gäste wie die Compagnia di Punto hervorragend in das Treppenhaus des Schlosses, das nicht nur architektonisch, sondern auch akustisch immer wieder fasziniert. Hornist Christian Binde gründete das Ensemble, das sich die historische Aufführungspraxis auf den Zettel geschrieben hat, 2010. Auch wenn das Ensemble durchaus großes Orchester kann, liegt seine Spezialität doch eher darin, große Werke mit wenig Aufwand so zu musizieren, dass Transparenz und Intimität in den Vordergrund rücken. Insofern ist das heutige Programm Sinfonischer Olymp nicht nur für das Ensemble, sondern auch für den Raum maßgeschneidert.

Christian Binde – Foto © O-Ton

Nicht weniger als zwei Sinfonien haben die neun Musiker mitgebracht, um das nahezu vollbesetzte Haus in Verzücken zu versetzen. In Zeiten, in denen Komponisten noch groß dachten, hatten sie ein echtes Problem. Ein ganzes Orchester bringt man schlecht in einem Salon unter. Wie also die schöne Musik „unters Volk“ bringen, vor allem dorthin, wo die potenziellen Geldgeber sich zu abendlicher Unterhaltung trafen? Die Lösung fanden Männer wie Carl Friedrich Ebers, die das große Orchesterwerk beispielsweise mal eben für vierhändiges Klavier oder eine kammermusikalische Besetzung arrangierten. Damit ließ sich vortrefflich Geld verdienen und den Komponisten gar einen Gefallen erweisen. Auf solche Partituren greift die Compagnia di Punto an diesem Abend zurück, um eine passgenaue Lösung für das Treppenhaus im Schloss Augustusburg zu finden.

Erschwert wird die Aufgabe allerdings aufgrund der Temperaturen. Bei über 30 Grad im Schatten dringt die Wärme selbst in den kühlen Bau, geöffnete Fenster sorgen allenfalls für einen schmalen Windhauch, die Besucher dürfen wenigstens alles als Fächer verwenden, was sich auch nur im Geringsten dafür eignet. Die Musiker hingegen müssen um ihre Konzentration und die Stimmung ihrer Instrumente kämpfen. Die könnten an dem Abend Hänschen klein spielen: Das Publikum hätte vermutlich Verständnis. Stattdessen geben sie sich allergrößte Mühe, den hohen Anforderungen des Programms gerecht zu werden. Chapeau!

Sara Hubrich – Foto © O-Ton

Den Anfang macht die Sinfonie Es-Dur Hob. I 99 von Joseph Haydn. 1793 entstanden, wurde das viersätzige Werk, das zu den Londoner Sinfonien gehört, ein Jahr später uraufgeführt. Es ist die erste Sinfonie, in der Haydn Klarinetten verwendete. Markus Schön und Etele Dosa übernehmen die Aufgabe, die historischen Instrumente einzubringen. Mit Christian Binde und Jörg Schultess sind zwei Hornisten am Werk, die immer wieder kluge Akzente setzen, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Getragen werden die vier Sätze von den Streichern. Yukie Yamauchi erlaubt sich wenigstens ab und zu den wohlverdienten Griff zum Schweißtuch. Bewundernswert gutgelaunt zeigen sich Geigerin Malina Mantcheva und Bratschistin Sara Hubrich, vielleicht deshalb, weil sie den Kamineffekt genießen dürfen. Cellist Andreas Müller und Raivis Misjuns am Kontrabass lassen sich die erschwerten Bedingungen ebenfalls nicht anmerken.

Beim anschließenden fünfsätzigen Divertimento in Es-Dur Hob. II 21 handelt es sich um ein schönes Beispiel für ein österreichisches Divertimento, also ein Werk in kurzen Sätzen, das an die Stelle der barocken Orchestersuiten trat, sehr beliebt in theresianischer Zeit. Bevor Haydn zum „Erfinder des Streichquartetts“ und zum ersten Großmeister der Sinfonie avancierte, verfasste er etliche solcher Divertimenti. Unterhaltungsmusik pur, die vom Ensemble auch so dargeboten wird.

Man mag Haydn noch so sehr verehren, bei Mozart geht es einfach noch mal eine Stufe weiter Richtung Elysium. Die viersätzige Sinfonie g-Moll KV 550 beweist es. Filigraner, fantasievoller und abwechslungsreicher kommt die Musik daher. Und so gelingt der Compagnia di Punto leichterdings, einen der Höhepunkte der Brühler Schlosskonzerte dieses Jahres zu schaffen. Das Publikum erklatscht eine Zugabe, ehe es vom sinfonischen Olymp wieder heruntersteigt und sich in die immer noch überhitzte Abendluft verliert.

Für die Compagnia di Punto geht es auf der Erfolgsleiter weiter, wenn das Ensemble beim Festival Beethoven in Kerpen von Christoph Spering Ende August und am 9. Februar kommenden Jahres in der Elbphilharmonie erneut mit Ian Bostridge auftritt.

Michael S. Zerban